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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_160/2018  
 
 
Urteil vom 9. August 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Oswald. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Hanspeter Kümin, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Stadt Zürich, Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV, Amtshaus Werdplatz, Strassburgstrasse 9, 8036 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Berechnung des Leistungsanspruchs), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 12. Dezember 2017 (ZL.2016.00148). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Verfügung vom 9. Juni 2016 bzw. Einspracheentscheid vom 14. September 2016 verneinte das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich den Anspruch des 1967 geborenen A.________, Bezüger einer Dreiviertelsrente sowie einer Dreiviertelskinderrente der Invalidenversicherung, auf Zusatzleistungen (Ergänzungsleistung) ab März 2016. 
 
B.   
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 12. Dezember 2017 ab. 
 
C.   
Der Versicherte führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 12. Dezember 2017 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass ein jährlicher Ergänzungsleistungsanspruch von Fr. 2'249.60 bestehe. Eventualiter sei die Angelegenheit zu neuem Entscheid im Sinne seiner Ausführungen an die Vorinstanz bzw. die Verwaltung zurückzuweisen. Ferner ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. 
Das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich beantragt die Abweisung der Beschwerde, wozu A.________ mit Eingabe vom 18. April 2018 Stellung nimmt. Das BSV verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist. Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können. Tatsachen, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten oder Urkunden, die erst nach diesem entstanden sind, können als echte Noven vom Bundesgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 22 f. mit Hinweisen). 
Mit Stellungnahme vom 18. April 2018 reicht der Beschwerdeführer ein Patientenfrageblatt ein, das am 21. März 2018 vor einer Operation seiner Ehefrau erstellt wurde. Dabei handelt es sich um ein echtes Novum, das zum Vorneherein unbeachtlich ist. Mangels Entscheidwesentlichkeit (E. 4.1 unten) kann offen bleiben, ob es sich bei den als Beleg für die Regelmässigkeit der geltend gemachten Unterhaltszahlungen eingereichten Quittungen aus dem Jahr 2017, woraus monatliche Zahlungen von Fr. 1'200.- hervorgehen, um zulässige unechte Noven handelt. 
 
2.   
Strittig ist die Berechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen. Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Nichteinbezug von längere Zeit im Ausland lebenden Familiengliedern in die Anspruchsberechnung (Art. 10 ELV) sowie über die anerkannten Ausgaben (Art. 10 ELG), insbesondere die geleisteten familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge (Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG) und die anrechenbaren Einnahmen (Art. 11 Abs. 1 ELG) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. Richtig sind auch die Ausführungen zum Verzichtseinkommen (Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG). 
 
3.   
Die Vorinstanz stellte fest, der Beschwerdeführer lebe allein in der Schweiz, während seine Ehefrau und erwachsene Tochter in einem ihm gehörenden Haus in Portugal wohnten. Beschwerdeweise mache er geltend, diese mit einem Betrag von monatlich Fr. 1'400.- zu unterstützen. Eine diesbezügliche Vereinbarung bestehe nicht. Sie erwog, für die Anerkennung familienrechtlicher Unterhaltszahlungen als Ausgabe (Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG) müssten diese richterlich, behördlich oder vertraglich festgesetzt und betragsmässig konkretisiert worden sein. Davon könne im zu beurteilenden Fall keine Rede sein, weshalb in der Anspruchsberechnung für das Jahr 2016 keine Ausgaben für Unterhaltszahlungen zu berücksichtigen seien. Es sei zudem nicht belegt, dass die Zahlungen nach Portugal im Umfang von insgesamt Fr. 17'000.- im Jahr 2015 dem Unterhalt von Ehefrau und Tochter gedient hätten. Für die 1996 geborene Tochter sei ohnehin kein Unterhalt geschuldet, habe ein Bezüger von Ergänzungsleistungen doch aus Gründen der Unzumutbarkeit keine Unterhaltspflicht gegenüber seinem volljährigen Kind (Art. 277 Abs. 2 ZGB). Auch im Übrigen entsprächen die geltend gemachten Unterhaltsbeiträge von insgesamt Fr. 1'400.- pro Monat nicht den finanziellen Möglichkeiten des Beschwerdeführers, weshalb sie nicht unbesehen als Ausgaben anzuerkennen seien. Auf der Einnahmenseite sei sodann (u.a.) ein hypothetischer Mietwert im Umfang von 5 % des Verkehrswerts der Liegenschaft in Portugal (umgerechnet Fr. 164'609.-) als Einkommensverzicht anzurechnen, wobei von diesem Betrag die jährlichen Aufwendungen für Hypothekarzinsen und Unterhalt in Höhe von maximal 20 % des Bruttoertrages in Abzug zu bringen seien. Es resultiere ein anrechenbarer Ertrag von Fr. 5'160.-. Die Liegenschaft sei auch bei der Bemessung des Vermögens mit einem Wert von Fr. 164'609.- anzurechnen; da sie nicht selbstbewohnt sei, rechtfertige sich ein Abzug von Fr. 112'500.- gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. c in fine ELG nicht. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die Vorinstanz habe rechtsfehlerhaft auf der Ausgabenseite monatliche Unterhaltszahlungen in Höhe von Fr. 1'400.- an seine Frau und Tochter in Portugal nicht angerechnet. Diese seien den Art. 163 bzw. 276 f. ZGB zufolge geschuldet und in Bestand und Höhe hinreichend konkretisiert, hätten sie sich (während fortdauernden Arbeitsverhältnisses) doch immer um Fr. 1'400.- bewegt.  
Es ist unbestritten, dass eine Vereinbarung über Unterhaltsbeiträge nicht besteht, genausowenig wie deren richterliche oder behördliche Festsetzung. Demnach sind Bestand und Höhe einer allfälligen Unterhaltspflicht nicht rechtsverbindlich festgelegt und entsprechende Zahlungen mithin nicht bis zu ihrer - vertraglichen, richterlichen oder behördlichen - Abänderung ungeachtet der veränderten finanziellen Verhältnisse geschuldet. Mit der Vorinstanz können die geltend gemachten Zahlungen bereits aus diesem Grund nicht als anrechenbare Ausgaben anerkannt werden (Urteil P 38/06 vom 11. Oktober 2007 E. 4.2.2 mit Hinweisen; ERWIN CARIGIET/UWE KOCH, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2. Aufl. 2009, S. 144). Entsprechend vermag der Beschwerdeführer aus den gesetzlichen Bestimmungen zu den familienrechtlichen Unterhaltspflichten zum Vorneherein nichts für sich abzuleiten. Mangels rechtsverbindlich festgelegter Unterhaltspflicht bestand für das kantonale Gericht kein Anlass zur Überprüfung der Angemessenheit allfällig geleisteter Unterhaltszahlungen. Erst in diesem Rahmen wäre u.a. der Unterhaltsbedarf der berechtigten Personen und damit ein vom schweizerischen abweichendes Niveau der Lebenshaltungskosten in Portugal zu berücksichtigen gewesen (vgl. RALPH JÖHL/PATRICIA USINGER-EGGER, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 1795 Rz. 113 mit Hinweisen). Nachdem sich die Vorinstanz nur zu den für ihren Entscheid wesentlichen Punkten äussern musste (vgl. etwa BGE 138 I 232 E. 5.1 S. 237 mit Hinweisen), hat sie weder den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) noch ihre Begründungspflicht verletzt, indem sie auf das unterschiedliche Niveau der Lebenshaltungskosten nicht einging. 
 
4.2. Offen bleiben kann schliesslich sowohl die Höhe des anrechenbaren Vermögensverzehrs (Liegenschaft, Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG i.V.m. Art. 10 ELV), als auch, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe für die Liegenschaft in Portugal ein hypothetischer Mietwert als Einnahme anzurechnen ist (Art. 11 Abs. 1 lit. b i.V.m. lit. g ELG) : Bereits die übrigen anrechenbaren jährlichen Einkünfte im Betrag von Fr. 37'597.- (Rente der Invalidenversicherung: Fr. 10'104.-; Andere Renten und Pensionen: Fr. 19'344.-; anrechenbares hypothetisches Erwerbseinkommen: Fr. 7'573.-.; Prämienverbilligung Krankenkasse: Fr. 576.-) übersteigen die anrechenbaren Ausgaben in der Höhe von Fr. 32'620.- (Miete: Fr. 7'200.-; Krankenversicherung: Fr. 5'628.-; Grundbetrag: Fr. 19'290.-; Beiträge AHV/IV/EO für Nichterwerbstätige: Fr. 502.-) bei weitem. Damit besteht kein Anspruch auf Ergänzungsleistungen (Art. 9 Abs. 1 ELG).  
 
5.   
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten unbegründet. 
 
6.   
Ausgangsgemäss wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach er der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn er später dazu in der Lage ist. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Hanspeter Kümin wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 9. August 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Meyer 
 
Die Gerichtsschreiberin: Oswald