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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 37/03 
 
Urteil vom 12. Februar 2004 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Frésard; Gerichtsschreiber Grunder 
 
Parteien 
Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, Untere Sternengasse 2, 4500 Solothurn, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
H.________, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn 
 
(Entscheid vom 27. Januar 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1949 geborene Pianistin H.________ erteilt seit 1983 an Private und seit 1991 bzw. 1992 an den Musikschulen X.________, Y.________ und Z.________ zu je einem Arbeitspensum von 30 % klassischen Unterricht am Klavier. Nachdem die Musikschule Y.________ das Arbeitsverhältnis auf Ende August 2001 aufgelöst hatte, meldete sich H.________ am 28. August 2001 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an. Am 11. Dezember 2001 stellte sie ein Gesuch um Zustimmung zum Besuch des vier Semester dauernden berufsbegleitenden "Ausbildungsganges 2002/2004 Elektronische Tasteninstrumente (Keyboards)" an der Musikschule W.________, welches das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Solothurn ablehnte (Verfügung vom 27. März 2002). 
B. 
Die von H.________ hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn teilweise gut mit der Feststellung, dass die Versicherte Anspruch auf Vergütung der Hälfte der Kurskosten habe (Entscheid vom 27. Januar 2003). 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das AWA, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben, eventuell sei die Pflicht zur Kostenübernahme auf 30 % herabzusetzen, beschränkt auf die Dauer der Rahmenfrist zum Leistungsbezug. 
 
H.________ hat keine Stellungnahme abgegeben. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG). 
2. 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen über die von der Arbeitslosenversicherung geförderten Umschulungs-, Weiterbildungs- und Eingliederungsmassnahmen zu Gunsten von Versicherten, deren Vermittelbarkeit aus Gründen des Arbeitsmarkts unmöglich oder stark erschwert ist (Art. 59 Abs. 1 und 3 AVIG in der hier anwendbaren, bis 30. Juni 2003 gültig gewesenen Fassung) und deren Abgrenzung zwischen Grundausbildung und allgemeiner beruflicher Weiterbildung einerseits, die nicht Sache der Arbeitslosenversicherung sind, sowie konkreten Eingliederungs- und Weiterbildungsmassnahmen andererseits, die in den Aufgabenbereich der Versicherung fallen (BGE 111 V 274 ff. und 400; ARV 1993/1994 Nr. 6 S. 44 f. Erw. 1 und 2; ARV 1996/1997 Nr. 24 S. 143 Erw. 1b mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 27. März 2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
3. 
3.1 Nach den Erwägungen im angefochtenen Entscheid handelt es sich bei dem von der Musikschule W.________ angebotenen Kurs um eine von der Arbeitslosenversicherung zu bewilligende Massnahme, da die Beschwerdegegnerin als ausgebildete Pianistin und erfahrene Klavierlehrerin ihre Kenntnisse zu erweitern vermag. Arbeitsmarktlich sei der Besuch dieses Kurses indiziert, zumal gerichtsnotorisch sei, dass - wie in vielen anderen Berufsbereichen - auch im Gebiete der Musik die herkömmlichen Instrumente allmählich durch elektronische ersetzt würden. Daher stehe fest, dass die Vermittlungsfähigkeit der Versicherten stark erschwert sei. Sodann sei offensichtlich, dass die Beschwerdegegnerin in ihrem Alter bei sonst gleichgebliebenen Verhältnissen ohne Arbeitslosigkeit die in Frage stehende Weiterbildung nicht absolvieren würde. Schliesslich könne der Anspruch auch nicht abgelehnt werden, weil sich der Ausbildungsgang über vier Semester erstrecke. Der Kurs umfasse insgesamt 470 Lektionen, die ohne weiteres auch auf ein Jahr hätten verteilt werden können. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es sich um eine berufsbegleitende Weiterbildung handle, weshalb die Versicherte weiterhin im gesuchten Umfang einer Teilzeitarbeit von 30 % vermittelbar sei. Hinsichtlich der Kosten sei allerdings nicht zu übersehen, dass eine Semestergebühr von Fr. 2'800.- nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehe, die im Umfang von 30 % eingetretene Arbeitslosigkeit zu beenden. Es rechtfertige sich aber nicht, aus reinen Kostengründen bei sonst gegebenen Anspruchsvoraussetzungen das Gesuch der Versicherten abzuweisen. Gesamthaft gesehen sei es angemessen, die Hälfte der Kurskosten zu vergüten. 
3.2 Den vorinstanzlichen Erwägungen ist im Grundsatz beizupflichten. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, dass das der Beschwerdegegnerin offenstehende Berufsspektrum ihre Vermittelbarkeit auf einen speziellen Tätigkeitsbereich einschränkt. Die Versicherte schloss 1975 ein dreijähriges Studium an der Musikschule V.________ ab und erwarb 1977 ein Diplom der Musikschule U.________. Seither erteilte sie Unterricht am Klavier in klassischer Musik. Ein solches berufsspezifisches Risiko der Arbeitslosigkeit stellt nach der Rechtsprechung ein gewichtiges Indiz dar für die präventionsmassnahmerechtliche Notwendigkeit einer gezielten Umschulung oder Weiterbildung (BGE 111 V 277 Erw. 2e; unveröffentlichtes Urteil H. vom 18. November 1985, C 169/85). Wie die Beschwerdegegnerin im vorinstanzlichen Verfahren zutreffend geltend gemacht hat, wird das klassische Piano vermehrt durch die billigeren elektronischen Tasteninstrumente verdrängt, womit auch eine andere musikalische Stilrichtung hin zum Jazz ins Lehrangebot aufgenommen werden muss. Der aktuelle und voraussehbar künftige Arbeitsmarkt verlangt zunehmend Lehrkräfte, die elektronische Tasteninstrumente unterrichten können, während die Nachfrage nach einer Ausbildung am herkömmlichen Klavier zurückgeht. Dadurch entsteht ein Überhang an Lehrkräften mit klassischer Ausbildung. Für diese Entwicklung spricht gerade auch der von der Musikschule W.________ angebotene Lehrgang, der sich an ausgebildete und berufserfahrene Klavierlehrer richtet und zum Ziel hat, die Bewerber zum Unterricht an Keyboards zu befähigen. Die Anpassungsbedürftigkeit der Versicherten ist damit ausgewiesen. Entgegen der Auffassung des AWA geht es beim in Frage stehenden Kurs nicht darum, ein neues Musikinstrument zu erlernen. Die Klaviatur eines elektronischen Tasteninstruments entspricht derjenigen eines Klaviers oder Flügels, sodass wesentlich die gleiche technische Fingerfertigkeit erforderlich ist, um darauf spielen zu können. Im Vordergrund des Lehrganges, der bei den Bewerbern die Beherrschung eines Tasteninstruments voraussetzt, steht klar das Erlernen von anderen musikalischen Stilrichtungen, wie aus den angebotenen Fächern (Jazz-Piano, Gehörbildung, Harmonielehre, Rhythmik) deutlich hervorgeht. Inwiefern die Beschwerdegegnerin ein höheres Berufsziel verfolgen soll, wie geltend gemacht wird, ist nicht einzusehen. Wenn auch mit dem Studium an der Musikschule W.________ teilweise Grundlagen vermittelt werden, die in der Regel Inhalt einer Grundausbildung sind, so ist die Annahme einer solchen wegen der arbeitsmarktlichen Indikation auszuschliessen. Unbestritten ist, dass der Lehrgang die Vermittlungsfähigkeit der Beschwerdegegnerin verbessert. So hat sie denn auch bereits im Hinblick auf die vorgesehene Ausbildung einen Lehrauftrag der Musikschule Q.________ erhalten (im vorläufigen Status einer Stellvertreterin; Schreiben vom 20. November 2002). Dem kantonalen Entscheid, auf dessen Erwägungen im Übrigen verwiesen wird, bleibt beizufügen, dass nach der Rechtsprechung die zeitlich auf ein Jahr beschränkte Dauer einer arbeitsmarktlichen Massnahme nur die Regel bilden soll, von welcher ausnahmsweise, z.B. bei Extensivkursen, abgewichen werden kann (BGE 111 V 271 Erw. 2d; ARV 1986 Nr. 17 S. 66 Erw. 2b und 3). So hat das Eidgenössische Versicherungsgericht im Urteil H. vom 18. November 1985, C 169/85, einem diplomierten Geophysiker ein drei Semester dauerndes Ergänzungsstudium für das höhere Lehramt (Physik und Informatik) zuerkannt, wobei es hinsichtlich der Dauer nur die effektive Semesterzeit ohne dazwischenliegende Ferien zusammenzählte. Im Lichte dieser Praxis sind die Erwägungen des kantonalen Gerichts zur Dauer des Ausbildungsganges an der Musikschule W.________ nicht zu beanstanden. 
4. 
4.1 Mit dem Eventualbegehren bringt das AWA vor, es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb von der Arbeitslosenversicherung die Hälfte der Kurskosten zu übernehmen sei. Die Beschwerdegegnerin sei lediglich im Umfang eines Teilzeitpensums von 30 % arbeitslos. Daher seien ihr nur die Kosten im entsprechenden Umfang zu überbinden, beschränkt auf die Dauer der Rahmenfrist für den Leistungsbezug. 
4.2 Gemäss Art. 9 Abs. 1 AVIG gelten für den Leistungsbezug zweijährige Rahmenfristen, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht. Für den Anspruch auf Teilnahme an einem Kurs zur Umschulung, Weiterbildung oder Eingliederung (Art. 60 AVIG) ist keine Ausnahme vorgesehen. Daher ist der Leistungsanspruch der Beschwerdegegnerin antragsgemäss auf die Dauer der laufenden Rahmenfrist zum Leistungsbezug zu beschränken. Sodann ist die vorinstanzliche Ermessensentscheidung hinsichtlich der von der Arbeitslosenversicherung zu übernehmenden Kosten den tatsächlichen Verhältnissen nicht angepasst. Die Beschwerdegegnerin unterrichtete bei Einreichung ihres Gesuchs um arbeitsmarktliche Massnahmen seit über 10 Jahren zu je 30 % an zwei verschiedenen Musikschulen und erteilte daneben Privatstunden. Es bestanden keine Anhaltspunkte, dass eine Auflösung der Arbeitsverhältnisse an den Musikschulen X.________ und Z.________ drohte. Daher ist ihr zuzumuten, einen erheblichen Teil der Weiterbildungskosten aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Angesichts dieser Umstände ist mit dem AWA die Beteiligung an den Kosten des Ausbildungslehrganges an der Musikschule W.________ auf 30 % festzusetzen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 27. Januar 2003 insoweit abgeändert, als festgestellt wird, dass die Beschwerdegegnerin Anspruch auf Vergütung der Kosten des "Ausbildungsganges 2002/2004 Elektronische Tasteninstrumente (Keyboards)" an der Musikschule W.________ im Umfang von 30 %, beschränkt auf die Dauer der laufenden Rahmenfrist zum Leistungsbezug, hat. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 12. Februar 2004 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: