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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9D_1/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 25. September 2013  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Borella, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Pietruszak, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung 
(Haftung des Arbeitgebers), 
 
Verfassungsbeschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 19. Dezember 2012. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die X.________ AG war der Ausgleichskasse des Kantons Zürich als beitragspflichtige Arbeitgeberin angeschlossen. B.________ war vom 17. Juli 2006 bis 22. Januar 2009 als einziges Mitglied des Verwaltungsrates im Handelsregister eingetragen. Über die Gesellschaft wurde am yyy 2009 der Konkurs eröffnet; am zzz 2010 wurde das Verfahren als geschlossen erklärt. Mit Verfügungen vom 6. Juli und 3. August 2011 verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons Zürich B.________ zur Bezahlung von Schadenersatz für entgangene bundes- und kantonalrechtliche Beiträge in der Höhe von Fr. 7'058.10 und Fr. 7'323.15. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 23. August 2011 fest. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 19. Dezember 2012 ab. 
 
C.   
B.________ lässt mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde die Aufhebung des Entscheids vom 19. Dezember 2012 beantragen. Die Forderung der Ausgleichskasse sei vollumfänglich abzuweisen; eventualiter sei die Sache an das kantonale Gericht zur Neubeurteilung zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die II. sozialrechtliche Abteilung ist zuständig für den Entscheid über die streitige Schadenersatzpflicht nach Art. 52 AHVG (Art. 82 lit. a BGG und Art. 35 lit. a des Reglements für das Bundesgericht vom 20. November 2006 [BGerR; SR 173.110.131]; Urteil 9C_750/2012 vom 7. Februar 2013 E. 1).  
 
1.2. Das Bundesgericht beurteilt Verfassungsbeschwerden gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen, soweit keine Beschwerde nach den Artikeln 72-89 zulässig ist (Art. 113 BGG). Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG).  
Der Streitwert liegt unter Fr. 30'000.-, weshalb die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen ist (vgl. Art. 85 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 137 V 51 E. 4 S. 54 ff.). Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Willkürverbotes (Art. 9 BV) und des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist daher zulässig. 
 
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 116 beruht (Art. 118 BGG).  
Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten nicht von Amtes wegen, sondern nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 117 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 BGG). Diesbezüglich gilt eine qualifizierte Rügepflicht. Das Bundesgericht prüft nur präzise, d.h. klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 136 I 49 E. 1.4.1 S. 53; 134 II 244 E. 2.2 S. 246). 
 
2.   
Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen für eine Arbeitgeberhaftung nach Art. 52 Abs. 1 AHVG resp. für die daraus abgeleitete subsidiäre Organhaftung des Beschwerdeführers (BGE 129 V 11; 126 V 237; 123 V 12 E. 5b S. 15; je mit Hinweisen; vgl. Art. 52 Abs. 2 AHVG in der seit 1. Januar 2012 geltenden Fassung) bejaht und folglich die Schadenersatzforderung von insgesamt Fr. 14'381.25 bestätigt. 
 
3.  
 
3.1. Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Nach der Rechtsprechung ist eine Entscheidung willkürlich, wenn sie eine Norm oder einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich schwer verletzt, sich mit sachlichen Gründen schlechthin nicht vertreten lässt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Willkürliche Rechtsanwendung liegt zudem nicht schon vor, wenn eine andere Lösung vertretbar oder sogar vorzuziehen wäre (BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5; 134 II 124 E. 4.1 S. 133).  
 
3.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe in willkürlicher Weise ein widerrechtliches Verhalten der Arbeitgeberin bejaht. Diese sei in Bezug auf den ihm am 13. Januar 2009 für das Jahr 2008 ausgerichteten Bonus (brutto Fr. 215'942.14 resp. netto Fr. 137'857.46) ihren Meldepflichten nachgekommen. Das kantonale Gericht hat indessen explizit eine Verletzung nicht nur der Abrechnungs-, sondern auch der Beitragszahlungspflicht angenommen. Inwiefern es dabei in Willkür verfallen sein soll, wird nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.  
 
3.3. Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich (E. 1.3) festgestellt, der Beschwerdeführer habe sich selbst am 13. Januar 2009 - gleich nach der am 12. Januar 2009 erfolgten Kündigung seines Mandatsvertrages und noch vor Bekanntgabe seines Rücktritts aus dem Verwaltungsrat am 15. Januar 2009 - einen Bonus in massiver Höhe ausbezahlt. Der Beschwerdeführer erachtet die vorinstanzliche Auffassung, wonach durch die kurz vor der Konkurseröffnung erfolgte Bonuszahlung den Gläubigern der Gesellschaft wesentliche Mittel entzogen worden seien, als haltlos. Dem ist nicht zu folgen, auch wenn am 31. Januar 2009 noch flüssige Mittel vorhanden waren und die Verbindlichkeiten in der Abschlussbilanz 2008 korrekt verbucht waren: Einerseits blieben im Konkurs der Arbeitgeberin selbst Forderungen der ersten Klasse (vgl. Art. 219 SchKG) ungedeckt; anderseits gab bereits die Bilanz per 31. Dezember 2008 Anlass für die Annahme einer Unterdeckung (Bericht der Revisionsstelle vom 19. März [recte] 2009), was dem Beschwerdeführer als einzigem Verwaltungsrat hätte bekannt sein müssen. Im Übrigen legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist nicht ersichtlich, inwieweit die von ihm in Abrede gestellte vorinstanzliche Auffassung zu einem unhaltbaren Ergebnis geführt haben soll.  
 
