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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_635/2009 
 
Urteil vom 1. Dezember 2009 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Parteien 
F.________, 
vertreten durch Advokat Nicolai Fullin, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland, Bahnhofstrasse 32, 4133 Pratteln, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft 
vom 4. März 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der arbeitslos gemeldete F.________, geboren 1958, gründete am 7. März 2006 - während der vom 1. Juni 2005 bis 31. Mai 2007 dauernden Rahmenfrist für den Leistungsbezug - die Firma I.________ GmbH und ist als deren einzelzeichnungsberechtigter Gesellschafter und Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen. Mit Verfügung vom 7. September 2007 verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung für die Zeit ab 1. Juni 2007 aufgrund seiner arbeitgeberähnlichen Stellung in der Firma. Zudem forderte sie zu Unrecht bezogene Taggelder der Kontrollperioden Juni und Juli 2007 in der Höhe von insgesamt Fr. 1'350.05 zurück (Verfügung vom 29. August 2007). Daran hielt die Arbeitslosenkasse mit Einspracheentscheid vom 7. Juli 2008 fest. 
 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 4. März 2009 ab. 
 
C. 
F.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Arbeitslosenkasse zu verpflichten, ab 1. Juni 2007 Arbeitslosenentschädigung auszurichten. Es sei zudem festzustellen, dass er keine Arbeitslosenentschädigung zurückzuerstatten habe. 
Die Arbeitslosenkasse und das Staatssekretariat für Wirtschaft haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene kantonale Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen Bundesrecht, Völkerrecht oder kantonale verfassungsmässige Rechte verletzt (Art. 95 lit. a bis c BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat unter der Herrschaft des BGG eine freie Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheides in tatsächlicher Hinsicht zu unterbleiben. Ebenso entfällt eine Prüfung der Ermessensbetätigung nach den Grundsätzen zur Angemessenheitskontrolle (BGE 126 V 75 E. 6 S. 81 zu Art. 132 lit. a OG [in der bis 30. Juni 2006 gültig gewesenen Fassung]). 
 
2. 
Im Einspracheentscheid werden die Bestimmungen und Grundsätze über die Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 Abs. 1 AVIG), die gesetzlichen Vorschriften zum Ausschluss arbeitgeberähnlicher Personen und im Betrieb mitarbeitender Ehegatten vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG) sowie die Rechtsprechung zur analogen Anwendung dieser Bestimmung auf arbeitgeberähnliche Personen und ihre Ehegatten, die Arbeitslosenentschädigung verlangen (BGE 123 V 234 E. 7 S. 236), richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Juni 2007 und die damit verbundene Rückforderung von ausgerichteten Taggeldern für die Monate Juni und Juli 2007. 
 
3.1 Nach den unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz ersuchte der Versicherte am 4. Juni 2007 erneut um Zusprechung von Taggeldleistungen der Arbeitslosenversicherung, wobei er sich im Umfang von 50 % einer Vollbeschäftigung dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellte. Eigenen Angaben gemäss ging er danebst weiterhin im Umfang von 20 % seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit in der Immobilienbranche nach. Aufgrund seiner arbeitgeberähnlichen Stellung in der Firma und der damit verbundenen Missbrauchsgefahr (BGE 123 V 234 ff.; SVR 2007 AlV Nr. 21 S. 69 E. 3.1 mit Hinweis; Urteil C 12/07 vom 28. September 2007, E. 3.2) bestätigte das kantonale Gericht die fehlende Anspruchsberechtigung für die Folgerahmenfrist ab 1. Juni 2007 und die Rechtmässigkeit der damit verbundenen Rückforderung der ausgerichteten Taggeldentschädigung für die Monate Juni und Juli 2007. 
 
3.2 Andauernd selbstständig erwerbende Personen sind in der Regel bereits von vornherein vom Arbeitslosentaggeldbezug ausgeschlossen. Die Anwendung der Rechtsprechung gemäss BGE 123 V 234, wonach eine Überprüfung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung unter dem Gesichtspunkt der rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung möglich sein muss, rechtfertigt sich gleichermassen bei selbstständig Erwerbstätigen, welche sich zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung anmelden. Dabei ist massgebend, ob der Status des Selbstständigerwerbenden mit dem Ziel dauernder wirtschaftlicher und unternehmerischer Unabhängigkeit aufgenommen und beibehalten wird (Urteile C 9/05 vom 21. Dezember 2005 E. 2.3, 8C_49/2009 vom 5. Juni 2009 E. 4.3). Es ist nicht Aufgabe der Arbeitslosenversicherung, die in solchen Fällen anfänglich fehlenden Einnahmen zu ersetzen (ARV 2005 S. 19, C 117/04; Urteile C 151/06 vom 20. Mai 2007 E. 3 und C 277/05 vom 12. Januar 2007 E. 3.3). Rechtsprechungsgemäss ist sodann nicht relevant, ob effektiv für die Firma eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Einkommen erwirtschaftet wurde (Urteil C 277/05 vom 12. Januar 2007 E. 3.4 mit Hinweisen). 
 
3.3 In ARV 2008 S. 312 kam das Bundesgericht im Weiteren zum Schluss, dass bei der Aufnahme einer arbeitgeberähnlichen Tätigkeit während laufender Rahmenfrist für den Leistungsbezug der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung nicht in analoger Anwendung von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG abgelehnt werden kann. Das Gericht erkannte, dass darin vielmehr ein gewichtiges Indiz für eine fehlende Vermittlungsbereitschaft zu erblicken ist. Es sah es zwar mit der gesetzlichen Schadenminderungspflicht vereinbar, dass ein Arbeitsloser sich auch nach Möglichkeiten zum Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit umsieht. Die Arbeitslosenversicherung bezweckt in einem derartigen Fall aber nicht die Abdeckung von Unternehmerrisiken (vgl. auch Urteil C 241/05 vom 6. April 2006 E. 2.2). 
3.4 
3.4.1 Der Versicherte machte sich während der ersten laufenden Rahmenfrist für den Leistungsbezug selbstständig, nachdem er sich am 19. Mai 2005, nach erfolgter Kündigung durch den damaligen Arbeitgeber, bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet hatte. Die selbstständige Erwerbstätigkeit wurde denn auch als Zwischenverdienst anerkannt und die Vermittlungsfähigkeit grundsätzlich bejaht, jedoch die Verfügbarkeit des Versicherten als Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt hinsichtlich seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit um 20 % reduziert. 
3.4.2 Auch wenn beim Aufeinanderfolgen von Rahmenfristen eine Neuüberprüfung aller Anspruchsvoraussetzungen stattfindet, kann diese Ausgangslage bei der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen nicht ausgeblendet werden. Dementsprechend ist der vorliegende Sachverhalt nicht gemäss der mit BGE 123 V 234 begründeten Rechtsprechung zu beurteilen, sondern es ist bei der vorliegenden Konstellation vielmehr nach wie vor von einer Aufnahme der arbeitgeberähnlichen Tätigkeit während gemeldeter Arbeitslosigkeit (mit dem Ziel diese zu überwinden) auszugehen, was nach dem Gesagten die Prüfung des Leistungsanspruchs unter den Aspekten des Aufbaus einer auf Dauer angelegten oder nur vorübergehenden Selbstständigkeit und der Vermittlungsfähigkeit nach sich zieht (ARV 2008 S. 312; vgl. auch zur Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit eines unfreiwillig aus dem Arbeitsverhältnis Ausgeschiedenen vor Anmeldung zum Leistungsbezug: Urteil 8C_81/2009 vom 27. August 2009 E. 3.3 und 3.4). 
 
3.5 In tatsächlicher Hinsicht hat die Vorinstanz zu den Aspekten der auf Dauer angelegten oder nur vorübergehenden Selbstständigkeit und der Vermittlungsfähigkeit keine Feststellungen getroffen. Aus den Akten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seine seit März 2006 ausgeübte Stellung als Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma I.________ GmbH beibehalten hat und zusätzlich ab Juli 2007 bei der Firma M.________ AG als Präsident des Verwaltungsrats mit Kollektivunterschrift amtet (Tagebucheintrag im Handelsregister). In Berücksichtigung dieser Tatsachen und des Umstands, dass sich der Versicherte ab 1. Juni 2007 nur noch im Umfang von 50 % dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellte, spricht einiges dafür, dass sein Bestreben dem Aufbau einer auf Dauer angelegten Selbstständigkeit zur Erlangung einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit galt, was nicht dem Sinn und Zweck der Arbeitslosenversicherung entspräche, die gerade nicht die Abdeckung von Unternehmensrisiken zum Ziel hat, wozu beispielsweise auch ein zu geringes Einkommen aufgrund schwankender Auftragslage gehört. Die Aktenlage lässt hingegen keine abschliessende Beurteilung zu, zumal namentlich auch keine Arbeitsbemühungen oder Stellenzuweisungen dokumentiert sind. In einer E-mail vom 13. Oktober 2008 an die RAV-Personalberatung gab der Beschwerdeführer sodann an "eine berufliche Tätigkeit mit einem Pensum von 30 %" gefunden zu haben, woraus nicht hervorgeht, ob es sich um eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis handelt oder nicht. Die Sache ist daher an die Öffentliche Arbeitslosenkasse zurückzuweisen, welche zu klären hat, ob der Versicherte ab seiner erneuten Antragstellung noch bereit und in der Lage war, einer Arbeitnehmertätigkeit nachzugehen, oder ob der Status des Selbstständigerwerbenden mit dem Ziel dauernder wirtschaftlicher und unternehmerischer Unabhängigkeit aufgenommen worden war, was einem Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung entgegenstünde. Hernach wird die Kasse über den Leistungsanspruch und über die Rückerstattung der im Juni und Juli 2007 ausgerichteten Taggelder neu zu entscheiden haben. 
 
4. 
Die Gerichtskosten werden dem Ausgang des Verfahrens entsprechend der Beschwerdegegnerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG; BGE 133 V 637). Dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer steht ausserdem eine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, vom 4. März 2009 und der Einspracheentscheid der Öffentlichen Arbeitslosenkasse Baselland vom 7. Juli 2008 aufgehoben werden und die Sache an die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch des Beschwerdeführers und über die Rückforderung neu verfüge. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, dem Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Baselland und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 1. Dezember 2009 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Polla