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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.247/2003 /lma 
 
Urteil vom 11. November 2003 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichter Walter, Nyffeler, 
Gerichtsschreiber Huguenin. 
 
Parteien 
A.________ Srl., 
Litisdenunziatin und Berufungsklägerin, vertreten durch Herren Dr. Werner Stieger und/oder Dr. Fritz Blumer, Weinbergstrasse 56/58, Postfach 338, 8035 Zürich, 
 
gegen 
 
B.________ AG, 
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lucas David, Münstergasse 2, Postfach 2990, 8022 Zürich. 
 
Gegenstand 
Patentrecht, 
 
Berufung gegen das Teilurteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 26. Juni 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die B.________ AG mit Sitz in Baar (Klägerin) ist ausschliessliche Lizenznehmerin an dem von der italienischen C.________ S.r.l gehaltenen und auch für die Schweiz erteilten Europäischen Patent 0 195 750 B1, welches eine Vorrichtung zur Durchmischung von Milch, Luft und Dampf, insbesondere für die Zubereitung von Cappuccinos und ähnlichen Getränken in Kaffeemaschinen mittels eines so genannten Schäumers zum Gegenstand hat. 
Die D.________ AG mit Sitz in Niederrohrdorf (Beklagte) bezweckt ihrerseits die Fabrikation von und den Handel mit Kaffeemaschinen. In zwei Modellen verwendet sie eine Vorrichtung zur Erzeugung von Milchschaum mit dem gleichen Zweck wie der durch das Klagepatent geschützte Schäumer. Diese Schäumer bezieht die Beklagte von der A.________ S.r.l. mit Sitz in Italien. 
Die Klägerin sah in diesen Vorrichtungen eine Verletzung des Klagepatents und mahnte die Beklagte unter Angebot einer Lizenz ab. Die Beklagte lehnte den Abschluss eines Lizenzvertrags ab und verweigerte eine verletzungsrechtliche Unterlassungserklärung. 
B. 
Mit Klage vom 28. August 2000 belangte die Klägerin die Beklagte vor dem Handelsgericht des Kantons Aargau auf Unterlassung patentverletzender Handlungen, auf Schadenersatz sowie auf Herausgabe der sich in ihrem Besitze befindenden patentverletzenden Vorrichtungen. 
Die Beklagte schloss - soweit hier von Interesse - auf Abweisung der Klage. Sie verkündete der A.________ S.r.l. (nachstehend Litisdenunziatin) den Streit, und diese trat als ihre Streithelferin dem Prozess bei. 
C. 
Auf Antrag beider Parteien fällte das Handelsgericht am 26. Juni 2003 ein Teilurteil. Es bejahte die Aktivlegitimation der Klägerin als Lizenznehmerin, verwarf die von der Beklagten erhobene Einrede der Patentnichtigkeit, lastete dieser eine Nachmachung der patentgeschützten Erfindung an und hiess demzufolge das Unterlassungsbegehren gut. Die übrigen Klagebegehren liess es vorerst unbeurteilt. 
Am 25. August 2003 berichtigte das Handelsgericht das Teilurteil in Bezug auf die Gerichtskosten. 
D. 
Die Litisdenunziatin führt eidgenössische Berufung mit dem Antrag, das Teilurteil des Handelsgerichts aufzuheben und die Sache mit der Auflage an die Vorinstanz zurückzuweisen, andere Gerichtsexperten zu bestellen und die Sache neu zu beurteilen. 
Die Litisdenunziatin hat dem Bundesgericht ebenfalls eine staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, worin sie sich ausschliesslich gegen den Kosten- und Entschädigungsschluss im Teilurteil und dessen Berichtigung wendet. Auf diese Beschwerde ist das Bundesgericht mit Urteil vom heutigen Tag nicht eingetreten. 
Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf eingetreten werden könne. 
 
Erwägungen: 
1. 
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Handelsgericht einen quantitativen Teil des Streitgegenstandes entschieden, weil es von den objektiv gehäuften Ansprüchen bloss denjenigen auf Unterlassung von Patentverletzungen beurteilte. Dieser Entscheid stellt keinen Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG dar, sondern - entsprechend der Bezeichnung des Handelsgerichts - einen Teilentscheid (Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, N 1.1.7.1 zu Art. 48 OG). Solche Teilentscheide sind nach der Rechtsprechung selbständig anfechtbar, wenn die davon erfassten Begehren zum Gegenstand eines gesonderten Prozesses hätten gemacht werden können, und deren Beurteilung für den Entscheid über die übrigen Begehren präjudiziell ist (BGE 129 III 25 E. 1.1). Diese Voraussetzungen sind offensichtlich erfüllt, indem das Unterlassungsbegehren selbständigen Bestand hat und für die noch nicht beurteilten Schadenersatz- und Herausgabebegehren eine erforderliche Grundlage abgibt. Das Teilurteil ist daher taugliches Anfechtungsobjekt der eidgenössischen Berufung. 
2. 
2.1 Die Nebenparteien sind zur Berufung berechtigt, wenn ihnen nach dem kantonalen Gesetz Parteirechte zukommen und sie vor der letzten kantonalen Instanz am Prozess teilgenommen haben. Ihre Stellung im Verfahren wird durch das kantonale Recht bestimmt (Art. 53 Abs. 1 OG). 
Die Legitimation der Nebenparteien zur Berufung setzt damit eine Parteistellung im kantonalen Verfahren und eine Teilnahme darin vor der letzten Instanz voraus. Nach kantonalem Recht beurteilen sich ebenfalls die prozessualen Befugnisse der Nebenparteien im Verhältnis zu den Hauptparteien (Poudret, a.a.O., N 7.3 zu Art. 53 OG; Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, S. 57 f.; Münch, in: Geiser/ Münch (Hrsg.), Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl., S. 131 Fn 89). 
2.2 Nach aargauischem Zivilprozessrecht kann einer Partei im Verfahren beitreten und sie unterstützen, wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass eine hängige Streitsache zu deren Gunsten entschieden werde (§ 56 Abs. 1 ZPO AG). Der unselbständige Streithelfer, dessen Interesse sich in den Rechtsbeziehungen zwischen ihm und der unterstützten Partei erschöpft, kann das Handeln der unterstützten Partei ergänzen, sich jedoch nicht zu ihr in Widerspruch setzen (§ 57 Abs. 1 ZPO AG; vgl. BGE 113 II 10 E. 1a/aa). Demgegenüber ist der selbständige oder streitgenössische Streithelfer, für welchen sich das Urteil kraft Zivilrechts unmittelbar in seinen Rechtsbeziehungen zur Gegen-Hauptpartei auswirkt, in seinen Prozesshandlungen von der unterstützten Partei unabhängig (§ 57 Abs. 2 ZPO AG). 
Der Streithelfer ist nach kantonalem Recht weder Partei noch Streitgenosse, hat aber eine parteiähnliche Stellung (Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, N 1 zu § 57 ZPO AG). Der unselbständige Streithelfer ist an den Willen der unterstützten Partei gebunden und darf ihr daher in den Prozesserklärungen nicht widersprechen. Der selbständige Streithelfer ist demgegenüber von der Hauptpartei unabhängig. Er kann nötigenfalls selbständig handeln und der Partei Widersprechendes vorkehren (Bühler/Edelmann/ Killer, a.a.O., N 3 f. zu § 57 ZPO AG). Jener kann ein Rechtsmittel nur einlegen, soweit er sich damit nicht in Widerspruch zur Hauptpartei setzt, dieser ist dazu unabhängig vom Willen der Hauptpartei befugt (Bühler/Edelmann/Killer, a.a.O., N 5 zu § 317 ZPO AG). Diese Ordnung entspricht dem allgemeinen schweizerischen Prozessrechtsverständnis (Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., S. 308 f.; Habscheid, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl., S. 175 und 177 f.; Kummer, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl., S. 160 ff.; Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 7. Aufl. S. 151; Walder-Richli, Zivilprozessrecht, 4. Aufl., S. 157 ff.; Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl., N 2a zu Art. 46 und N 1b zu Art. 47 ZPO BE; Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., N 3 ff. zu § 45 ZPO ZH; wobei allerdings das zürcherische Recht die streitgenössische Intervention nicht kennt: Frank/ Sträuli/Messmer, a.a.O., N 3 zu § 45 ZPO ZH). 
2.3 Die Litisdenunziatin trat dem kantonalen Verfahren auf Begehren der Beklagten als deren Streithelferin bei, weil diese für den Fall des Unterliegens auf sie Rückgriff zu nehmen in Aussicht stellte. Sie erscheint damit als unselbständige Streithelferin, da direkte Rechtsbeziehungen zwischen ihr und der Klägerin, welche durch das angefochtene Urteil rechtserheblich berührt werden könnten, weder dargetan noch ersichtlich sind. 
Das aargauische Recht gesteht dem unselbständigen Streithelfer die Parteistellung im Verfahren weder ausdrücklich noch sinngemäss zu (Bühler/Edelmann/Killer, a.a.O., N 1 zu § 57 ZPO AG). Weder für noch gegen ihn kann im Hauptprozess ein Urteil ergehen, höchstens kann er - nach Ermessen des Gerichts - zu Verfahrenskosten verurteilt werden (§ 117 ZPO AG). Damit ist fraglich ob er im kantonalen Verfahren eine Parteistellung im Sinne von Art. 53 OG innehat (vgl. die Urteile des Bundesgerichts 4C.127/1988, E. 1, vom 5. September 1988 und 4C.163/1990, E. 1, vom 29. Januar 1991, in BGE 117 II 71 nicht publiziert). Dies gilt für die beurteilte Streitsache umso mehr, als die Litisdenunziatin im kantonalen Verfahren keine eigenen Schlussanträge gestellt hat. Die Frage kann indessen offen bleiben, da auf die Berufung aus einem andern Grund nicht einzutreten ist. 
2.4 Das kantonale Recht bestimmt, ob der Nebenintervenient gegen den Willen und damit auch gegen einen ausdrücklichen Rechtsmittelverzicht der unterstützten Hauptpartei eidgenössische Berufung einlegen kann (Art. 53 Abs. 1 OG; Poudret, a.a.O., N 7.3 zu Art. 53 OG). Nach aargauischem Recht kann er dies nicht (Bühler/Edelmann/Killer, a.a.O., N 3 zu § 57 und N 5 zu § 317 ZPO). 
Die Hauptparteien des vorliegenden Verfahrens haben am 27. / 28. August 2003 einen Teilvergleich geschlossen, in welchem die Beklagte auf eine Berufung gegen das Teilurteil vom 26. Juni 2003 verzichtet hat. Ein solcher Verzicht ist in einer Streitigkeit wie der vorliegenden ohne weiteres zulässig (BGE 79 II 234 E. 3; Poudret, a.a.O., N 6 zu Art. 53 OG). Er wurde vor Ablauf der Berufungsfrist erklärt, welche der Beklagten bei Zustellung des Teilurteils am 3. Juli 2003 am 4. Juli 2003 zu laufen begann (Art. 54 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 OG) und am 3. September 2003 endete (Art. 34 Abs. 1 lit. b OG). Nach dem Gesagten band er ebenfalls die Litisdenunziatin, welche sich demzufolge mit ihrer Berufung vom 3. September 2003 in unzulässiger Weise gegen den Willen der unterstützten Partei stellte. Auf die Berufung ist daher zufolge Rechtsmittelverzichts der Beklagten nicht einzutreten. 
Das grundsätzliche Novenverbot des Berufungsverfahrens (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG) steht der Berücksichtigung des Rechtsmittelverzichts der unterstützten Hauptpartei nicht entgegen, weil es sich nicht auf Tatsachen bezieht, welche die Zulässigkeit der Berufung berühren (Poudret, a.a.O., N 1.5.3.4 zu Art. 55 OG). 
3. 
Auf die Berufung ist daher nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Litisdenunziatin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Auf die Berufung wird nicht eingetreten. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird der Litisdenunziatin auferlegt. 
3. 
Die Litisdenunziatin hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 11. November 2003 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: