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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_343/2021  
 
 
Urteil vom 27. Juli 2021  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, präsidierendes Mitglied, 
Gerichtsschreiber Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bernhard Berger, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Mieterausweisung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, vom 18. Juni 2021 
(ZK 21 211). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
A.________ (Beschwerdeführer, Mieter) schloss am 10. April 2014 mit B.________ (Beschwerdegegner, Vermieter) einen Mietvertrag über eine 4.5-Zimmerwohnung an der... in Bern (im Folgenden: Wohnung) ab. Die Parteien vereinbarten einen monatlichen Mietzins von Fr. 2'700.-- (inkl. Nebenkosten akonto). 
 
Der Beschwerdegegner kündigte den Mietvertrag am 14. Januar 2020 wegen Zahlungsrückstands auf den 29. Februar 2020. Diese Kündigung focht der Beschwerdeführer am 13. Februar 2020 als missbräuchlich an. Später sistierte die Schlichtungsbehörde Bern-Mittelland das Kündigungsschutzverfahren. 
 
Am 5. März 2020 beantragte der Beschwerdegegner dem Regionalgericht Bern-Mittelland, der Beschwerdeführer sei im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen aus der genannten Wohnung auszuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er darum, auf eine Verhandlung zu verzichten. 
 
Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Stellungnahme vom 24. März 2020 in der Sache, es sei auf das Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen nicht einzutreten, eventualiter sei das Gesuch abzuweisen; widerklageweise sei festzustellen, dass die am 14. Januar 2020 ausgesprochene ausserordentliche Kündigung des Mietverhältnisses nichtig, eventualiter ungültig sei, und subeventualiter sei festzustellen, dass die am 14. Januar 2020 ausgesprochene ausserordentliche Kündigung des Mietverhältnisses in eine vorzeitige ordentliche Kündigung umzudeuten sei und das Mietverhältnis auf den 30. April 2020 ordentlich ende. In prozessualer Hinsicht ersuchte er unter anderem um die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. 
 
Mit Entscheid vom 29. Mai 2020 trat das Regionalgericht auf die Widerklage des Beschwerdeführers nicht ein und verpflichtete ihn, die Wohnung innerhalb von zehn Tagen seit Erhalt des Entscheids zu räumen und zu verlassen, unter Androhung der zwangsweisen Durchsetzung im Falle der Nichtbefolgung. 
 
Mit Entscheid vom 25. August 2020 wies das Obergericht des Kantons Bern eine vom Beschwerdeführer gegen diesen Entscheid erhobene Berufung ab, soweit es darauf eintrat, und setzte ihm eine neue Räumungsfrist an. 
 
Eine vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil 4A_451/2020 vom 12. November 2020 gut, und wies die Sache zur Neubeurteilung an das Regionalgericht zurück, weil dieses bei der im Verfahren nach Art. 257 ZPO beurteilten Mieterausweisung, bei der vorfrageweise auch die Gültigkeit der Kündigung zu prüfen war, trotz ausdrücklichem Antrag des Beschwerdeführers zu Unrecht eine öffentliche mündliche Verhandlung verweigert hatte. 
 
Am 24. März 2021 fand vor dem Regionalgericht die mündliche Verhandlung statt, nachdem das Gericht einem Verschiebungsgesuch des Beschwerdeführers der ursprünglich auf den 5. März 2021 angesetzten Verhandlung entsprochen hatte. Mit Entscheid vom 24. März 2021 trat das Regionalgericht wiederum auf die Widerklage des Beschwerdeführers nicht ein und verpflichtete ihn erneut, die Wohnung innerhalb einer Räumungsfrist von zehn Tagen resp. - falls keine Partei eine schriftliche Begründung verlangt hätte - bis zum 16. April 2021 zu räumen. 
 
Eine dagegen erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 18. Juni 2021 ab und verurteilte den Beschwerdeführer, die Wohnung innert 10 Tagen ab Erhalt des Berufungsentscheids zu räumen und zu verlassen. 
 
Gegen diesen Entscheid erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 26. Juni 2021 erneut Beschwerde in Zivilsachen, mit der er namentlich einen Verstoss gegen Art. 6 in Verbindung mit Art. 18 EMRK sowie Art. 3 in Verbindung mit Art. 14 EMRK rügt, wobei er sich eine Ergänzung der Beschwerdebegründung innerhalb der noch laufenden Rechtsmittelfrist vorbehielt. Gleichzeitig stellte er das Gesuch, der Beschwerde sei, vorab superprovisorisch, die aufschiebende Wirkung zu erteilen. 
 
Mit Verfügung vom 29. Juni 2021 erteilte das Bundesgericht der Beschwerde superprovisorisch die aufschiebende Wirkung. 
 
Die Vorinstanz verzichtete mit Schreiben vom 30. Juni 2021 auf eine Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung. Der Beschwerdegegner schliesst mit Stellungnahme vom 5. Juli 2021 auf umgehende Abweisung dieses Gesuchs. 
 
Das Schreiben vom 30. Juni 2021 und die Stellungnahme vom 5. Juli 2021 wurden dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 7. Juli 2021 zur Kenntnisnahme zugestellt. Dieser replizierte mit Eingabe vom 23. Juli 2021 (Postaufgabe am 24. Juli 2021) zur Stellungnahme vom 5. Juli 2021. 
 
2.  
Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht, von den beim Gericht eingereichten Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können. Die Wahrnehmung des Rechts auf Replik setzt voraus, dass die von den übrigen Verfahrensbeteiligten eingereichten Eingaben der Partei zugestellt werden, damit sie entscheiden kann, ob sie sich dazu äussern will oder nicht (BGE 146 III 97 E. 3.4.1; 139 I 189 E. 3.2). Dabei wird erwartet, dass eine Partei, die eine Eingabe ohne Fristansetzung erhält und dazu Stellung nehmen will, dies umgehend tut oder zumindest beantragt; ansonsten wird angenommen, sie habe auf eine weitere Eingabe verzichtet (BGE 138 I 484 E. 2.2; 133 I 100 E. 4.8 S. 105 mit Hinweisen). Es obliegt dem Gericht, in jedem Einzelfall ein effektives Replikrecht zu gewähren. Hierfür kann es den Parteien eine Frist setzen. Es kann die Eingabe aber auch lediglich zur Kenntnisnahme zustellen, wenn von den Parteien, namentlich von anwaltlich Vertretenen oder Rechtskundigen, erwartet werden kann, dass sie umgehend unaufgefordert Stellung nehmen oder eine Stellungnahme beantragen (BGE 142 III 48 E. 4.1.1; 138 I 484 E. 2.4). 
 
Die Stellungnahme des Beschwerdegegners vom 5. Juli 2021 wurde dem - rechtskundigen - Beschwerdeführer mit Verfügung vom 7. Juli 2021 zur Kenntnisnahme zugestellt. Dieser replizierte dazu erst mit Eingabe vom 24. Juli 2021 (Postaufgabe). Es ist fraglich, ob darin eine umgehende Reaktion im Sinn der zitierten Rechtsprechung gesehen werden kann oder ob Verzicht auf Stellungnahme anzunehmen ist und die Replik unbeachtet zu bleiben hat. Wie es sich damit verhält, kann allerdings offen bleiben, da sich am Verfahrensausgang jedenfalls nichts ändert, wenn die Eingabe vom 23./24. Juli 2021 berücksichtigt wird. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer rügt zunächst, dass sich der "vorgebliche Rechtsvertreter des Beschwerdegegners" nicht mit einer entsprechenden Vollmacht legitimiert habe. 
 
Der Einwand geht fehl. Der Beschwerdegegner wird im bundesgerichtlichen Verfahren von Rechtsanwalt Dr. Bernhard Berger vertreten. Dieser reichte beim Regionalgericht eine vom 3. März 2020 datierte Vollmacht ein, mit der er vom Beschwerdegegner bevollmächtigt wurde, ihn in Sachen "A.________" zu vertreten, insbesondere einen Prozess anzuheben, unter Einräumung des Substitutionsrechts. 
 
Gegenteilige Anordnungen vorbehalten, gilt der Grundsatz, dass der Vertreter aufgrund einer einmal für eine Rechtssache ausgestellten Vollmacht befugt ist, die Partei vor allen Instanzen, einschliesslich vor Bundesgericht, zu vertreten (LAURENT MERZ, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 41 zu Art. 40 BGG). Mangels gegenteiliger Anordnung in der Vollmacht vom 3. März 2020, ist damit die von Rechtsanwalt Dr. Berger im kantonalen Verfahren vorgelegte, sich in den kantonalen Akten befindende Vollmacht auch für das bundesgerichtliche Verfahren rechtsgenügend und es besteht für das Bundesgericht kein Anlass, eine neue Vollmacht einzufordern (Art. 40 Abs. 2 BGG). Auch der Umstand, dass die Stellungnahme vom 5. Juli 2021 in Vertretung von Rechtsanwalt Dr. Berger durch einen anderen Rechtsanwalt derselben Anwaltskanzlei unterzeichnet wurde, ist im Lichte von Art. 40 BGG unproblematisch, zumal die Vollmacht vom 3. März 2020 ein Substitutionsrecht einräumt. 
 
4.  
Der Beschwerdegegner machte in seiner Stellungnahme vom 5. Juli 2021 geltend, der Beschwerdeführer missbrauche das Rechtsmittelsystem, um die Exmission solange wie möglich zu verhindern, unter dem Vorwand des Anspruch auf Klärung vermeintlicher EMRK-Widrigkeiten. Der Beschwerdeführer halte die Wohnung seit dem 1. März 2020 rechtswidrig besetzt und habe seit 19 Monaten dafür keinen Rappen mehr bezahlt. Der zwischenzeitliche Ausstand gegenüber dem Beschwerdegegner samt Prozesskosten belaufe sich auf Fr. 62'812.10. Der Beschwerdeführer hätte, auch wenn er zahlungswillig wäre, keine Mittel, um für den rechtswidrigen Gebrauch der Wohnung etwas zu zahlen, sei ihm doch im angefochtenen Entscheid die unentgeltliche Rechtspflege gewährt worden, gestützt auf Unterlagen, die zeigten, dass er hoch verschuldet sei. In der Tat zeigten die von ihm eingereichten Belege, dass er weder Vermögen noch Einkommen habe, sondern gegen ihn per 8. April 2021 Verlustscheine über Fr. 304'000.-- bestünden. Die Beschwerde bezwecke somit einzig, auf Kosten des Beschwerdegegners noch so lange wie möglich gratis die Wohnung besetzt zu halten. Der Beschwerdeführer sei nicht nur zahlungsunwillig, sondern offensichtlich auch unfähig, den aufgelaufenen Ausstand von über Fr. 62'000.-- nachzuzahlen, geschweige denn pro futuro einen Mietzins von Fr. 2'720.-- pro Monat zu bezahlen. 
 
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er seit nunmehr 19 Monaten für die Wohnung keinen Mietzins (bzw. gegebenenfalls keinen Schadenersatz für eine Nutzung ohne Rechtstitel) mehr bezahlt, wenn er in seiner Gesuchsreplik vom 23. Juli 2021 bloss vorbringt, hinsichtlich der "ominösen vorgeblichen Forderung in der Höhe von Fr. 62'812.10", mit der sich "der Beschwerdegegner zu Wort" melde, sei "hierorts nichts bekannt" und die Forderung, bei der es sich "allem Anschein nach um eine Wunschvorstellung handle, für die es keinen Anknüpfungspunkt an die Realität" gebe, werde bestritten. Ebensowenig stellt er seine Zahlungsunfähigkeit in Abrede, wenn er insoweit einzig ausführt, die unzähligen Verlustscheine stellten das "Produkt der Intrigenwirtschaft gegen den Beschwerdeführer" dar. 
 
Damit ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seit 19 Monaten keinen Mietzins für die Wohnung gemäss dem Mietvertrag vom 10. April 2014 mehr bezahlt, dessen rechtsgültige Kündigung wegen Zahlungsverzugs nach Art. 257d OR per Ende Februar 2020 die Vorinstanzen bejaht haben. Er hat damit seit 19 Monaten aufgehört, seine grundlegende Pflicht zur Bezahlung des Mietzinses aus dem Mietvertrag zu erfüllen, der nach seinem Standpunkt die Parteien nach wie vor binden soll. Unter diesen Umständen springt ins Auge, dass die vom Beschwerdeführer betriebene Prozessführung, welche die Kündigung wegen Nichtbezahlung von ausstehenden Mietzinsen innerhalb der nach Art. 257d OR angesetzten Frist im Dezember 2019/Januar 2020 zum Gegenstand hat, rein trölerisch und missbräuchlich erfolgt und einzig zum Ziel hat, seine Ausweisung aus der Wohnung so lange wie möglich hinauszuzögern. Die vorliegende Beschwerde ist damit unzulässig und es ist darauf im vereinfachten Verfahren nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 7 und Art. 108 Abs. 1 lit. c BGG; s. dazu das Urteil 4A_60/2019 vom 6. März 2019 E. 4, in dem ein ähnlich gelagerter Fall zu beurteilen war.). 
 
Mit diesem Entscheid in der Sache selbst, wird das vom Beschwerdeführer gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
5.  
Auf die Erhebung von Gerichtskosten ist ausnahmsweise zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 zweiter Satz BGG), womit auch das vom Beschwerdeführer gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos wird. 
 
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 500.-- zu entschädigen. 
 
 
Demnach erkennt das präsidierende Mitglied:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt, dem Beschwerdegegner unter Beilage des Doppels der Eingabe vom 23./24. Juli 2021. 
 
 
Lausanne, 27. Juli 2021 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer