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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_109/2009 
 
Urteil vom 15. Juli 2009 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Seiler, 
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle. 
 
Parteien 
H.________, Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli Kieser, 
 
gegen 
 
Sammelstiftung Vita, 
c/o "Zürich" Lebensversicherungs-Gesellschaft, Austrasse 46, 8045 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 8. Dezember 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
H.________, geboren 1930, war ab 1. November 1965 bei der E.________ AG angestellt und im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses bei der "Zürich" Lebensversicherungs-Gesellschaft obligatorisch berufsvorsorgeversichert (Anschlussvertrag Nr. ...). Zudem war er im Überobligatorium bei der "Zürich" Versicherungs-Gesellschaft versichert (Kollektiv-Lebensversicherungsvertrag Nr. ...). Seit 1. Januar 2004 fungiert die Sammelstiftung Vita als Versicherung. Am 9. Juni 1986 erlitt H.________ einen Unfall, der zur Arbeitsunfähigkeit führte. Die IV-Stelle sprach ihm - nach seinen eigenen, unbestritten gebliebenen Angaben - rückwirkend eine ganze Rente bei einem Invaliditätsgrad von 100 % ab 1. September 1989 zu. Nach der ebenfalls unbestritten gebliebenen Darstellung des H.________ sprach ihm die Unfallversicherung Vaudoise mit Verfügung vom 7. Januar 1993 ab 1. Januar 1993 eine 50%ige Invalidenrente zu und hielt daran mit Einspracheentscheid vom 11. Oktober 1994 fest. Das hierauf von H.________ angerufene Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Beschwerde in dem Sinne gut, als es den Einspracheentscheid aufhob und die Sache zur medizinischen Neubeurteilung an die Vaudoise zurückwies. 
Die Sammelstiftung BVG der "Zürich" Lebensversicherungs-Gesellschaft teilte H.________ mit Schreiben vom 18. Februar 2000 mit, er habe "Anspruch auf eine volle Invaliden-Komplementärrente im Rahmen des BVG". Aus dem BVG-Vertrag Nr. ... werde ihm daher der Betrag von Fr. 32'402.30, betreffend die Zeit vom 23. September 1989 bis 31. Dezember 1995, sowie ein Zins von 4 % vom 23. September bis 31. Januar 2000 in Höhe von Fr. 9'967.70, überwiesen. Aus dem Vertrag Nr. ... komme keine Komplementärrente zur Auszahlung, da es sich dabei "um keinen BVG-Vertrag" handle und die Unfalldeckung darin ausgeschlossen sei. 
Nachdem die Vaudoise am 19. Juli 2006 eine unfallbedingte Invalidität von 50 % ab 1. Januar 1993 anerkannt hatte, stellte die "Zürich" Versicherungs-Gesellschaft, Leistungserbringung Kollektivleben (im Folgenden: Zürich), H.________ am 18. Oktober 2006 eine Abrechnung betreffend die reglementarischen Leistungen zu (aus dem Kollektiv-Lebensversicherungsvertrag Nr. ...) für den Krankheitsanteil der Invalidität von 50 %. Darin bestätigte sie, ab 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1995 die reglementarischen Leistungen zu erbringen, welche jährlich Fr. 37'906.50, somit total Fr. 113'719.50, betrügen. Am 23. Oktober 2006 stellte H.________ zuhanden der Zürich fest, dass "für die verspätete Ausrichtung dieser Leistung, für die weder Ihre Gesellschaft noch mich ein Verschulden trifft, keine Verzinsung erwähnt wird, obwohl diese Zinsen mir zum Vorteil Ihrer Gesellschaft entgangen sind". Dabei verwies er auf die am 18. Februar 2000 ausbezahlten Zinsen. Die Zürich erklärte am 26. Oktober 2006, es seien keine Verzugszinsen geschuldet, da weder eine Betreibung eingeleitet noch eine gerichtliche Klage angehoben worden sei. In einem Schreiben vom 9. Februar 2007 stellte sie sich auf den Standpunkt, die Gewährung eines Verzugszinses in Höhe von 4 % im Februar 2000 sei als "einmalige Kulanzleistung seitens der 'Zürich'" aufzufassen, die weder einen Präzendenzfall noch eine Vertrauensgrundlage für eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung zu begründen vermöchte. Am 28. März 2007 erklärte die Zürich zudem, die nunmehr für Leistungen aus dem Kollektiv-Lebensversicherungsvertrag Nr. ... belangte Personalfürsorgestiftung sei nicht identisch mit der die (Kulanz-)Leistung vom Februar 2000 erbrachten Sammelstiftung BVG der "Zürich" Lebensversicherungs-Gesellschaft, so dass die auf dem Vertrauensschutz basierende Argumentation "ins Leere" stosse. Mit Schreiben vom 30. Mai 2007 hielt die Zürich insbesondere daran fest, dass die Zinsgewährung im Jahre 2000 und die streitigen Ansprüche nicht dieselbe Rechtsperson beträfen und betonte, dass im Schreiben vom 18. Februar 2000 nicht von Verzugszins, sondern lediglich von "Zins" die Rede sei. 
 
B. 
H.________ liess beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Klage erheben und namentlich die Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 4 % auf dem Betrag von Fr. 113'719.50 ab 1. Juli 1994 (mittlerer Verfall) bis zum Datum der Klageeinleitung beantragen. Das kantonale Sozialversicherungsgericht wies die Klage mit Entscheid vom 8. Dezember 2008 ab. 
 
C. 
H.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides um Zusprechung von Verzugszinsen in Höhe von 4 % auf dem Betrag von Fr. 113'719.50 ab 1. Juli 1994 "bis zur Ausbezahlung des Nachzahlungsbetrages" ersuchen. 
Die Vorinstanz verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Zürich schliesst auf Abweisung der Beschwerde. 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. In der Beschwerdebegründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). 
 
2. 
Im angefochtenen Entscheid werden die Rechtsgrundlagen zur (privatrechtlichen) Verzugszinspflicht bei Zinsen, Renten und Schenkungen (Art. 105 Abs. 1 OR), zu dem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV) abgeleiteten Vertrauensschutz (statt vieler: BGE 131 V 472 E. 5 S. 480) und zum Rechtsmissbrauchsverbot (Art. 2 ZGB) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
3.1 Die Vorinstanz erwog, allein die ohne ersichtlichen Rechtsgrund erfolgte Bezahlung eines Zinses von 4 % auf einer ersten Zahlung sei nicht geeignet zur Schaffung einer Vertrauensbasis für die zukünftige Leistung entsprechender (rechtsgrundloser) Zahlungen. Daran vermöge auch eine vom Kläger ins Recht gelegte Notiz betreffend ein Telefongespräch mit einer früher bei der Beklagten tätig gewesenen Person nichts zu ändern. Höchst unwahrscheinlich sei, dass der Kläger die Beklagte zu einem früheren Zeitpunkt betrieben oder gegen diese Klage eingeleitet hätte, wenn er von der Unverzinslichkeit gewusst hätte, zumal die genaue Höhe des Anspruches (bis zur Verfügung der Vaudoise vom 19. Juli 2006) noch unbestimmt gewesen war. Damit fehle es auch an einem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der unterlassenen Betreibung und dem geltend gemachten Verzugszinsverlust. 
 
3.2 Der Beschwerdeführer rügt, das kantonale Gericht habe den Sachverhalt ungenügend abgeklärt und das Untersuchungsprinzip verletzt, indem es auf Klärung der Frage verzichtete, ob die Beschwerdegegnerin in der fraglichen Zeitspanne bei Rentennachzahlungen jeweils "gewohnheitsrechtlich" einen Verzugszins erbrachte. Zu diesbezüglichen Abklärungen hätte umso mehr Anlass bestanden, als die am 18. Februar 2000 ausbezahlten Zinsen dieselbe Zeitspanne beträfen wie die vorliegend streitige, was die Vorinstanz "vollständig übersehen" hätte. Das vorbehaltlose Erbringen einer Zinsleistung von 4 % habe ihn davon abgehalten, irgendwelche Schritte zur Erhaltung einer (weiteren) Zinszahlung einzuleiten, zumal die Beschwerdegegnerin keine Praxisänderung mitgeteilt und die im Februar 2000 ausbezahlte Zinsleistung ohne jeden Vorbehalt und ohne Hinweis auf Freiwilligkeit erbracht habe. Des Weiteren seien die Besonderheiten der Verzugszinspflicht im öffentlichen Recht zu beachten. Diese entstehe bereits bei Fälligkeit der Leistung, welche in der beruflichen Vorsorge quartalsweise eintrete. Selbst wenn die privatrechtlichen Regelungen massgeblich wären, sei das Gericht nach Art. 105 Abs. 2 OR ermächtigt, eine unverhältnismässige Benachteiligung des Schuldners nach freiem Ermessen zu korrigieren. Die Vorinstanz habe sich "offenbar gänzlich" über diese Bestimmung hinweggesetzt und damit das Recht unzutreffend angewendet. 
 
4. 
4.1 Soweit die Vorinstanz der Darstellung der Beschwerdegegnerin, wonach es sich bei der Verzinsung vom Februar um eine "einmalige Kulanzleistung" handle, gegenüber der vom Versicherten aufgezeichneten - im vorinstanzlichen Verfahren nach Abschluss des doppelten Schriftenwechsels eingereichten - Notiz bezüglich eines am 6. November 2006 geführten Telefongesprächs mit einem ehemaligen Mitarbeiter der Beschwerdegegnerin (welcher im November 2006 bereits "bald 7 Jahre" nicht mehr bei der Beschwerdegegnerin tätig war) grösseren Beweiswert zumass und - in antizipierter Beweiswürdigung - auf weitere Abklärungen zur Frage verzichtete, ob hinsichtlich der Zinsgewährung auf nachbezahlten Renten im Zeitraum 1993 bis 1995 eine "Usanz" bestand, verletzte sie kein Bundesrecht. Die diesbezügliche Beweiswürdigung und auch die darauf beruhende Verneinung einer Vertrauensgrundlage, welche allenfalls einen Zinsanspruch des Beschwerdeführers auch auf den aus dem überobligatorischen Bereich fliessenden Invalidenrenten hätte begründen können, ist weder willkürlich noch sonstwie rechtsfehlerhaft. 
 
4.2 Unabhängig davon, ob das Verhalten der für die obligatorische Berufsvorsorge zuständigen Sammelstiftung BVG der "Zürich" Lebensversicherungs-Gesellschaft - auch mit Blick auf die im Rahmen von Art. 49 Abs. 2 BVG zulässige, privatautonome Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses -, die für den überobligatorischen Bereich zuständige Zürich überhaupt zu binden vermöchte, liegt eine Verletzung von Bundesrecht im Übrigen umso weniger vor, als die Sammelstiftung BVG nach den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid nicht nur keine (vertragliche) Zusicherung einer Verzinsung der überobligatorischen Leistungen abgegeben (so eine solche überhaupt von ihr verbindlich hätte erklärt werden können), sondern auch sonst keine vertrauensbildenden Schritte unternommen hatte, welche die Erwartung weiterer Zinszahlungen beim Beschwerdeführer hätten begründen können. Die Vorinstanz erwog zu Recht, dass einzig die nicht näher begründete Gewährung eines Zinses von 4 % gemäss Leistungsabrechnung vom 18. Februar 2000 keine hinreichende Vertrauensgrundlage bildete, um von einer Verzinslichkeit sämtlicher zukünftiger Leistungen auszugehen, zumal keine Anhaltspunkte bestehen - und im Übrigen auch nicht geltend gemacht wird -, dass der Beschwerdeführer von irgendeiner kompetenten und zuständigen Stelle in diesem Sinne informiert worden wäre. 
 
5. 
Schliesslich könnte der geforderte Verzugszins höchstens durch eine analoge Anwendung von Art. 104 f. OR gerechtfertigt werden (BGE 119 V 131 E. 4c S. 135), was die Fälligkeit der Forderung voraussetzt. Solange der unfallbedingte Anteil der Invalidität nicht feststand, war der Anspruch des Beschwerdeführers aus der überobligatorischen Berufsvorsorge indes nicht fällig und die Zürich als Schuldnerin demzufolge nicht im Verzug. An dieser fehlenden Fälligkeit als Grundvoraussetzung für den Verzug und seine Zinsfolgen nach Art. 105 Abs. 1 OR hätte die Anhebung einer Betreibung oder Klage nichts geändert. Erst nach Verfügungserlass der Vaudoise am 19. Juli 2006 trat die Fälligkeit ein (vgl. hiezu auch die für die Personalfürsorgestiftung für die Angestellten der E.________ AG und deren schweizerischer Tochtergesellschaften, im Rahmenvertrag Nr. ... gültigen Allgemeinen Bedingungen für die Kollektivlebensversicherung, Risikoversicherungen, der Vita Lebensversicherungs-Gesellschaft, Ausgabe 19.., Art. 16, wonach die Leistungen ausbezahlt werden, sobald die Versicherung sich von der Richtigkeit des Anspruches überzeugt hat und Zinsen ausgeschlossen sind für nicht von der Versicherung verursachte Verzögerungen in der Auszahlung). Diese Folgerung ist nicht nur rechtlich sondern auch sachlich geboten. Hätte die Zürich nämlich die Rentenbetreffnisse bereits früher an den Beschwerdeführer überwiesen, hätte sie den entsprechenden Betrag zurückfordern müssen, wenn die medizinischen Abklärungen der Unfallversicherung einen anderen Ausgang genommen hätten. Es kann nicht sein, dass eine Vorsorgeeinrichtung Leistungen erbringen muss, bevor feststeht, in welcher Höhe diese geschuldet sind, nur um zu verhindern, allenfalls Verzugszinsen zahlen zu müssen. Die anders lautende Argumentation des Beschwerdeführers geht daher fehl. 
 
6. 
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens werden die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 15. Juli 2009 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Meyer Bollinger Hammerle