3.4. Weiter führt der Beschwerdeführer an, er sei nicht bis am 15., sondern lediglich bis am 14. Januar 2009 in der Lage gewesen, die Beitragspflicht für die Arbeitgeberin zu erfüllen; zudem habe diese am 31. Januar 2009 noch über genügend flüssige Mittel verfügt und die Zwischenbilanzen per 31. Januar 2009 hätten zu Unrecht eine Überschuldung ausgewiesen. Diesbezüglich ist zunächst nicht ersichtlich, dass für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein soll, ob der Beschwerdeführer bereits am 14. oder erst am 15. Januar nicht mehr imstande war, Zahlungen auszulösen. Immerhin steht fest, dass über die Bank noch am 13. Januar 2009 - und somit unter der Verantwortung des Beschwerdeführers - Zahlungen der Arbeitgeberin erfolgten; so wurden insbesondere Sozialversicherungsbeiträge für das letzte Quartal 2008 von Fr. 22'443.30 und der Bonus von (netto) Fr. 137'857.46 vergütet. Weiter bildeten die Zwischenbilanzen per 31. Januar 2009 und der entsprechende Bericht der Revisionsstelle vom 19. März 2009 nach richterlicher Prüfung die Grundlage für die Eröffnung des Konkurses über die Arbeitgeberin. Dass deren Forderung gegenüber ihrer Muttergesellschaft, die im März 2009 Insolvenz anmeldete, realisierbar gewesen sein und somit ein zusätzliches Aktivum darstellen sollte, ist nicht ersichtlich (vgl. Gläubigerbeschluss vom 3. September 2009 des Konkursamtes); immerhin ist die Schad- und Klagloserklärung vom 21. November 2008, die die Muttergesellschaft in diesem Zusammenhang dem Beschwerdeführer abgab, ein klares Indiz für deren bereits damals problematische Liquiditätslage. Dementsprechend ging der neue Verwaltungsrat zu Recht von einer Überschuldung aus; in dieser Situation durfte der Beschwerdeführer nicht mit der späteren Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge rechnen, selbst wenn genügend flüssige Mittel vorhanden waren.  
 
3.5. Auch soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die ausstehenden Beiträge seien erst nach seinem Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat zur Zahlung fällig geworden (BGE 109 V 86 E. 13 S. 93), kann er unter dem Aspekt der Willkür nichts für sich ableiten: Die Beitragspflicht einer versicherten unselbstständig erwerbstätigen Person entsteht bereits mit der Leistung der Arbeit. Beiträge sind indessen erst bei Realisierung des Lohn- oder Entschädigungsanspruchs geschuldet (BGE 138 V 463 E. 6.1 S. 469 mit Hinweisen). Dass die Schadenersatzforderung die auf den Bonus von brutto Fr. 215'942.14 entfallenden Beiträge (vgl. etwa Art. 5 Abs. 1, Art. 13 und Art. 14 Abs. 1 AHVG) übersteigen soll, ist nicht ersichtlich und wird nicht geltend gemacht. Auch wenn die Beitragsforderungen erst später zur Zahlung fällig wurden (Art. 34 Abs. 1 und 3 AHVV [SR 831.101]), steht somit fest, dass sie mit der durch den Beschwerdeführer selbst veranlassten Bonus-Zahlung vom 13. Januar 2009 entstanden. Der Beschwerdeführer macht auch nicht geltend, im Wissen um seine "unvermittelte Entmachtung" die auf den Bonus entfallenden Beiträge bezahlt oder sichergestellt zu haben. Angesichts dessen und der weiteren konkreten Umstände (E. 3.3 und 3.4) kann nicht von einem unhaltbaren Ergebnis gesprochen werden, wenn die Vorinstanz eine Schadenersatzpflicht bejaht hat.  
 
4.  
 
4.1. Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser ist nicht verletzt, wenn ein Gericht auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil es auf Grund der bereits abgenommenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 mit Hinweisen).  
 
4.2. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe weder ihn selbst noch die von ihm angerufenen Zeugen befragt. Er konkretisiert dies lediglich mit der Behauptung, die Vorinstanz habe "wesentliche Sachverhaltselemente überhaupt nicht abgeklärt und in wesentlichen Punkten willkürliche Feststellungen getroffen". Inwiefern der vorinstanzliche Verzicht auf weitere Abklärungen unzulässig sein soll (E. 4.1), ist weder damit nachvollziehbar dargelegt (E. 1.3), noch sonstwie ersichtlich. Im Übrigen wurde im kantonalen Verfahren lediglich die Frage aufgeworfen, wieso in Bezug auf die Schadensverursachung "nie alte Mitarbeiter befragt" worden seien; ein expliziter Antrag auf Zeugen- oder gar Parteibefragung ist nicht aktenkundig. Somit kann auch nicht von einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gesprochen werden. Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbegründet.  
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'300.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. September 2013 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann