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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_578/2012 
 
Urteil vom 28. Februar 2013 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiber Borner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
H.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Pilgrim, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, 
An der Aa 4, 6300 Zug, 
2. S.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Manuel Brandenberg, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Parteientschädigung, Kostenauflage; Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Zug, Strafabteilung, vom 21. August 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
H.________ verschaffte sich mit Kollegen als Untersuchungsorgan der EBK, heutige FINMA, am Morgen des 19. November 2007 Zutritt zu den Büros der P.________ AG in Zug. Gemäss Anklage packte er die Sekretärin S.________, die die Türe ein wenig geöffnet hatte, mit der rechten Hand am rechten Handgelenk und stiess sie beiseite. Diese entwickelte in der Folge eine reaktive Depression und war während 3 Monaten zu 100 % arbeitsunfähig. 
 
B. 
Das Strafgericht Zug sprach H.________ am 16. Juni 2011 vom Vorwurf der eventualvorsätzlichen sowie fahrlässigen einfachen Körperverletzung frei. Es auferlegte ihm die Verfahrenskosten und verpflichtete ihn, eine Umtriebsentschädigung von Fr. 14'500.-- an S.________ zu zahlen. Es verwies deren Genugtuungsforderung auf den Zivilweg und verpflichtete sie, H.________ eine Umtriebsentschädigung von Fr. 1'000.-- auszurichten. 
 
Auf Berufung beider Parteien bestätigte das Obergericht des Kantons Zug am 21. August 2012 das erstinstanzliche Urteil, sah jedoch von einer Umtriebsentschädigung von S.________ an H.________ ab. 
 
C. 
H.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Die kantonalen Verfahrenskosten seien dem Staat aufzuerlegen, und ihm seien seine Anwaltskosten zu entschädigen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Vorinstanz erwägt, den Beschwerdeführer treffe kein strafrechtlicher Vorwurf, doch habe er gegen den Grundsatz "neminem laedere" verstossen (Art. 28 Abs. 1 ZGB). 
 
Nach seiner eigenen Darstellung habe er, nachdem die Sekretärin Anstalten gemacht habe, die Türe wieder zu schliessen, gegen ihren Widerstand die Türe aufgestossen. Dieses Verhalten sei als beabsichtigte körperliche Zudringlichkeit zu qualifizieren, selbst wenn kein direkter Körperkontakt zwischen den beiden stattgefunden haben sollte. Als Untersuchungsbeauftragter der EBK sei er dazu nicht berechtigt gewesen. Die entsprechende Verfügung der EBK halte lediglich fest, dem Inhaber und den Organen der P.________ AG werde die Pflicht auferlegt, den Untersuchungsbeauftragten sämtliche Informationen und Unterlagen zu den Geschäftsaktivitäten zur Verfügung zu stellen und Zugang zu den Geschäftsräumlichkeiten zu verschaffen. Zwar könnten Verfügungen, die nicht auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistungen lauten, mittels unmittelbaren Zwangs gegen die verpflichtete Person oder seine Sachen vollstreckt werden (Art. 41 Abs. 1 lit. b VwVG). Als unmittelbarer Zwang komme im Rahmen von Untersuchungen im Auftrag der EBK bspw. das gewaltsame Eindringen in die Räumlichkeiten des Untersuchten und/oder die Beschlagnahme von Beweismaterial in Frage. Doch habe der Untersuchungsbeauftragte selbst keine Zwangsbefugnisse, sondern müsse, um sich Zugang zu verschaffen, allenfalls Polizeiorgane beiziehen. 
 
Das persönlichkeitsverletzende Verhalten des Beschwerdeführers sei nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet gewesen, die Sekretärin zur Einreichung einer Strafanzeige zu veranlassen. Dazu sei es adäquat kausal gewesen. 
 
2. 
Die Vorinstanz begründet ihren Entscheid zur Umtriebsentschädigung somit gestützt auf den Sachverhalt, der Beschwerdeführer habe die Sekretärin nicht am Handgelenk gepackt. Soweit der Beschwerdeführer vom gegenteiligen Sachverhalt ausgeht, ist auf seine Rügen nicht einzutreten (Beschwerdeschrift S. 4 f. Ziff. 4). 
 
Im Schweizer Recht gilt der Grundsatz der Unantastbarkeit des menschlichen Körpers (Art. 28 Abs. 1 ZGB; JACQUES-MICHEL GROSSEN, in: Schweizerisches Privatrecht II, Basel 1967, S. 362). Das geschützte Persönlichkeitsgut ist die Selbstbestimmung der Person. Persönlichkeitsverletzend ist jede beabsichtigte körperliche Zudringlichkeit (CHRISTIAN BRÜCKNER, Das Personenrecht des ZGB, Zürich 2000, S. 118 N. 392 und S. 137 N. 465). Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, war das Aufstossen der Türe gegen den Widerstand der Sekretärin persönlichkeitsverletzend. Das Verhalten des Beschwerdeführers war auch widerrechtlich, da ihm als Untersuchungsbeauftragter keine Zwangsbefugnisse zustanden (MAURENBRECHER/TERLINDEN, in: Basler Kommentar, Börsengesetz - Finanzmarktaufsichtsgesetz, Basel 2011, Art. 36 FINMAG, N. 64). Deshalb erweisen sich seine Ausführungen als unbehelflich, das Verhalten sei in der konkreten Situation dringend geboten, vom gesetzlichen Auftrag gedeckt und verhältnismässig gewesen. 
 
Wie die Vorinstanz zutreffend festhält, musste der Beschwerdeführer nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung damit rechnen, dass die Sekretärin auf sein persönlichkeitsverletzendes Verhalten mit einer Strafklage reagieren werde. Denn die Grenzen zwischen zivilrechtlichen Persönlichkeitsverletzungen und strafbaren Handlungen wie Tätlichkeiten und Ehrverletzungen sind fliessend. 
 
Der Einwand des Beschwerdeführers, die Vorinstanz werfe ihm im Rahmen der Entschädigungspflicht ein strafrechtliches Verhalten vor, geht fehl. Sie führt zwar aus, das Zupacken am Handgelenk und das Beiseitestossen der Sekretärin decke sich sachlich mit der strafrechtlichen Anschuldigung. Doch hält sie ausdrücklich fest, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verurteilung nach den entsprechenden Tatbeständen fehlten. Damit bringt sie zum Ausdruck, dass ihn strafrechtlich kein Vorwurf trifft. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Titel "ein Anwalt hat zugepackt" der Zuger Zeitung, wenn dabei lediglich auf den Kostenentscheid und nicht etwa auf eine strafrechtliche Verurteilung Bezug genommen wird. 
 
3. 
Die Beschwerde ist kostenpflichtig abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Strafabteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 28. Februar 2013 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Der Gerichtsschreiber: Borner