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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 242/03 
 
Urteil vom 23. Februar 2005 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Rüedi und Meyer; Gerichtsschreiber Scartazzini 
 
Parteien 
M.________, 1969, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
beco Berner Wirtschaft, Arbeitsvermittlung, Rechtsdienst, Laupenstrasse 22, 3011 Bern, Beschwerdegegner 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
(Entscheid vom 8. September 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1969 geborene M.________ studierte von 1989 bis 1996 an der Universität X.________ Ökonomie mit Spezialisierung in Ökonometrie. Während des Studiums erwarb sie praxisorientierte Berufserfahrung durch verschiedene spezialisierte Tätigkeiten. Nach dem Studium besuchte sie Kurse in Ökonometrie und mathematischer Ökonomie in England, begann 1997 ein Doktorandenstudium und war unter anderem als Assistentin am Volkswirtschaftlichen Institut der Universität Y.________ tätig. Im April 2001 brach sie die Arbeit an der Dissertation ab und meldete sich danach erstmals arbeitslos. Nach zwei weiteren Anstellungen kündigte sie das Arbeitsverhältnis und stellte in der Folge Antrag auf Arbeitslosenentschädigung. 
Am 5. Dezember 2002 hatte die Versicherte ein Gesuch um Zustimmung zum Besuch der Kurse "Français actif II Super Intensif" im Ausbildungszentrum Z.________ für eine Kursgebühr von Fr. 2380.- sowie des Kurses "Höhere Informatik Handelsschule" zu den Kurskosten von Fr. 3200.-, Einschreibgebühren von Fr. 200.- und Abacus-Anwender-Zertifikat von Fr. 70.- gestellt. Zudem hatte sie um Zustimmung zum Besuch der Informatikkurse "Access 2000 Bedienung", "Access 2000 Entwicklung 1", "Access 2000 Entwicklung 2" zu den Kurskosten von Fr. 310.- und zwei Mal Fr. 620.- ersucht. 
Mit Verfügungen der Regionalen Arbeitsvermittlung (RAV) vom 17. Dezember 2002 wurde die Teilnahme an den Kursen als arbeitsmarktliche Massnahme abgelehnt mit der Begründung, von der Übernahme finanzieller Leistungen ausgeschlossen seien Massnahmen, die üblicherweise an eine Grundausbildung anschliessen oder der Vervollständigung der Grundausbildung dienen würden. Diese Verfügungen bestätigte das beco Berner Wirtschaft, Abteilung Arbeitsvermittlung, Rechtsdienst (beco), Bern, mit Einspracheentscheid vom 22. April 2003. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde mit den sinngemässen Rechtsbegehren, in Aufhebung des Einspracheentscheides seien die Kosten für die beantragten Kurse von der Arbeitslosenversicherung zu übernehmen, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 8. September 2003 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert M.________ ihr Leistungsbegehren, dies "unter Kosten- und Entschädigungsfolge". 
Das beco schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Gemäss Art. 1 Abs. 2 AVIG (seit 1. Januar 2003: Art. 1a Abs. 2 AVIG) gehört zu den Zielen des Gesetzes, drohende Arbeitslosigkeit zu verhüten und bestehende zu bekämpfen. Diesem Zwecke dienen die so genannten arbeitsmarktlichen Massnahmen (Art. 59 ff. AVIG). Nach Art. 59 AVIG fördert die Arbeitslosenversicherung durch finanzielle Leistungen die Umschulung, Weiterbildung oder Eingliederung von Versicherten, deren Vermittlung aus Gründen des Arbeitsmarktes unmöglich oder stark erschwert ist (Abs. 1 Satz 1); die Umschulung, Weiterbildung oder Eingliederung muss die Vermittlungsfähigkeit verbessern (Abs. 3). Voraussetzung für Leistungen der Versicherung an die Umschulung, Weiterbildung oder Eingliederung ist in jedem Fall das Vorliegen einer arbeitsmarktlichen Indikation. Dies bedeutet, dass Massnahmen nach Art. 59 ff. AVIG nur einzusetzen sind, wenn die Arbeitsmarktlage dies unmittelbar gebietet. Dadurch soll verhindert werden, dass Leistungen zu Zwecken in Anspruch genommen werden, die nicht mit der Arbeitslosenversicherung in Zusammenhang stehen (Botschaft des Bundesrates zu einem neuen Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 2. Juli 1980, BBl 1980 III 610 f.). Diesen Gedanken bringt das Gesetz in Art. 59 Abs. 1 und 3 AVIG zum Ausdruck (BGE 112 V 398 Erw. 1a, 111 V 271 ff. und 400 Erw. 2b; ARV 1993/1994 Nr. 6 S. 44 Erw. 1 mit Hinweisen). Auf die diesbezügliche Darlegung der Rechtsprechung durch die Vorinstanz wird verwiesen. 
1.2 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Arbeitslosenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), sind die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar (BGE 129 V 4 Erw. 1.2). 
2. 
2.1 Das beco hat sich in seinem Einspracheentscheid vom 22. April 2003 auf den Standpunkt gestellt, die Vermittlung der Versicherten könne nicht als aus arbeitsmarktlichen Gründen stark erschwert oder gar verunmöglicht bezeichnet werden. Die Arbeitslosigkeit liege nicht in ungenügenden fachlichen Qualifikationen, sondern vielmehr in der allgemein ungünstigen Konjunkturlage begründet. Das Kursgesuch müsse auch deshalb abgelehnt werden, weil Grundausbildung und allgemeine Förderung der beruflichen Weiterbildung nicht Sache der Arbeitslosenversicherung seien. Die fraglichen Kurse würden zur berufsüblichen Weiterbildung gehören und die arbeitsmarktliche Indikation nicht erfüllen. Insbesondere sei unwahrscheinlich, dass die Vermittelbarkeit durch einen im Hinblick auf ein konkretes Ziel absolvierten Kursbesuch im Einzelfall tatsächlich und in erheblichem Masse gefördert werde. Es gehe bei der Versicherten nicht um die Behebung eines Defizits auf Grund der wirtschaftlichen oder technischen Entwicklung, sondern um einen zusätzlichen und neuen Bereich, welcher zur persönlichen Weiterbildung gehöre. In seiner Vernehmlassung zur vorinstanzlichen Beschwerde führte das beco weiter aus, die Beschwerdeführerin verfüge über sehr gute Kenntnisse und Erfahrung im PC-Bereich und auch im Bereich der Sprachen seien keine krassen Defizite ersichtlich. Sie verfüge zudem über eine breite, vielfältige und praxisorientierte Berufserfahrung. In Anbetracht der Bildung und der Berufserfahrung liege daher keine stark erschwerte oder gar unmögliche Vermittelbarkeit vor. Die Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche könnten nicht mit dem Ausbildungsstand der Versicherten begründet und ihre Vermittelbarkeit mit den fraglichen Kursen daher nicht im erforderlichen Mass verbessert werden. Die Weiterbildung in einer Fremdsprache sei zwar generell von Vorteil und die Kurse seien grundsätzlich sinnvoll. Die Finanzierung dieser Weiterbildungen seien aber nicht Sache der Arbeitslosenversicherung. 
Im angefochtenen Entscheid vom 8. September 2003 gelangte die Vorinstanz zum Schluss, trotz der angespannten Arbeitsmarktlage könne nicht angenommen werden, der Besuch der beantragten Kurse würden sich aus objektiven Gründen des Arbeitsmarktes aufdrängen. Die Beschwerdeführerin verfüge über eine den berufsspezifischen Anforderungen genügende Ausbildung. Es sei davon auszugehen, dass sie sowohl hinsichtlich der Französischkenntnisse als auch im Bereich der Informatik über gute Kenntnisse verschiedenster PC-Programme verfüge. Der Besuch der beantragten Kurse würde die Vermittlungsfähigkeit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit tatsächlich und in erheblichem Masse fördern. Sie seien eher als allgemeine Weiterbildung zu betrachten, welche hauptsächlich auf die bildungsmässige, soziale und wirtschaftliche Verbesserung der Situation der Beschwerdeführerin abzielten. Auch unter subjektiven Gesichtspunkten sollte M.________ in der Lage sein, eine Stelle als Ökonomin zu finden. Demgegenüber sei indessen aus den Akten auch zu entnehmen, dass die Versicherte ihre hohe Fachkompetenz offensichtlich deshalb nicht verwerten könne, weil sie gegenüber Arbeitskollegen und Vorgesetzten oder potenziellen Arbeitgebern einen harschen Ton anzuschlagen scheine, mit welchem sie sich das Wohlwollen Dritter verderbe. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt seien somit nicht auf Grund mangelnder fachlicher Qualifikationen sondern wegen der ungenügenden sozialen Kompetenz eingeschränkt. 
2.2 Aus dem Lebenslauf und den Akten ist ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin ihre im Grundstudium erworbenen Kenntnisse zum Teil schon während der Studienzeit durch praktische Erfahrungen in verschiedenen Bereichen ergänzte. Nach Abschluss ihres Studiums der Ökonomie hat sie sich an verschiedenen Universitäten und Schulen weitergebildet. Insbesondere begann die Beschwerdeführerin ein Doktorandenstudium vorerst im Ausland, danach in der Schweiz und überdies erwarb sie in dieser Zeit auch Lehrerfahrungen. 
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde macht die Versicherte geltend, zur Ablehnung der meisten ihrer Bewerbungen hätten ihre mangelnden bis fehlenden Kenntnisse in Französisch und im betriebswirtschaftlichen und spezifisch angewandten Informatik-Bereich geführt. Sie bestreitet, wegen mangelnder Sozialkompetenz keine Stelle zu finden. In Arbeitszeugnissen werde ausdrücklich ihre gute Integrations- und Teamfähigkeit hervorgehoben. Ohne abgeschlossene Dissertation habe sie jedoch so gut wie keine Chancen, eine Forschungsstelle zu bekommen. Auch habe sie kaum praxisrelevante Berufserfahrungen und ihre Ausbildung werde auf dem Arbeitsmarkt im Allgemeinen als zu theorielastig angesehen. In den Bereichen Betriebswirtschaft und Informatik habe sie sich seit dem Abschluss des Grundstudiums 1991 nicht mehr weitergebildet und habe entsprechenden Qualifizierungsbedarf. Auch ihre Französischkenntnisse seien erwiesenermassen unterdurchschnittlich. 
2.3 Die zur Förderung der Umschulung, Weiterbildung oder Eingliede-rung bestimmten finanziellen Leistungen der Arbeitslosenversicherung setzen voraus, dass die Vermittlung der versicherten Person aus Gründen des Arbeitsmarktes unmöglich oder stark erschwert ist und dass die arbeitsmarktlichen Massnahmen die Vermittlungsfähigkeit verbessern (vgl. Erw. 1.1). 
Der Beschwerdeführerin steht von ihren Fähigkeiten her hauptsächlich die Ökonomieforschung im universitären Rahmen offen. Da solche Stellen jedoch einerseits ausgesprochen selten sind und andererseits die Chancen, ohne abgeschlossene Dissertation überhaupt eine Forschungsstelle zu bekommen, besonders gering sein dürften, besitzt die Beschwerdeführerin von vornherein nur in einem sehr begrenzten Segment des Arbeitsmarktes echte Anstellungsaussichten. Es gilt daher, ihr vorhandenes theoretisches Wissen auf eine praktische Grundlage zu stellen, welche sie befähigt, sich auf breiterer Basis zu bewerben, und sei es auch für wissenschaftlich weniger anspruchsvolle Stellen. Solcherorts könnte die Beschwerdeführerin ihre Kenntnisse zwar nutzen, hätte aber auch Arbeiten zu leisten, die mit ihrer bisherigen spezialisierten wissenschaftlichen Ausbildung nicht in Zusammenhang stehen. Die Kenntnisse, die sie durch die beantragten Kurse erlangen möchte, könnten gerade entscheidend dafür sein, dass sie auf dem Arbeitsmarkt eine solche Stelle findet. Allerdings gehen nur die zum betriebswirtschaftlichen sowie angewandten Informatik-Bereich zählenden Lehrgänge, nicht aber die Französischkurse zulasten der Arbeitslosenversicherung. Denn es gehört zum üblichen Bildungsstand einer Akademikerin in der Schweiz, über ausreichend beruflich verwertbare Kenntnisse der zweiten Landessprache zu verfügen. Die Kosten für Sprachkurse sind von der Arbeitslosenversicherung daher nicht zu übernehmen. 
3. 
Die im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführerin erfüllt die Voraussetzungen, unter denen einer in eigener Sache prozessierenden Partei ausnahmsweise eine Entschädigung für persönlichen Arbeitsaufwand und Umtriebe zusteht, nicht (BGE 110 V 81 Erw. 7 und 134 ff. Erw. 4d und 7). - Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 134 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 8. September 2003, der Einspracheentscheid des beco vom 22. April 2003 und die Verfügungen der Regionalen Arbeitsvermittlung (RAV) Bern und Mittelland vom 17. Dezember 2002 insoweit aufgehoben, als festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin im Sinne der Erwägungen, Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung für die Teilnahme an den beantragten Kursen im betriebswirtschaftlichen sowie im angewandten Informatik-Bereich als arbeitsmarktliche Massnahmen hat. 
2. 
Die Sache wird an den Beschwerdegegner zurückgewiesen, damit er in masslicher Hinsicht über den Leistungsanspruch verfüge. 
3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigung zugesprochen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem beco Berner Wirtschaft, Arbeitslosenkasse, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 23. Februar 2005 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: