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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_569/2018  
 
 
Urteil vom 30. Januar 2019  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Williner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Biedermann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 19. Juni 2018 (200 17 605 IV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1967 geborene A.________, zuletzt bis 2008 bei der B.________ AG als Bauarbeiter tätig gewesen, meldete sich im Juni 2008 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern (nachfolgend: IV-Stelle) tätigte verschiedene Abklärungen in erwerblicher und medizinischer Hinsicht; namentlich veranlasste sie eine interdisziplinäre Begutachtung beim Centre d'Expertise Médicale (CEM; Expertise vom 5. Januar 2010). Gestützt darauf wies sie das Leistungsbegehren am 4. Juni 2010 ab (Invaliditätsgrad 36 %). Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 13. Oktober 2010 ab. 
Im November 2011 meldete sich A.________ wegen Schmerzen im Nacken, Gelenkleiden und einer Depression erneut zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle veranlasste wiederum verschiedene Abklärungen und erteilte Kostengutsprache für ein Belastbarkeitstraining vom 10. Dezember 2012 bis zum 3. März 2013 bei der Genossenschaft C.________. Aufgrund eines frühzeitigen Abbruchs dieser Massnahme (Bericht der Genossenschaft C.________ vom 19. Februar 2013) schloss die IV-Stelle am 2. Juli 2013 die beruflichen Massnahmen ab. Sie gab eine polydisziplinäre Begutachtung bei der Zentrum für Interdisziplinäre Medizinische Begutachtungen AG (ZIMB; Expertise vom 18. Dezember 2013 und Ergänzung vom 5. März 2014) in Auftrag. Wegen seiner widersprüchlichen Aussagen im Rahmen der Begutachtung und weil eine Simulation nicht auszuschliessen war, observierte die IV-Stelle A.________ im Zeitraum zwischen dem 18. August und dem 24. Oktober 2014 an mehreren Tagen (Bericht über die Beweissicherung vor Ort vom 12. Januar 2015). Danach liess sie ihn (unter Einbezug der Observationsergebnisse) nochmalig begutachten (Expertise des Swiss Medical Assessment- and Business-Center [SMAB] vom 16. März 2016). Gestützt darauf wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren ab (Verfügung vom 26. Mai 2017; Invaliditätsgrad 12 %). 
 
B.   
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 19. Juni 2018 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, die Sache sei unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist ein reformatorisches Rechtsmittel (Art. 107 Abs. 2 BGG), weswegen die beschwerdeführende Partei grundsätzlich einen Antrag in der Sache stellen und angeben muss, welche Abänderungen beantragt werden. Anträge auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung oder blosse Aufhebungsanträge genügen demgegenüber in der Regel nicht. Ausnahmsweise lässt es die Rechtsprechung genügen, dass ein kassatorisches Begehren gestellt wird, wenn sich aus der Begründung ergibt, was mit der Beschwerde angestrebt wird, oder wenn das Bundesgericht ohnehin nicht reformatorisch entscheiden könnte, weil die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz fehlen, oder im Falle einer vor Bundesgericht nicht heilbaren Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. Urteil 9C_304/2016 vom 23. Mai 2017 E. 1.1 mit zahlreichen Hinweisen, nicht publ. in: BGE 143 V 208, aber in: SVR 2017 BVG Nr. 34 S. 155 f.).  
 
1.2. Aus der Beschwerdebegründung geht hervor, dass sinngemäss um Ausrichtung einer Invalidenrente gestützt auf eine vom Einfluss des Observationsmaterials bereinigte - allenfalls medizinisch ergänzte - Aktenlage ersucht wird. Auf die Beschwerde kann eingetreten werden.  
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
2.2. Die Beschwerde hat unter anderem die Begehren und deren Begründung zu enthalten, wobei in der Begründung in gedrängter Form - unter Bezugnahme auf und in Auseinandersetzung mit den entscheidenden vorinstanzlichen Erwägungen - darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Dabei gilt in Bezug auf die nur der Willkürkontrolle (Art. 9 BV) unterliegende Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung durch die Vorinstanz wie auch in Bezug auf die Verletzung anderer Grundrechte eine qualifizierte Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; Urteil 9C_306/2016 vom 4. Juli 2016 E. 1.1 mit Hinweis auf BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 und Urteil 9C_619/2014 vom 31. März 2015 E. 2.2).  
 
3.  
 
3.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie in Bestätigung der Verfügung der IV-Stelle vom 26. Mai 2017 einen Rentenanspruch verneinte.  
 
3.2. Das kantonale Gericht hat die massgebenden rechtlichen Grundlagen zutreffend dargelegt. Es betrifft dies namentlich die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 ATSG) und der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 IVG), zur Bemessung der Invalidität anhand der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG und Art. 28a Abs. 1 IVG), zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352), zur Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG) sowie zu den dabei massgebenden Vergleichszeitpunkten (BGE 133 V 108 E. 5.1 S. 110 ff.). Gleiches gilt bezüglich der Rechtsprechung zur Beurteilung der Invalidität bei psychischen Leiden im Rahmen eines strukturierten Beweisverfahrens anhand der sogenannten Standardindikatoren (BGE 143 V 409 und 418; 141 V 281) und zur Verwertbarkeit von Beweismitteln, die aus einer Überwachung der versicherten Person stammen (BGE 143 I 377). Darauf wird verwiesen.  
 
4.   
Die Vorinstanz erwog streitgegenständlich, zu prüfen sei, ob sich im Zeitraum zwischen den beiden Verfügungen vom 4. Juni 2010 und vom 26. Mai 2017 eine revisionsrechtlich erhebliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse eingestellt habe. Sie bejahte die Verwertbarkeit der Ergebnisse der von der IV-Stelle veranlassten Observation. Sodann kam sie gestützt auf das als beweiskräftig beurteilte Gutachten des SMAB vom 16. März 2016 zum Schluss, der Beschwerdeführer sei in angepasster Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig. Ob in Anbetracht dessen eine revisionsrechtlich relevante Veränderung im Gesundheitszustand ausgewiesen sei, liess das kantonale Gericht explizit offen mit der Begründung, bei einem Invaliditätsgrad von 12 % resultiere ohnehin kein Rentenanspruch. 
 
5. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, verfängt aus folgenden Gründen nicht:  
 
5.1. Es ist nicht erkennbar, inwiefern die zwischen dem 18. August und dem 24. Oktober 2014 an insgesamt 13 (Halb) Tagen durchgeführte Observation im Lichte der Rechtsprechung von BGE 143 I 377 unverhältnismässig sein soll. Die erstellten Videoaufnahmen betreffen gemäss den unbestritten gebliebenen Feststellungen des kantonalen Gerichts einzig Tatsachen, die sich an öffentlich einsehbaren bzw. der Öffentlichkeit zugänglichen Orten verwirklicht haben, wobei keine Beeinflussung des Beschwerdeführers vorgelegen hat. Dieser wendet einzig ein, der Eingriff in sein Privatleben wiege sowohl bezüglich Dauer wie auch Intensität schwerer als im Sachverhalt, wie er BGE 143 I 377 zu Grunde gelegen habe. Dies allein lässt indessen weder auf eine systematische noch auf eine ständige Überwachung schliessen. Wie die Vorinstanz diesbezüglich richtig erwogen hat, kann bei Beobachtungen an 13 (Halb) Tagen über einen Gesamtzeitraum von (gut) zwei Monaten (acht Tage im August und fünf Tage im Oktober 2014, wobei nur an zehn Tagen effektiv gefilmt wurde) nicht von einer solchen ausgegangen werden. Dieser Schluss rechtfertigt sich nicht nur mit Blick auf BGE 143 I 377, sondern auch auf seitherige Urteile, denen deutlich längere Überwachungsphasen zu Grunde lagen (vgl. etwa Urteile 8C_430/2018 vom 4. Dezember 2018, 8C_2/2018 vom 15. Februar 2018, 9C_462/2017 vom 14. Mai 2018 und 9C_261/2017 vom 14. November 2017). Damit und in Anbetracht der aufgezeichneten (sehr) alltäglichen Verrichtungen und Handlungen (der Beschwerdeführer wurde namentlich bei zahlreichen Einkaufstouren, Restaurantbesuchen sowie beim Führen verschiedener Fahrzeuge beobachtet) kann insgesamt nicht von einer schweren Verletzung der Persönlichkeit gesprochen werden.  
Am vorinstanzlichen Schluss, das öffentliche Interesse an der Verwertung des Observationsberichts überwiege das private Interesse am Schutz der Privatsphäre, ändert entgegen den Einwänden des Beschwerdeführers offenkundig nichts, dass er (noch) kein Bezüger von Leistungen der Invalidenversicherung ist. Das erhebliche und gewichtige öffentliche Interesse besteht gerade in der Verhinderung des Versicherungsmissbrauchs (BGE 143 I 377 E. 5.1.2 S. 386 mit Hinweis auf 8C_239/2008 vom 17. Dezember 2009 E. 6.4.1 Abs. 2 und dortige Hinweise). 
 
5.2. Der Beschwerdeführer macht einen Verstoss gegen Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK geltend. Konkret zweifelt er die Beweisqualität des Observationsmaterials an, weil dieses rechtswidrig erhoben worden sei und den Schluss auf eine (physische oder psychische) Erkrankung nicht zulasse. Insofern diese Ausführungen überhaupt den qualifizierten Begründungsanforderungen gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG genügen (vgl. E. 2.2 hievor), gehen sie fehl: So ist, was allfällige Verstösse gegen Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK anbelangt, lediglich zu prüfen, ob der Miteinbezug des rechtswidrig erlangten Observationsmaterials das Verfahren als Ganzes unfair erscheinen lässt (vgl. dazu BGE 143 I 377 E. 5.2.1 f.). Aus dem blossen Hinweis auf die - ausser Frage stehende - Unzulässigkeit der Observation kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Richtig ist, dass ein Überwachungsbericht für sich allein keine genügende Grundlage für Sachverhaltsfeststellungen betreffend den Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit bildet. Der Beschwerdeführer lässt indessen ausser Acht, dass mit der polydisziplinären Begutachtung des SMAB vom 16. März 2016 eine ärztliche Beurteilung vorliegt, welche in dieser Hinsicht rechtsprechungsgemäss sichere Kenntnis des Sachverhalts liefern kann (vgl. Urteil 8C_2/2018 vom 15. Februar 2018 E. 5.2 mit Hinweis auf 8C_515/2017 vom 20. Dezember 2017 E. 5.1).  
 
5.3. Aus der grundsätzlichen Verwertbarkeit der Observationsergebnisse folgt auch diejenige der Expertise des SMAB vom 16. März 2016, soweit diese darauf abstellt. Im Übrigen wird der Beweiswert des Gutachtens nicht bestritten. Ebenso werden die vorinstanzlichen Ausführungen betreffend das Vorliegen eines Ausschlussgrundes im Sinne von BGE 141 V 281 E. 2.2.1 S. 287 f. sowie die Feststellungen zu den erwerblichen Auswirkungen nicht beanstandet. Weiterungen dazu erübrigen sich.  
 
6.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. Januar 2019 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Williner