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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_881/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 26. Januar 2016  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Gerichtsschreiber Kocher. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Fiechter, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons St. Gallen, 
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons 
St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung (längerfristige Freiheitsstrafe), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 25. August 2015. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der serbische Staatsangehörige A.________, geb. 1979, hält sich seit Mitte 1992 in der Schweiz auf, wohin er, zusammen mit der Mutter und seinen Geschwistern, im Familiennachzug zu seinem Vater gelangte. Er ist mit einer Landsfrau, geb. 1980, verheiratet, die er im Sommer 1998 in die Schweiz nachzog. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, die in der Schweiz geboren wurden (1999, 2001, 2004). Am 17. September 2013 hoben die Eheleute den gemeinsamen Haushalt auf. Gemäss der getroffenen Vereinbarung stehen die Kinder unter der Obhut der Mutter. Der Vater verfügt über ein Besuchsrecht in üblichem Umfang (jedes zweite Wochenende und während zwei Ferienwochen jährlich); die Unterhaltsbeiträge des Vaters an die Kinder belaufen sich pro Monat auf 1'620 Franken.  
 
1.2. A.________ verfügt heute über eine Niederlassungsbewilligung; am 29. Juni 2015 wurde deren Kontrollfrist bis zum 15. Oktober 2019 verlängert. Die Ehefrau hält eine Aufenthalts-, die Kinder jeweils eine Niederlassungsbewilligung. In der Schweiz besuchte A.________ noch während drei Jahren die Realschule. Im Anschluss daran verrichtete er gelegentliche Hilfsarbeiten. Das damalige Ausländeramt des Kantons St. Gallen verwarnte ihn am 18. August 2003, nachdem er keiner geregelten Arbeit nachgegangen war und Schulden gebildet hatte. Im Oktober 2012 bestanden zu seinen Lasten 22 Verlustscheine im Gesamtbetrag von rund 62'000 Franken und offene Betreibungen in der Höhe von rund 2'300 Franken. Der Beschwerdeführer und seine Familie nahmen zwischen März und November 2003, in den Jahren 2008 und 2009 sowie zwischen Dezember 2009 und Dezember 2011 Sozialhilfe in Anspruch. Diese belief sich auf rund 36'000 Franken.  
 
1.3. Zwischen 2003 und 2013 beging A.________ verschiedentlich Straftaten. Dies führte zur Bestrafung wegen:  
 
- Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsgesetzgebung (Bussenverfügung vom 26. Juni 2003; Strafbefehl vom 5. April 2006; Strafverfügung vom 21. Januar 2008; Strafbefehl vom 20. April 2011; Strafbefehl vom 19. Oktober 2012; jeweils mit Bussen geahndet); 
- versuchter Förderung der rechtswidrigen Einreise (Bussenverfügung vom 1. September 2008 [Geldstrafe, Busse]); 
- bandenmässigen Diebstahls, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs und gewerbsmässigen Betrugs (Entscheid des Kreisgerichts Werdenberg-Sarganserland vom 18. bis 24. Januar 2012 [Freiheitsstrafe von zwei Jahren]); 
- mehrfachen Tätlichkeiten zum Nachteil seiner Ehegattin und einfacher Körperverletzung zum Nachteil seines Sohnes (Strafbefehl vom 15. Oktober 2013 [Geldstrafe, Busse]). 
Vom 16. September 2014 bis zumindest am 8. Juni 2015 befand A.________ sich in Untersuchungshaft; der Anfangsverdacht ging auf Diebstahl, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch sowie eventuell Betrug und Nötigung. 
 
1.4. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs widerrief das Migrationsamt des Kantons St. Gallen mit Verfügung vom 3. April 2013 die Niederlassungsbewilligung und setzte es eine Ausreisefrist bis zum 12. Juni 2013 an. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel A.________s blieben erfolglos (Entscheid des Sicherheits- und Justizdepartements vom 3. Juni 2014 und Urteil B 2014/122 des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 25. August 2015).  
 
1.5. A.________ erhebt beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, das Urteil vom 25. August 2015 sei aufzuheben, die Niederlassungsbewilligung sei ihm zu belassen und von einer Wegweisung abzusehen. Vorinstanz, Unterinstanz und Staatssekretariat für Migration schliessen auf Abweisung der Beschwerde.  
 
2.  
 
2.1. Da grundsätzlich ein Anspruch auf Fortbestand der Niederlassungsbewilligung besteht, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 [e contrario], Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG [SR 173.110]; vgl. BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, soweit sie offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich, sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
2.2. Die Niederlassungsbewilligung ausländischer Personen, die sich seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz aufhalten, kann nur aus Gründen von Art. 63 Abs. 1 lit. b und Art. 62 lit. b AuG (SR 142.20) widerrufen werden (so Art. 63 Abs. 2 AuG). Dies trifft vorliegend zu: Die Bestrafung mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren stellt eine "längerfristige Freiheitsstrafe" im Sinne von Art. 62 lit. b AuG dar (BGE 139 I 145 E. 2.1 S. 147). Dies anerkennt auch der Beschwerdeführer. Er erachtet aber die vorinstanzliche Interessenabwägung (Art. 96 AuG) als bundesrechtswidrig (Art. 95 BGG), wozu er sich auf Art. 8 Abs. 2 EMRK (SR 0.101) beruft.  
 
2.3. Vorab macht der Beschwerdeführer geltend, der Umstand, dass die Kontrollfrist seiner Niederlassungsbewilligung noch am 29. Juni 2015 - während Dauer des vorinstanzlichen Verfahrens - bis zum 15. Oktober 2019 verlängert wurde, habe ihn darauf vertrauen lassen, dass das Migrationsamt auf den Widerrufs-Entscheid vom 3. Juni 2014 zurückgekommen sei. Dies überzeugt nicht: Gemäss Art. 34 Abs. 1 AuG ist die Niederlassungsbewilligung unbefristeter Natur. Einzig zu Kontrollzwecken ist die Gültigkeitsdauer des Ausweises auf fünf Jahre beschränkt (Art. 41 Abs. 3 AuG; Art. 63 VZAE [SR 142.201]). Mit der Verlängerung der Kontrollfrist ist nicht zwingend eine materielle Prüfung der Voraussetzungen der Bewilligungserteilung verbunden (Urteil 2C_231/2014 vom 5. November 2014 E. 4.3.1 mit Hinweisen). Eine erfolgte materielle Prüfung bzw. Wiedererwägung behauptet der Beschwerdeführer nicht; eine solche ist auch nicht ersichtlich. Für das angeblich geschaffene Vertrauen fehlt die Grundlage, zumal keinerlei Dispositionen ersichtlich sind, die der Beschwerdeführer getroffen haben könnte (BGE 137 I 69 E. 2.5.1 S. 72 f.; nunmehr BGE 141 I 61 E. 3.1 S. 164 zu den Zusicherungen in Form eines Rulings). Die Rüge erweist sich als grundlos.  
 
2.4. In der Sache selbst wendet der Beschwerdeführer ein, er sehe sich als Schweizerbürger und fühle sich in Serbien "nicht zu Hause". In seinem Kulturkreis sei der Begriff der Kernfamilie deutlich weiter gefasst als in hiesigen Verhältnissen. Sein Lebensmittelpunkt befinde sich in der Schweiz. Die frühere Aussage, in Serbien niemanden zu kennen, sei vielleicht "etwas pointiert" gewesen, die Familie der Gattin könne aber nicht als mögliche Anlaufstation betrachtet werden. Zu den getrennt von ihm lebenden Kindern unterhalte er einen "sehr intensiven Kontakt", weshalb er von diesen als "allerbester Vater" und "bester Papi" bezeichnet werde. Die Ehefrau und Mutter sei vollzeitlich erwerbstätig und darum sehr froh, dass er, der Beschwerdeführer, die Betreuung der Kinder übernehme. Ein Umzug sei den Kindern unzumutbar; üblicherweise werde "eine geplante Auswanderung von positiven, vorfreudigen Gefühlen" begleitet, was in seinem Fall gerade nicht zutreffe.  
 
2.5. Die Einwände zielen am Kern der Sache vorbei. Vorab lässt der Beschwerdeführer eine eigentliche Interessenabwägung vermissen, was aber unerlässlich ist (Art. 96 AuG; Art. 8 Abs. 2 EMRK). Er beschränkt sich auf eine Darstellung seiner Verhältnisse. Mit keinem Wort setzt er sich mit dem öffentlichen Interesse auseinander, welches die Vorinstanz als erheblich und bei Vornahme der Abwägung als überwiegend erachtete. Wenn die Vorinstanz beweiswürdigend hinter die Überwindung der Spielsucht ein Fragezeichen setzt, ist dies jedenfalls nicht unhaltbar, zumal eine Rüge ausgeblieben ist. In dieselbe Richtung weist die neuerliche Untersuchungshaft (von September 2014 bis zumindest Juni 2015). Der Beschwerdeführer lässt die vorinstanzliche Würdigung, wonach angenommen werden müsse, der Anfangsverdacht habe sich bestätigt, unkommentiert. Unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses muss mit der Vorinstanz von einer misslungenen Integration (Straffälligkeit - auch im Bereich von Art. 121 Abs. 3 lit. a BV, Verschuldung, überwiegende Arbeitslosigkeit, kaum Kontakte ausserhalb des eigenen Kulturkreises) gesprochen werden.  
 
2.6. Was der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt des privaten Interesses dagegen vorbringt, vermag das erhebliche öffentliche Interesse am Widerruf der Bewilligung nicht zu erschüttern. Eine in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht besonders enge Beziehung zu seinen Kindern, die unter Umständen zu einer anderen Gewichtung führen könnte, weist der Beschwerdeführer nicht nach. Fehlt eine derart qualifizierte Vater-Kind-Beziehung, stellt es praxisgemäss keinen Verstoss gegen den Anspruch auf Achtung des Familienlebens (Art. 8 Ziff. 1 EMRK) dar, wenn das Besuchsrecht im Rahmen von Kurzaufenthalten vom Ausland her ausgeübt werden kann (BGE 139 I 315 E. 2.2 S. 319).  
 
3.   
Die sorgfältige vorinstanzliche Auslegung und Anwendung von Landes- und Konventionsrecht erweist sich als bundesrechtskonform und - soweit dies hier zu prüfen ist - als willkürfrei, weshalb die Beschwerde zufolge offensichtlicher Unbegründetheit abzuweisen ist. Für alles Weitere kann auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Art. 109 BGG). Nach dem Unterliegerprinzip hat der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 65 und 66 Abs. 1 BGG). Dem obsiegenden Kanton St. Gallen steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. Januar 2016 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher