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[AZA] 
H 234/99 Hm 
 
II. Kammer  
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; 
Gerichtsschreiber Grünvogel 
 
Urteil vom 3. April 2000  
 
in Sachen 
 
W.________, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 
Zürich, Beschwerdegegnerin, 
und 
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
    A.- Gestützt auf die Ergebnisse einer Arbeitgeberkon- 
trolle verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons Zürich 
die Firma X.________ AG (nachfolgend: Firma) zur Nachzah- 
lung paritätischer AHV/IV/EO/ALV-Beiträge sowie von Bei- 
trägen an die Familienausgleichskasse in der Höhe von 
Fr. 361'285.90, einschliesslich Verzugszinsen und Verwal- 
tungskosten, auf Entgelten, welche in den Jahren 1987 bis 
1991 an diverse Personen, von 1987 bis 1989 u.a. auch an 
W.________, ausgerichtet worden waren (Verfügungen vom 
18./23. Dezember 1992). 
    B.- Dagegen erhoben die Firma, W.________ und weitere 
Personen Beschwerde, worauf die AHV-Rekurskommission des 
Kantons Zürich die Verfahren vereinigte. 
    Einen ersten Entscheid vom 11. April 1994, womit die 
angefochtenen Verfügungen aus formellen Gründen aufgehoben 
wurden, hob das Eidgenössische Versicherungsgericht auf 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Kasse hin mit Urteil vom 
6. Februar 1995 auf und überwies die Sache an das zwischen- 
zeitig an Stelle der kantonalen Rekurskommission zuständig 
gewordene Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, 
damit es im Sinne der Erwägungen über die Beschwerden gegen 
die Verfügungen vom 18./23. Dezember 1992 materiell ent- 
scheide. Nachdem dieses Gericht Beweise erhoben hatte, 
schloss es die Angelegenheit mit Entscheid vom 31. Mai 1999 
ab. Soweit die von der Firma an W.________ ausgerichteten 
Gelder betreffend, wies es dabei die Beschwerden ab. 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt W.________ 
sinngemäss beantragen, der vorinstanzliche Entscheid und 
die Verfügungen vom 18./23. Dezember 1992 seien insoweit 
aufzuheben, als sie die von der Firma an ihn ausgerichteten 
Zahlungen umfassen. 
    Während die Kasse und das Bundesamt für Sozialversi- 
cherung auf eine Stellungnahme verzichten, haben sich die 
als Mitinteressierte beigeladenen Personen mit Ausnahme des 
die Rechtsbegehren des W.________ unterstützenden 
T.________ nicht vernehmen lassen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- a) Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur 
soweit eingetreten werden, als Sozialversicherungsbeiträge 
kraft Bundesrechts streitig sind. Im vorliegenden Verfahren 
ist daher nicht zu prüfen, wie es sich bezüglich der Bei- 
tragsschuld an die Ausgleichskasse für kantonale Familien- 
zulagen verhält (BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis). 
    b) Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat 
das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob 
der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzt, ein- 
schliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, 
oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich 
unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher 
Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in 
Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 
OG). 
    Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das 
Eidgenössische Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten 
an die Parteibegehren nicht gebunden ist, wenn es im Pro- 
zess um die Verletzung von Bundesrecht oder um die unrich- 
tige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts 
geht. 
 
    2.- a) Das kantonale Gericht legte die Bestimmungen 
und Grundsätze über die Abgrenzung der selbstständigen von 
der unselbstständigen Erwerbstätigkeit (Art. 5 und 9 AHVG 
sowie Art. 6 ff. AHVV; BGE 123 V 162 Erw. 1, 122 V 172 
Erw. 3b, 119 V 165) zutreffend dar. Gesagtes gilt auch 
bezüglich der Voraussetzungen, unter denen ein Wechsel des 
Beitragsstatuts zulässig ist (BGE 122 V 169, 121 V 1). 
Darauf kann verwiesen werden. 
 
    b) Zu ergänzen ist, dass Fachleute, die einmalig oder 
wiederholt als Berater zur Lösung von Sachproblemen hinzu- 
gezogen werden, ohne eindeutig in einem Arbeitsverhältnis 
zum Auftraggeber zu stehen, in der Regel als selbstständig- 
erwerbende Personen gelten (BGE 110 V 78 Erw. 4b; Käser, 
Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 
2. Aufl. 1996, Rz 4.55). Da für diese typische Dienstleis- 
tungstätigkeit häufig keine besonderen Investitionen anfal- 
len, tritt bei der Abgrenzungsfrage das Unternehmerrisiko 
als Unterscheidungsmerkmal in den Hintergrund. Mehr Gewicht 
erhält dagegen die Frage der arbeitsorganisatorischen Ab- 
hängigkeit; denn die arbeitsorganisatorische und wirt- 
schaftliche Unabhängigkeit ist oft geradezu Voraussetzung 
für die Ausübung einer bestimmten Beratertätigkeit. 
    Dagegen sind Personen, welche Kunden akquirieren und 
Dienstleistungen oder Waren für Dritte verkaufen, regelmäs- 
sig als unselbstständig erwerbstätig einzustufen (vgl. Weg- 
leitung des Bundesamtes für Sozialversicherung über den 
massgebenden Lohn [WML] vom 1. Januar 1977, Rz 4024). Daran 
ändert die aus AHV-mässiger Sicht als charakteristisch zu 
bezeichnende weitgehende arbeitsorganisatorische Unabhän- 
gigkeit (z.B. hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung, Rou- 
tenwahl) nichts. Eine selbstständige Erwerbstätigkeit ist 
nur dann gegeben, wenn neben die relative arbeitsorganisa- 
torische Unabhängigkeit auch noch ein echtes Unternehmer- 
risiko tritt. Ein solches ist etwa gegeben, wenn beträcht- 
liche Investitionen (Miete von wohnungsfremden Räumen, von 
Ausstellungs- oder Lagerräumen, Kauf von Einrichtungsgegen- 
ständen usw.) oder Angestelltenlöhne zu tragen sind (vgl. 
WML Rz 4028). Nicht als Unternehmerrisiko ist der Umstand 
zu werten, dass die Einkünfte eines Handelsvertreters von 
seinem Arbeitserfolg abhängig sind (ZAK 1988 S. 378 
Erw. 2b, 1986 S. 121 Erw. 2b und S. 575 Erw. 2b mit Hinwei- 
sen; WML Rz 4027; vgl. auch BGE 119 V 161, insbesondere 165 
Erw. 3c, und Käser, a.a.O. Rz 4.71 mit weiteren Hinweisen 
auf die Rechtsprechung). 
    Zu beachten ist schliesslich, dass die beitragsrecht- 
liche Stellung einer erwerbstätigen Person stets unter Wür- 
digung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen 
ist (BGE 119 V 161 Erw. 2 mit Hinweisen). 
 
    3.- Die Vorinstanz legte unter Würdigung der Vorbrin- 
gen und Beweismittel der Verfahrensbeteiligten in ihrem 
Entscheid zutreffend dar, dass der Beschwerdeführer im 
fraglichen Zeitraum (1987-1989) als Angestellter der Firma 
im Sinne des AHVG gelten muss und daher auf den von dieser 
Unternehmung an den Versicherten während dieser Zeit be- 
zahlten Geldern paritätische Sozialversicherungsbeiträge 
geschuldet sind. Dabei hat das kantonale Gericht insbeson- 
dere richtig erkannt, dass es sich bei den vom Beschwerde- 
führer in den Jahren 1987 bis 1989 für die Firma ausgeführ- 
ten Tätigkeiten ganz überwiegend um Arbeiten gehandelt hat, 
die typischerweise einem Handelsvertreter und Verkaufslei- 
ter zuzuordnen sind (Akquirieren und Betreuen von Kunden; 
Verkauf von Dienstleistungen der Firma; Überwachung der 
Firmenkurse), nicht hingegen einem Unternehmensberater, 
weshalb für die Abgrenzungsfrage das Unterscheidungsmerkmal 
des Unternehmerrisikos, nicht aber die arbeitsorganisatori- 
sche Abhängigkeit von besonderer Bedeutung ist (Erw. 2b 
hievor). 
 
    4.- Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was den 
Entscheid des kantonalen Gerichts als bundesrechtswidrig 
oder die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhaltes als 
mangelhaft in Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG erscheinen lies- 
se (vgl. Erw. 1b). 
 
    a) Nicht stichhaltig ist insbesondere die Behauptung, 
die Vorinstanz hätte anhand der Steuerakten erkennen müs- 
sen, dass der Versicherte für die fragliche Tätigkeit er- 
hebliche Investitionen habe tätigen müssen. Denn gemäss 
diesen Belegen entfallen Fr. 27'850.- der von 1985 bis 1989 
insgesamt geltend gemachten Ausgaben in der Höhe von 
Fr. 52'247.- auf einen Autokauf. Die beruflich bedingte 
Nutzung eines Personenwagens ist jedoch durch die Firma 
genauso wie die beruflich notwendigen Unterkunfts- und Ver- 
pflegungskosten umfassend abgegolten. Etwas anderes wird 
auch vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Bei ver- 
bleibenden Ausgaben von durchschnittlich maximal Fr. 6250.- 
im Jahr kann aber nicht von beträchtlichen Investitionen 
gesprochen werden. Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde 
erwähnte schlechte Zahlungsmoral der Firma für die dem Ver- 
sicherten geschuldeten Entgelte ist sodann nicht als ein 
besonderes (Unternehmer-) Risiko zu betrachten, zumal die 
Ausstände unter Bezahlung eines vertraglich vereinbarten 
Verzugszinses - wenn auch oftmals verspätet - stets ausge- 
glichen wurden. 
    Dass der Beschwerdeführer weiter vor der Aufnahme sei- 
ner Tätigkeit für die Firma im Juni 1984 für verschiedene 
Unternehmen im Auftragsverhältnis als Berater tätig gewesen 
und hiefür von der Kasse als selbstständig Erwerbender 
erfasst war, erlaubt keine Rückschlüsse auf die beitrags- 
rechtliche Qualifikation der vorliegend streitigen Arbeit, 
zumal er seit Juni 1984 ausschliesslich für die Firma tätig 
war. Sodann ist nicht entscheidend, aus welchen Gründen die 
Parteien die Zusammenarbeit beschlossen haben und wie sie 
das Vertragsverhältnis bezeichnen; massgeblich sind viel- 
mehr die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten (BGE 
119 V 161 Erw. 2 mit Hinweisen). So bietet auch die im Ver- 
trag enthaltene Abrede, wonach der Beschwerdeführer über 
die Entgelte als selbstständig Erwerbender abzurechnen 
habe, zwar einen gewissen Anhaltspunkt für die AHV-recht- 
liche Qualifikation, entscheidend ist dies aber nicht. 
    Ob der Versicherte der Firma freiwillig oder auf Grund 
einer Verpflichtung regelmässig über seine Arbeit Rechen- 
schaft ablegte, was umstritten ist, ist angesichts der 
(weiteren) für eine unselbstständige Erwerbstätigkeit im 
Sinne der AHV sprechenden Indizien ohne Bedeutung (typische 
Arbeiten eines Handelsvertreters und Verkaufsleiters ohne 
echtes Unternehmerrisiko; seit 1984 ausschliesslich für die 
Firma tätig, einseitige Anpassung des Pflichtenheftes des 
Beschwerdeführers durch die Firma, Verpflichtung zu einem 
bestimmten Arbeitspensum, eigener Arbeitsplatz bei der Fir- 
ma, [freiwillige] regelmässige Berichterstattung über die 
ausgeführten Arbeiten, Dauerschuldverhältnis mit beschränk- 
ter Kündbarkeit auf Ende eines Quartals bei einer Frist von 
drei Monaten sowie ein sechs Monate über das Vertragsende 
hinaus wirkendes Konkurrenzverbot als Anhaltspunkte für 
eine - wenn auch nicht ausgeprägte - arbeitsorganisatori- 
sche und wirtschaftliche Abhängigkeit). 
 
    b) Der Umstand, dass die Kasse den Beschwerdeführer 
für die im Streit liegende Tätigkeit bis vor Erlass der 
angefochtenen Verfügungen als selbstständig Erwerbenden 
betrachtete, begründet entgegen dessen Auffassung keinen 
öffentlichrechtlichen Vertrauensschutz, welcher einem Wech- 
sel des Beitragsstatuts entgegen stehen könnte (zum Grund- 
satz von Treu und Glauben: BGE 121 V 66 Erw. 1a mit Hinwei- 
sen). Ein Wechsel des Beitragsstatuts ist nach den von der 
Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zulässig (siehe 
hiezu Erw. 2a in fine hievor). 
    In diesem Zusammenhang rügt der Beschwerdeführer sinn- 
gemäss, die Vorinstanz habe zu Unrecht angenommen, es lägen 
für die in Frage stehenden Zahlungen keine rechtskräftigen 
Beitragsverfügungen vor. Zu diesem Zweck beruft er sich auf 
die dem kantonalen Gericht bei der Entscheidfindung bekannt 
gewesenen Nachtragsverfügungen der Kasse über die Beitrags- 
jahre 1987 bis 1989 des Versicherten als selbstständig 
Erwerbstätiger. Dabei übersieht er, dass der letzten Bei- 
tragsperiode 1988/89 das Geschäftsergebnis 1985/86 zu 
Grunde lag (Art. 14 Abs. 2 AHVG in Verbindung mit Art. 22 
Abs. 2 AHVV), womit die in Frage stehenden Entgelte aus den 
Jahren 1987 bis 1989 von den vom ihm angerufenen Beitrags- 
verfügungen nicht betroffen sind. Auch danach wurden diese 
Gelder (bisher) nicht erfasst, bezahlte der Versicherte 
doch seit Ende März 1989 keine Beiträge mehr. Vielmehr 
bezieht er seit September 1989 eine Altersrente. 
 
    c) Endlich ist im vorliegenden Verfahren nicht darüber 
zu befinden, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang der 
Versicherte einen Rückerstattungsanspruch auf die als 
Selbstständigerwerbender bezahlten persönlichen Beiträge 
im fraglichen Zeitraum hat (vgl. hiezu Käser, a.a.O., 
Rz 14.106-14.112). Diesbezüglich fehlt es an einem Ent- 
scheid (BGE 119 Ib 36 Erw. 1b, 118 V 313 Erw. 3b, je mit 
Hinweisen). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen,  
    soweit darauf einzutreten ist. 
 
II. Die Gerichtskosten von Fr. 2000.- werden dem Beschwer-  
    deführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvor- 
    schuss verrechnet. 
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-  
    rungsgericht des Kantons Zürich, dem Bundesamt für 
    Sozialversicherung, der X.________ AG, H.________, 
    W.________, R.________, S.________, I.________, 
    T.________, P.________, B.________, G.________, 
    H.________, M.________, D.________, P.________ sowie 
    B.________ zugestellt. 
 
 
Luzern, 3. April 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgericht 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: