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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1F_3/2023  
 
 
Urteil vom 18. Juli 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Müller, Merz, 
Gerichtsschreiber Pfäffli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Gesuchsteller, 
 
gegen  
 
1. B.________, Untersuchungsamt Gossau, Sonnenstrasse 4a, 9201 Gossau SG, 
2. C.________, Kreisgericht St. Gallen, 
Bohl 1, 9004 St. Gallen, 
Gesuchsgegner, 
 
Kreisgericht St. Gallen, 
regionales Zwangsmassnahmengericht, 
Bohl 1, 9001 St. Gallen, 
Anklagekammer des Kantons St. Gallen, 
Klosterhof 1, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 9. Januar 2023 (1B_3/2023), (Entscheid AK.2022.401-AK, AK.2022.402-AK, AK.2022.403-AK, AK.2022.404-AK, AK.2022.405-AK, AK.2022.406-AP). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Untersuchungsamt Gossau führt gegen A.________ ein Strafverfahren wegen des Verdachts des gewerbsmässigen Betrugs, der Fälschung von Ausweisen, der Erschleichung einer falschen Beurkundung sowie der unwahren Angaben gegenüber Handelsregisterbehörden. Die Kantonspolizei Thurgau nahm A.________ am 28. September 2022 fest. Mit Entscheid vom 1. Oktober 2022 ordnete der regionale Zwangsmassnahmenrichter am Kreisgericht St. Gallen Untersuchungshaft bis vorläufig längstens am 29. Dezember 2022 an. Dagegen erhob A.________am 10. Oktober 2022 selbständig Beschwerde. Zudem stellte er ein Ausstandsgesuch gegen den verfahrensleitenden Staatsanwalt und den Zwangsmassnahmenrichter; beide zeigte er zudem wegen strafbaren Handlungen an. Am 14. Oktober 2022 erhob der Verteidiger von A.________ ebenfalls Beschwerde gegen den Haftentscheid und beantragte die sofortige Haftentlassung. Ausserdem stellte er den Antrag, dass er auch für das Beschwerdeverfahren als amtlicher Verteidiger von A.________einzusetzen sei. Die Anklagekammer des Kantons St. Gallen vereinigte die verschiedenen Verfahren und hiess mit Entscheid vom 16. November 2022 das Gesuch um amtliche Verteidigung gut, wies die Beschwerde gegen den Entscheid des regionalen Zwangsmassnahmenrichters vom 1. Oktober 2022 sowie das Ausstandsgesuch gegen den Staatsanwalt und den regionalen Zwangsmassnahmenrichter ab, trat auf das Ausstandsgesuch gegen Kantonspolizisten nicht ein und erteilte keine Ermächtigung zur Eröffnung von Strafverfahren gegen den Staatsanwalt und den regionalen Zwangsmassnahmenrichter. 
Dagegen erhob A.________ mit Eingabe vom 27. Dezember 2022 (Übergabe an Gefängnismitarbeiter am 2. Januar 2023) Beschwerde. Mit Urteil 1B_3/2023 vom 9. Januar 2023 trat das Bundesgericht auf die Beschwerde nicht ein. Es führte zusammenfassend aus, fristauslösend für die Beschwerde ans Bundesgericht sei die Zustellung des angefochtenen Entscheids an den amtlichen Verteidiger. Seine Beschwerde vom 2. Januar 2023 sei nicht innerhalb der Beschwerdefrist erhoben worden. Da im Verfahren betreffend Anordnung und Verlängerung der Untersuchungshaft der Fristenstillstand im Sinne von Art. 46 Abs. 1 BGG nicht zur Anwendung komme, sei auf die Beschwerde gegen den Haftentscheid wegen Verspätung nicht einzutreten. Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Ausstandsgesuchs und die Verweigerung der Ermächtigung zur Eröffnung von Strafverfahren richte, sei sie zwar rechtzeitig erhoben worden, genüge indessen den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG offensichtlich nicht. 
 
2.  
Mit Eingabe vom 3. Februar 2023 ersucht A.________ um "Wiederherstellung/Revision/Berichtigung" des bundesgerichtlichen Urteils 1B_3/2023. Mit der Anrufung von Art. 49 BGG macht er sinngemäss eine mangelhafte Eröffnung des angefochtenen Entscheids geltend. Zusammengefasst beanstandet er, dass der angefochtene Entscheid der Anklagekammer ihm persönlich und direkt zugestellt worden sei. Er hätte daher davon ausgehen können, dass die Zustellung an ihn fristauslösend gewesen sei. Im Weiteren habe die Rechtsmittelbelehrung keinen Hinweis enthalten, wonach in Haftsachen der Fristenstillstand nicht zur Anwendung komme. 
 
3.  
3.1 Gemäss Art. 61 BGG erwachsen Entscheide des Bundesgerichts am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft. Das Gericht kann ein Urteil nicht frei in Wiedererwägung ziehen; es kann im Rahmen einer Revision darauf zurückkommen, wenn einer der gesetzlichen Revisionsgründe (Art. 121 ff. BGG) geltend gemacht wird. Ebenso kann gemäss Art. 50 Abs. 1 BGG eine versäumte Frist wiederhergestellt werden, wenn eine Partei (durch einen anderen Grund als die mangelhafte Eröffnung; Art. 49 BGG) unverschuldeterweise abgehalten worden ist, fristgerecht zu handeln, sofern die Partei unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachholt. Die Wiederherstellung kann auch nach Eröffnung des Urteils bewilligt werden; wird sie bewilligt, so wird das Urteil aufgehoben (Art. 50 Abs. 2 BGG). 
3.2 Auf die Wiederherstellung der Frist ist nur zu erkennen, wenn die Säumnis auf ein unverschuldetes Hindernis, also auf die objektive oder subjektive Unmöglichkeit, rechtzeitig zu handeln, zurückzuführen ist. War die gesuchstellende Person wegen eines von ihrem Willen unabhängigen Umstands verhindert, zeitgerecht zu handeln, liegt objektive Unmöglichkeit vor. Subjektive Unmöglichkeit wird angenommen, wenn zwar die Vornahme einer Handlung objektiv betrachtet möglich gewesen wäre, die betroffene Person aber durch besondere Umstände, die sie nicht zu verantworten hat, am Handeln gehindert worden ist. Die Wiederherstellung ist nach der bundesgerichtlichen Praxis nur bei klarer Schuldlosigkeit zu gewähren (Urteile 9F_16/2019 vom 27. August 2019 E. 2.2; 5G_2/2016 vom 20. Mai 2016 E. 1.2; 2C_752/2013 vom 2. Mai 2014 E. 3.4). 
3.3 Der fragliche Entscheid der Anklagekammer wurde unbestrittenermassen sowohl dem Beschwerdeführer am 2. Dezember 2022 als auch dessen amtlichen Verteidiger, der ihn am 25. November 2022 entgegennahm, zugestellt. Im Mitteilungssatz des angefochtenen Entscheids wurde zuerst der amtliche Verteidiger und dann der Beschwerdeführer aufgeführt. Gemäss Art. 87 Abs. 3 StPO erfolgt die rechtsgültige Zustellung an Parteien, die einen Rechtsbeistand bestellt haben, an diesen. Dies gilt nach langjähriger Praxis auch in Fällen, in denen wie hier der Partei ein amtlicher Verteidiger bestellt wurde (Urteil 1B_700/2011 vom 7. Februar 2012 E. 2.1). Somit hat die Anklagekammer ihren Entscheid rechtskonform dem amtlichen Verteidiger zugestellt. Entgegen der Auffassung des Gesuchstellers erwies sich auch die Rechtsmittelbelehrung der Anklagekammer als korrekt. Sie wies darauf hin, dass innert 30 Tagen eine Beschwerde zu erheben sei. Weshalb sie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben den Gesuchsteller darauf hätte hinweisen müssen, dass der Fristenstillstand nicht zur Anwendung kommt, ist weder ersichtlich noch wird dies vom Gesuchsteller aufgezeigt (vgl. Urteil 1C_7/2016 vom 8. Februar 2016 E.4). Der fragliche Entscheid der Anklagekammer wurde somit nicht, wie der Gesuchsteller sinngemäss geltend macht, mangelhaft im Sinne von Art. 49 BGG eröffnet. 
3.4 Der Gesuchsteller vermag mit seinen Ausführungen nicht aufzuzeigen, dass er unverschuldeterweise abgehalten worden wäre, seine Haftbeschwerde innert der gesetzlichen Beschwerdefrist einzureichen. Wie ausgeführt, war einzig die Zustellung an den amtlichen Verteidiger rechtsgültig und damit auch fristauslösend. Der Gesuchsteller wusste, dass der angefochtene Entscheid - wie in Art. 87 Abs. 3 StPO vorgeschrieben - seinem amtlichen Verteidiger zugestellt wurde, da dieser im Mitteilungssatz des angefochtenen Entscheids an erster Stelle aufgeführt wurde. Ausserdem muss eine vertretene Partei, die selbst einen Entscheid erhält, annehmen, dass die Behörde ihrem Vertreter den Entscheid ebenfalls zugestellt hat. Der Gesuchsteller durfte daher nicht davon ausgehen, dass die an ihn erfolgte Zustellung fristauslösend wirkte, vielmehr hätte er sich bei seinem amtlichen Vertreter entsprechend informieren müssen. Gleich verhält es sich bei der vom Gesuchsteller beanstandeten Rechtsmittelbelehrung, die, wie bereits ausgeführt, nicht zu beanstanden ist. Allein die Unkenntnis von Rechtsregeln stellt keinen Anlass zur Fristwiederherstellung dar. Ein entschuldbarer Grund, der es dem Gesuchsteller verunmöglicht hätte, seine Haftbeschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer rechtzeitig einzureichen, ist nicht ersichtlich. Das Fristwiederherstellungsgesuch ist abzuweisen. 
 
4.  
Der Gesuchsteller beruft sich auf keinen Revisionsgrund und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern das bundesgerichtliche Urteil 1B_3/2023 an einem Revisionsgrund leiden sollte. Auf das Revisionsgesuch ist deshalb ohne Schriftenwechsel (Art. 127 BGG) nicht einzutreten. 
 
5.  
Auf eine Kostenauflage ist ausnahmsweise zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Das Fristwiederherstellungsgesuch wird abgewiesen. 
 
2.  
Auf das Revisionsgesuch wird nicht eingetreten. 
 
3.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kreisgericht St. Gallen, regionales Zwangsmassnahmengericht, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. Juli 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Pfäffli