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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_539/2022  
 
 
Verfügung vom 15. November 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Scherrer Reber, als Einzelrichterin, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Alexandra Meichssner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stefan Meichssner, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Laurenzenvorstadt 11, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 18. Oktober 2022 (VBE.2022.139). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die IV-Stelle des Kantons Aargau verneinte mit Verfügung vom 7. März 2022 einen Rentenanspruch der A.________ ab dem 1. Juli 2013. 
 
B.  
Dagegen liess A.________ Beschwerde beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau führen. Dieses hiess ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gut und bestellte Rechtsanwältin Alexandra Meichssner zur unentgeltlichen Vertreterin. Das Versicherungsgericht wies das Rechtsmittel mit Urteil vom 18. Oktober 2022 ab, wobei es in Dispositiv-Ziffer 4 das Honorar der Rechtsvertreterin auf Fr. 2'450.- festsetzte. 
 
C.  
 
C.a. A.________ liess das Urteil vom 18. Oktober 2022 beim Bundesgericht anfechten (Verfahren 9C_542/2022).  
 
C.b. Alexandra Meichssner lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, unter Aufhebung der Dispositiv-Ziffer 4 des Urteils vom 18. Oktober 2022 sei ihr für ihre Tätigkeit als unentgeltliche Rechtsvertreterin eine Entschädigung von Fr. 3'300.- zuzusprechen, eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gemäss Art. 89 Abs. 1 lit. b und lit. c BGG ist zur Beschwerde berechtigt, wer durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Erforderlich ist grundsätzlich ein persönliches aktuelles praktisches Interesse an der Beschwerdeführung, welches im Zeitpunkt der Urteilsfällung noch vorhanden sein muss. Fehlt ein solches bei Beschwerdeeinreichung, ist auf die Eingabe nicht einzutreten. Fällt es nach Beschwerdeerhebung dahin, wird die Sache wegen Gegenstandslosigkeit abgeschrieben, wofür die Instruktionsrichterin als Einzelrichterin zuständig ist (Art. 32 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 206 E. 1.1; Urteil 2C_697/2018 vom 1. März 2019). 
 
2.  
Die unentgeltliche Rechtsvertreterin ist legitimiert, gegen die Festsetzung ihres Honorars durch das kantonale Gericht in eigenem Namen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu führen (Art. 89 Abs. 1 BGG; Urteile 9C_285/2022 11. April 2023 E. 1; 9C_386/2020 vom 24. September 2020 E. 1). 
 
3.  
Mit Urteil 9C_542/2022 vom heutigen Tag hat das Bundesgericht die Beschwerde der A.________ teilweise gutgeheissen. Es hat das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 18. Oktober 2022 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 7. März 2022 aufgehoben und die Sache zur neuen Verfügung an die Verwaltung und zur Neuverlegung der Kosten sowie der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das kantonale Gericht zurückgewiesen. Damit ist die Beschwerde der Alexandra Meichssner gegenstandslos geworden. 
 
4.  
 
4.1. Wird ein Rechtsstreit gegenstandslos oder fällt er mangels rechtlichen Interesses dahin, so erklärt ihn die Einzelrichterin (allenfalls nach Vernehmlassung der Parteien) ohne weitere Parteiverhandlung als erledigt und entscheidet mit summarischer Begründung über die Prozesskosten auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes (Art. 72 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess [BZP; SR 273] i.V.m. Art. 71 BGG). Dabei geht es nicht darum, die Prozessaussichten im Einzelnen zu prüfen, und dadurch weitere Umtriebe zu verursachen; vielmehr muss es bei einer knappen Beurteilung der Aktenlage sein Bewenden haben. Auf dem Weg über den Kostenentscheid soll nicht ein materielles Urteil gefällt werden (BGE 142 V 551 E. 8.2).  
Lässt sich der mutmassliche Ausgang eines Verfahrens im konkreten Fall nicht ohne Weiteres feststellen, ist auf allgemeine zivilprozessrechtliche Kriterien abzustellen. Danach wird in erster Linie jene Partei entschädigungs- und kostenpflichtig, welche das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst hat, oder bei der Gründe eingetreten sind, die zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens geführt haben (Urteile 8C_123/2019 vom 10. Mai 2019; 2C_697/2018 vom 1. März 2019 E. 2.2). 
 
 
4.2. Die Vorinstanz hat bei der Festsetzung des Honorars für die unentgeltliche Rechtsvertreterin berücksichtigt, dass diese "gemäss den Akten bereits im Vorbescheidverfahren involviert war (VB 181 S. 2 unten) ".  
Die Beschwerdeführerin wirft dem kantonalen Gericht im Wesentlichen eine offensichtlich unrichtige resp. willkürliche (Art. 9 BV) Sachverhaltsfeststellung vor, indem es entgegen der Anwaltsvollmacht vom 11. März 2022 bereits für das verwaltungsinterne Verfahren eine Rechtsvertretung angenommen habe. Zudem habe es den kantonalen Anwaltstarif willkürlich angewendet, weil es ihr nicht die in invalidenversicherungsrechtlichen Streitigkeiten übliche Pauschale von Fr. 3'300.-, sondern eine ohne triftigen Grund um rund 25 % gekürzte und somit unhaltbar tiefe Entschädigung zugesprochen habe. Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV); es fehle eine nachvollziehbare Begründung, weshalb ihre Entschädigung abweichend von der Praxis gekürzt worden sei. 
 
4.3. Im von A.________ unterzeichneten und an die IV-Stelle des Kantons Aargau gerichteten Einwandschreiben vom 9. Dezember 2021 ("VB 181 S. 2 unten") wurde angekündigt, dass eine Kopie dieses Schreibens "an meine Anwältin, Frau Meichssner Andrea" gehe. Ob und wann Alexandra Meichssner von der Versicherten eine solche Kopie erhielt, ist nicht aktenkundig. Die Rechtsvertreterin gelangte erstmals mit Schreiben vom 15. März 2022, mithin nach Erlass der Verfügung vom 7. März 2022, an die IV-Stelle, wobei sie ihre Interessenvertretung für A.________ "im IV-Verfahren" anzeigte und die entsprechende Vollmacht vom 11. März 2022"betreffend Invalidenversicherung" beilegte. Damit findet die vorinstanzliche Feststellung, wonach die Rechtsvertreterin im Vorbescheidverfahren involviert gewesen sei, in den Akten keine genügende Grundlage; sie ist daher unhaltbar (vgl. Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Ob deswegen die Höhe der (auf der Grundlage kantonalen Rechts) zugesprochenen Entschädigung willkürlich ist, bleibt fraglich. Auch was die gerügte Verletzung der Begründungspflicht anbelangt, lässt sich der mutmassliche Verfahrensausgang nicht ohne Weiteres feststellen.  
Die summarische Würdigung der gesamten Umstände - insbesondere der Ausgang des Urteils 9C_542/2022 vom heutigen Tag - rechtfertigt es, der Beschwerdegegnerin die Prozesskosten aufzuerlegen. 
 
 
4.4. Von der Erhebung von Gerichtskosten ist abzusehen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 BGG). Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).  
 
 
Demnach verfügt die Einzelrichterin:  
 
1.  
Das Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Aargau hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.  
Diese Verfügung wird den Parteien, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der IV-Stelle des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 15. November 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Einzelrichterin: Scherrer Reber 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann