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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_86/2014 {T 0/2}  
   
   
 
 
 
Urteil vom 24. Juni 2014  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin, 
Bundesrichter Frésard, Maillard, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 19. November 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1963 geborene A.________ war Gartenarbeiter bei der Firma D.________ AG und damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch unfallversichert. Am 4. Februar 2009 verletzte er sich bei der Arbeit am rechten Knie. Die SUVA kam für die Heilbehandlung und das Taggeld auf. Am 27. März 2009 wurde der Versicherte im Spital E._________ operiert, wobei eine anterio-posteriore Instabilität bei Kreuzbandinsuffizienz/Ruptur rechts, eine mediale Meniskushornläsion und eine Chondropathie medialer Femurkondylus III-IV diagnostiziert wurden. Am 12. Juni 2009 erfolgte im Spital E._________ eine erneute Knieoperation rechts (Exzision der Wundränder, Débridieren, primärer Hautverschluss). Weiter wurden in diesem Spital am 4. Januar 2010 eine valgisierende Tibiaosteotomie und am 3. Oktober 2010 ein Wunddébridement mit vorzeitiger Metallentfernung am Unterschenkel rechts durchgeführt. Mit Verfügung vom 19. September 2011 stellte die SUVA die Taggeldleistungen und die Heilbehandlung per 30. November 2011 ein und verneinte den Anspruch auf weitere Geldleistungen (Invalidenrente, Integritätsentschädigung). Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 13. April 2012 ab. 
 
B.   
Die hiegegen geführte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 19. November 2013 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt der Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die SUVA zu verpflichten, ihm eine vollschichtige (recte wohl: ganze) Invalidenrente zuzusprechen; eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zur Durchführung eines bi- oder monodisziplinären Gutachtens zurückzuweisen; es sei ein zweiter Schriftenwechsel durchzuführen. Ferner verlangt der Versicherte die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
Die SUVA schliesst auf Beschwerdeabweisung. Mit Eingabe vom 19. Mai 2014 hält der Versicherte an seinen Rechtsbegehren fest. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren beanstandeten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). 
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2.   
Die Vorinstanz hat die Grundlagen über den für die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers (Art. 6 Abs. 1 UVG) erforderlichen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111), die Voraussetzungen für den Fallabschluss (Art. 19 Abs. 1 UVG; BGE 134 V 109 E. 4 S. 113 ff.) sowie den Anspruch auf Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG) und Integritätsentschädigung (Art. 24 f. UVG; Art. 36 UVV) richtig dargelegt. Gleiches gilt zur Bestimmung der Invalidität nach dem Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG) und zum Beweiswert von Arztberichten (BGE 135 V 465, 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Darauf wird verwiesen. 
 
3.   
Die Vorinstanz hat in Würdigung der medizinischen Akten mit einlässlicher Begründung - auf die verwiesen wird - erkannt, dass der Fallabschluss per 30. November 2011 nicht zu beanstanden sei. Der Bericht des Kreisarztes Dr. med. B.________, Facharzt FMH für physikalische Medizin und Rehabilitation, vom 25. Juli 2011 erfülle die Anforderungen an eine rechtsgenügliche medizinische Beurteilungsgrundlage. Gestützt hierauf sei der Versicherte in der angestammten Arbeit im Gartenbau nicht mehr arbeitsfähig; in einer mittelschweren wechselbelastenden Tätigkeit sei er ganztags arbeitsfähig; zudem erreichten die objektivierbaren Unfallfolgen nicht das Ausmass für die Ausrichtung einer Integritätsentschädigung. Soweit die geklagten Beschwerden psychischer Natur oder nicht hinlänglich einem (unfallbedingten) organischen Substrat zuzuordnen seien, seien sie nicht adäquat unfallkausal (BGE 115 V 133). 
 
