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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_527/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 25. März 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Kratz-Ulmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Advokat Alain Joset, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz; Willkür, Grundsatz des fair trial, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 6. März 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 Am 21. November 2009 ging auf einem Mobiltelefon der Polizei die Kurzmitteilung ein: "Hallo koleg ich bin Z.________ und das ist meine new number ok". Am 24. November 2009 antwortete ein Detektiv-Korporal mittels SMS, um ein Treffen zu vereinbaren und den Absender zu identifizieren. Eine Fahndungsgruppe der Polizei folgte der am Treffpunkt erschienenen Person bis zu einem Haus. Nachdem der Detektiv-Korporal die Zielperson dort angehalten hatte, konnte er einen Wohnungsschlüssel erhältlich machen. In der Wohnung fand die Polizei belastendes Material gegen X.________. 
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte X.________ am 24. Januar 2012 wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie mehrfacher Widerhandlung gegen das Ausländergesetz zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe. 
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt wies die Berufung des Verurteilten am 6. März 2013 ab. 
 
B.  
 
 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt zur Hauptsache, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz freizusprechen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der Art. 141 und 289 StPO, der Art. 7 und 17 f. des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über die verdeckte Ermittlung (AS 2004 1409; aBVE) sowie des Gebots des "fair trail". Der Einsatz des Detektiv-Korporals am 24. November 2009 sei eine verdeckte Ermittlung gewesen. Dafür habe keine Genehmigung vorgelegen. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sei jegliches Anknüpfen von Kontakten mit einer verdächtigen Person zu Ermittlungszwecken durch einen nicht als solchen erkennbaren Polizisten als verdeckte Ermittlung zu qualifizieren. Die dadurch gewonnenen Beweismittel seien daher nicht StPO-konform.  
 
1.2. Die Vorinstanz erwägt, nicht jedes kurze Gespräch eines nicht als solcher erkennbaren Polizisten mit einem Verdächtigen oder mit einer zu dessen Umfeld gehörenden Person zu Ermittlungszwecken stelle eine verdeckte Ermittlung dar. Das Verhalten des Detektiv-Korporals sei rein reaktiv gewesen und könne damit nicht als Anknüpfen eines Kontaktes gewertet werden. Es sei insbesondere keine Grundlage für ein Scheingeschäft gewesen. Z.________ habe das SMS auf ein sich in der Fahndung befindliches Mobiltelefon gesendet. Er habe sich nicht dafür interessiert, wem die Telefonnummern gehörten. Erst aufgrund dieser Kontaktnahme habe der Fahnder mit einer SMS antworten und ein Treffen vorschlagen können. Wenn sich unter den Kontaktierten auch ein Fahnder befinde, könne dies nicht mit einem Einschleusen ins Milieu verglichen werden. Zudem habe der Fahnder nicht auf ein Drogengeschäft hingewirkt. Er habe nur versucht, den Gesprächspartner am Treffpunkt zu identifizieren, und ihn anschliessend observieren lassen. Die Identifikation von Z.________ sei somit nicht im Rahmen einer verdeckten Ermittlung erfolgt. Die Beweise, die bei der Hausdurchsuchung gefunden wurden, seien verwertbar (Urteil S. 5).  
 
1.3. Am 1. Januar 2011 ist die Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO; SR 312.0) in Kraft getreten. Gemäss Art. 448 Abs. 2 StPO behalten Verfahrenshandlungen, die vor Inkrafttreten der StPO angeordnet oder durchgeführt worden sind, ihre Gültigkeit. Dieser Grundsatz gilt auch für die Verwertbarkeit altrechtlich erhobener Beweise (Urteil 6B_610/2013 vom 12. Dezember 2013 E. 3.3 mit Hinweisen; vgl. Urteil 6B_336/2011 vom 10. Januar 2012 E. 2, wonach das Legalitätsprinzip im Strafprozess gebietet, die Beweise nach dem jeweils gültigen Recht zu erheben).  
Ob der Einsatz des Detektiv-Korporals am 24. November 2009 zulässig war und ob die daraus gewonnenen Erkenntnisse verwertbar sind, beurteilt sich nach dem damals geltenden Prozessrecht, namentlich dem aBVE und nicht nach Art. 141 und 289 StPO
 
1.4. Die verdeckte Ermittlung nach aBVE hatte zum Zweck, mit Angehörigen der Polizei, die nicht als solche erkennbar sind, in das kriminelle Umfeld einzudringen und damit beizutragen, besonders schwere Straftaten aufzuklären (Art. 1 aBVE). Die Ernennung und der Einsatz des verdeckten Ermittlers bedurften der richterlichen Genehmigung (Art. 7 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 aBVE). Fehlte diese, durften die durch die verdeckte Ermittlung gewonnenen Erkenntnisse weder für weitere Ermittlungen noch zum Nachteil einer beschuldigten Person verwendet werden (Art. 18 Abs. 5 Satz 2 aBVE).  
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist im Zweifelsfall davon auszugehen, dass jedes Anknüpfen von Kontakten mit einer verdächtigen Person zu Ermittlungszwecken durch einen nicht als solchen erkennbaren Polizeiangehörigen ungeachtet des Täuschungsaufwands und der Eingriffsintensität als verdeckte Ermittlung im Sinne des aBVE zu qualifizieren ist (BGE 134 IV 266 E. 3.7 S. 277). Wesentliches Kriterium des Anknüpfens von Kontakten ist ein aktives und zielgerichtetes Verhalten. Dabei gelten auch kurze verdeckte Kontakte, die in der Lehre etwa als verdeckte Fahndung bezeichnet werden, als verdeckte Ermittlung. Sofern der Polizist aktiv und zielgerichtet den Kontakt anknüpft, ist dessen Scheinkauf von Betäubungsmitteln ebenfalls als verdeckte Ermittlung im Sinne des aBVE zu qualifizieren, selbst wenn der Kauf einfach und isoliert ist und nur wenige Sekunden dauert. Das Element eines aktiven, zielgerichteten Verhaltens ist jedoch nicht ohne Weiteres gegeben, wenn ein nicht als solcher erkennbarer Polizeiangehöriger z.B. bei einer Observation von der Zielperson angesprochen wird, sich auf ein kurzes Gespräch einlässt und zu erkennen gibt, dass er an der angebotenen Leistung nicht interessiert ist (Urteil 6B_610/2013 vom 12. Dezember 2013 E. 3.5 mit Hinweis). 
Z.________, der nach der Verdachtslage mit Betäubungsmitteln handelte, sandte dem Detektiv-Korporal eine SMS, um ihm seine neue Nummer anzugeben (Urteil S. 3). Die Kontaktnahme ging somit nicht von der Polizei aus. In seinem SMS fragte der Detektiv-Korporal weder konkret nach Betäubungsmitteln noch machte er ein Kaufangebot. Die Antwort war ausschliesslich darauf gerichtet, einen Treffpunkt mit dem Händler zu vereinbaren, um ihn zu identifizieren. Nachdem die Polizei ihm unerkannt bis zum Haus gefolgt war, verhaftete sie ihn dort (Urteil S. 3). Das Verhalten des Detektiv-Korporals war somit weder aktiv noch zielgerichtet im Sinne der Rechtsprechung. Sein Verhalten fällt nicht unter den Anwendungsbereich des aBVE. Die Rüge ist unbegründet. 
 
1.5. Die Frage der Verwertbarkeit von Folgebeweisen stellt sich daher nicht. Ebenso kann offenbleiben, ob der Detektiv-Korporal das Treffen mit Z.________ nicht vereinbart habe, um dessen Identität zu ermitteln. Für die Klärung der Rechtslage ist diese Frage nicht relevant (E. 1.4).  
 
2.  
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen das Strafmass. Die Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren sei unangemessen hoch und bundesrechtswidrig. Diese Rüge begründet er ausschliesslich mit der Unverwertbarkeit der Beweismittel. Da die Beweise verwertbar sind (E. 1.4), ist die Rüge unbehelflich. 
 
3.  
 
 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Lage ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. März 2014 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kratz-Ulmer