Der Versicherte erhebt keine Rügen, welche die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen zum Gesundheitsschaden als unrichtig oder unvollständig (Art. 97 Abs. 2 BGG) oder den angefochtenen Entscheid als rechtsfehlerhaft nach Art. 95 BGG erscheinen lassen. Festzuhalten ist Folgendes: 
 
4.  
 
4.1. Der Versicherte wendet ein, er leide - wie in den ärztlichen Berichten wiederholt festgehalten worden sei - an einer Chondropathie bzw. Chondromalazie 3. und 4. Grades (zur synonymen Bedeutung dieser Begriffe vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 2012, 263. Aufl., Berlin 2011, S. 378). Dies sei Ursache grösster Schmerzen, die sich auch auf die Konzentrationsfähigkeit auswirkten (Engelhardt, Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie, www.lexikon-orthopädie.com). Vor diesem Hintergrund erstaunten die Ansichten des Kreisarztes Dr. med. B.________ vom 25. Juli 2011, die Schmerzen könnten aus medizinischer Sicht nicht ganz nachvollzogen werden. Er habe die Chondromalazie wohl in der Aktenzusammenstellung, jedoch nicht bei den Befunden seines Arztberichts erwähnt. Er habe mithin entscheidende Merkmale des Leidensbildes bzw. den somatischen Befund für das Schmerzbefinden übersehen. Sei dem aber so, lägen auch nur geringste Zweifel an der Beurteilung des versicherungsinternen Arztes Dr. med. B.________ vor, weshalb eine verwaltungsexterne Begutachtung anzuordnen sei. Ohne Mitwirkung eines medizinischen Fachrichters sei die Vorinstanz nicht in der Lage gewesen, die Auswirkung der Chondromalazie hinreichend zu würdigen. Demnach habe sie das Beschleunigungsgebot (Art. 6 EMRK) verletzt, indem sie kein medizinisches Gutachten in Auftrag gegeben habe (BGE 137 V 210). Zudem liege eine Verletzung der Offizialmaxime vor (Art. 43 und 61 lit. c ATSG).  
 
4.2. Diesen Vorbringen ist mit der Vorinstanz entgegenzuhalten, dass Dr. med. C.________, FMH Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates FA Sportmedizin SGSM, Spital E._________, im Bericht vom 16. Dezember 2011 darlegte, die Skelettszintigrafie zeige eine leichte Anreicherung femorotibial medial entsprechend der Chondropathie sowie auch eine Anreicherung über dem Osteotomiespalt an der proximalen Tibia umschrieben medialseitig; ansonsten unauffällig. Er habe dem Versicherten empfohlen, sich eine leichtere Arbeit zu suchen im Sinne der Beurteilung des SUVA-Kreisarztes, welcher er sich anschliesse.  
 
Dr. med. C.________ bestätigte mithin nach weiterer bildgebender Abklärung und unter ausdrücklicher Berücksichtigung der bestehenden Chondropathie die Einschätzung des Kreisarztes Dr. med. B.________ vom 25. Juli 2011 betreffend die Arbeitsfähigkeit des Versicherten. In diesem Lichte bestehen keine Anhaltspunkte, die auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der Feststellungen des Dr. med. B.________ wecken (vgl. BGE 135 V 465). Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass von weiteren medizinischen Abklärungen keine neuen entscheidrelevanten Ergebnisse mehr zu erwarten sind, weshalb darauf zu verzichten ist; dies verstösst weder gegen den Untersuchungsgrundsatz noch gegen den Gehörsanspruch (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_468/2013 vom 24. Februar 2014 E. 5.3.2). Nach dem Gesagten wurde der Sachverhalt - entgegen der Auffassung des Versicherten - weder in Verletzung des Art. 6 EMRK noch der in BGE 137 V 210 statuierten Regeln ermittelt. 
 
5.  
 
5.1. Der Versicherte bringt weiter vor, mit Entscheid vom 19. November 2013 habe die Vorinstanz die IV-Stelle des Kantons Zürich verpflichtet, die Arbeitsvermittlung neu durchzuführen. Solange aber der Entscheid der IV-Stelle über allfällige Eingliederungsmassnahmen noch ausstehe, fehle ein wesentliches Element zur endgültigen Bestimmung der Invalidität nach Art. 18 Abs. 2 UVG. Diesfalls habe die SUVA eine Übergangsrente auszurichten. Es liege ein Verletzung von Art. 19 UVG und Art. 30 UVV vor.  
 
5.2. Der Unfallversicherer hat den Fall (unter Einstellung von Heilbehandlung und Taggeld sowie Prüfung des Anspruchs auf eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung) abzuschliessen, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes der versicherten Person erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind (Art. 19 Abs. 1 UVG; BGE 134 V 109 E. 4.1 S. 113). Ob eine namhafte Besserung noch möglich ist, bestimmt sich insbesondere nach Massgabe der zu erwartenden Steigerung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, soweit diese unfallbedingt beeinträchtigt ist. Für die Einstellung der vorübergehenden Leistungen braucht der Entscheid der Invalidenversicherung über Eingliederungsmassnahmen indessen nicht abgewartet zu werden (Urteil 8C_588/2013 vom 16. Januar 2014 E. 3.1 und 3.3).  
 
5.3.  
 
5.3.1. Wird der Entscheid der Invalidenversicherung über die (berufliche) Eingliederung erst später gefällt, kann dies Anlass für eine das Taggeld ablösende Übergangsrente nach Art. 19 Abs. 3 UVG in Verbindung mit Art. 30 UVV bilden. Damit eine solche Übergangsrente ausgerichtet werden kann, muss der ausstehende Entscheid der Invalidenversicherung über die berufliche Eingliederung Vorkehren beschlagen, welche einer Eingliederungsproblematik aufgrund eines unfallkausalen Gesundheitsschadens gelten. Praxisgemäss kann sich sodann der in Art. 19 Abs. 1 erster Satz UVG vorbehaltene Abschluss allfälliger Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung, soweit es um berufliche Massnahmen geht, nur auf Vorkehren beziehen, welche geeignet sind, den der Invalidenrente der Unfallversicherung zu Grunde zu legenden Invaliditätsgrad zu beeinflussen (RKUV 2004 Nr. U 508 S. 265, U 105/03, E. 5.2.2). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen braucht es konkrete Anhaltspunkte (Urteil 8C_588/2013 E. 3.4).  
 
5.3.2. Der vorinstanzliche Einkommensvergleich ergab einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 6,65 % (Art. 18 Abs. 1 UVG). Demnach konnten allfällige Eingliederungsmassnahmen das der Invaliditätsbemessung der SUVA gestützt auf die medizinischen Abklärungen zugrunde gelegte Invalideneinkommen bzw. den die Invalidenrente der Unfallversicherung bestimmenden Invaliditätsgrad nicht rechtsrelevant beeinflussen. Die Vorinstanz hat den Anspruch auf eine Übergangsrente demnach zu Recht verneint (vgl. auch Urteil 8C_588/2013 E. 3.5).  
 
5.3.3. Unbehelflich ist der pauschale Einwand des Versicherten, im Rahmen der Überentschädigung gelte es, das grosse IV-Taggeld mit den IV-Taggeldern im Sinne der sachlichen Kongruenz nach Art. 74 ATSG zu verrechnen.  
 
6.   
Gegen die vorinstanzliche Verneinung des Anspruchs auf eine Integritätsentschädigung und der adäquaten Unfallkausalität des nicht organischen Gesundheitsschadens erhebt der Versicherte keine substanziierten Einwände. 
 
 
7.   
Der unterliegende Versicherte trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 2 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann entsprochen werden (Art. 64 BGG). Es wird indessen auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach er der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn er später dazu in der Lage ist. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Philip Stolkin wird als unentgeltlicher Anwalt des Beschwerdeführers bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 24. Juni 2014 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Leuzinger 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar