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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_814/2020  
 
 
Urteil vom 11. August 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Fürsprecher Pasquino Bevilacqua, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Beschwerdegegnerin, 
2. B.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellung (Sachbeschädigung), Rückweisung an die Staatsanwaltschaft; Nichteintreten, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 4. Juni 2020 (BK 20 123). 
 
 
Der Präsident zieht in Erwägung:  
 
1.   
Der Beschwerdeführer und der Beschwerdegegner leben im gleichen Mehrfamilienhaus, zu welchem eine gemeinsame Einstellhalle gehört. Der Beschwerdegegner wirft dem Beschwerdeführer vor, seit dem Jahre 2013 Beschädigungen an seinem Personenwagen und anderen ihm gehörenden Gegenständen vorgenommen zu haben. Seit dem 20. Februar 2018 überwacht der Beschwerdegegner mit einer in seinem eigenen Fahrzeug angebrachten Kamera seinen Einstellplatz, wobei je nach Positionierung der Kamera auch weitere Teile der Einstellhalle sichtbar sind. Am 10. September 2019 wurde der Beschwerdeführer mit Strafbefehl wegen Sachbeschädigung verurteilt. Auf dessen Einsprache hin hob das Regionalgericht Emmental-Oberaargau am 8. Oktober 2019 den Strafbefehl auf und wies den Fall wegen Verletzung des Anklagegrundsatzes an die Staatsanwaltschaft zurück, welche das Strafverfahren am 13. März 2020 einstellte. Das Obergericht des Kantons Bern hiess die dagegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdegegners mit Beschluss vom 4. Juni 2020 gut und wies die Regionale Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau an, das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Sachbeschädigung fortzuführen. 
Mit Strafrechtsbeschwerde an das Bundesgericht beantragt der Beschwerdeführer, der Beschluss vom 4. Juni 2020 sei aufzuheben und das gegen ihn angehobene Strafverfahren sei einzustellen. Die Angelegenheit sei zur Neuverlegung der Verfahrens- und Parteikosten vor den kantonalen Instanzen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
2.   
Der angefochtene Beschluss erging als Rückweisungsbeschluss, welcher in der Regel als Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 92 bzw. 93 BGG zu qualifizieren ist. Wenn jedoch der unteren Instanz, an welche die Sache zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt und die Rückweisung nur noch der (rechnerischen) Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient, handelt es sich in Wirklichkeit um einen Endentscheid (vgl. BGE 138 I 143 E. 1.2; 134 II 124 E. 1.3 mit Hinweisen). Dies ist hier entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht der Fall. Die Vorinstanz erwägt im angefochtenen Beschluss, dass die Frage der Verwertbarkeit der Überwachungsvideos nicht offengelassen werden könne. Es sei nicht an ihr, diese Frage als erste Instanz selber zu entscheiden, zumal auch noch Klärungsbedarf betreffend die Einwilligung der Eigentümer in diese Überwachung zu bestehen scheine. Eine Einstellung könne bei dieser Ausgangslage nicht erfolgen, weshalb die Beschwerde gutzuheissen und die Staatsanwaltschaft anzuweisen sei, das Verfahren im Sinne der Erwägungen weiterzuführen (vgl. Beschluss S. 4). Damit wird das weitere Vorgehen der Staatsanwaltschaft - auch wenn diese durch den Rückweisungsbeschluss zur Fortführung des Strafverfahrens verpflichtet wird - nicht in einer Weise festgelegt, dass ihr keinerlei Entscheidungsspielraum mehr zustünde. Insbesondere ist auch nach der angeordneten Neubeurteilung und Ergänzung der Untersuchung eine Einstellung des Strafverfahrens nicht von vornherein ausgeschlossen. 
 
3.  
 
3.1. Der vorinstanzliche Rückweisungsbeschluss ist folglich kein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG und somit nur als Zwischenentscheid unter den Voraussetzungen von Art. 92 oder 93 BGG beim Bundesgericht anfechtbar. Da dieser weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betrifft (vgl. Art. 92 BGG), ist er nur anfechtbar, falls er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirkt (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen kann und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
3.2. Der Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 93 Abs. 1 lit. a und b BGG. Der angefochtene Rückweisungsbeschluss setze ihn einerseits einer "ungerechtfertigten Strafverfolgung" aus und bewirke dadurch einen irreparablen Nachteil. Bei Gutheissung der Beschwerde würde andererseits sofort ein Endentscheid herbeigeführt und damit ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beschwerdeverfahren erspart.  
 
3.3. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss rechtlicher Natur sein, damit das Bundesgericht auf die Beschwerde eintritt. Ein derartiger Nachteil liegt vor, wenn er auch durch einen günstigen späteren Entscheid nicht mehr behoben werden kann (BGE 144 IV 127 E. 1.3.1). Dies gilt namentlich, wenn der Zwischenentscheid nicht mehr vor Bundesgericht anfechtbar und daher der höchstrichterlichen Überprüfung entzogen ist (BGE 133 IV 139 E. 4). Dies ist hier nicht der Fall. Die Durch- bzw. Weiterführung eines Strafverfahrens begründet nach konstanter Rechtsprechung keinen Nachteil rechtlicher Natur im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, der sich mit einem für die beschuldigte Person günstigen Entscheid nicht beheben liesse (vgl. BGE 133 IV 139 E. 4 S. 141; Urteil 6B_492/2020 vom 29. Mai 2020 E. 3 mit Hinweisen). Die rechtliche Wirkung des angefochtenen Rückweisungsbeschlusses erschöpft sich in einer Weiterführung des von der Staatsanwaltschaft eröffneten Verfahrens, in deren Rahmen der Beschwerdeführer alle prozessualen Rechte wahrnehmen kann. Der vorinstanzliche Rückweisungsbeschluss ist unter dem Gesichtspunkt von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht anfechtbar.  
 
3.4. Eine Gutheissung der Beschwerde könnte vorliegend zwar sofort einen Endentscheid herbeiführen und würde damit Aufwand an Zeit oder Kosten für ein Beweisverfahren ersparen. Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG verlangt jedoch darüber hinaus, dass ein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart würde. Das Bundesgericht legt diese Voraussetzung im Strafverfahren restriktiv aus (BGE 133 IV 288 E. 3.2). Die Aufwendungen müssen über diejenigen eines gewöhnlichen Strafverfahrens hinausgehen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn ein komplexes oder gar mehrere Gutachten eingeholt, zahlreiche Zeugen befragt oder eine rogatorische Einvernahme im entfernteren Ausland durchgeführt werden müssten (vgl. Urteile 1C_595/2019 vom 27. Januar 2020 E. 3, 6B_1292/2019 vom 27. November 2019 E. 3.3, 6B_799/2018 vom 29. Januar 2019 E. 1.3 und 6B_927/2018 vom 8. Oktober 2018 E. 2.4). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das hier weiterzuführende Strafverfahren erscheint weder mit Blick auf den Sachverhalt noch auf die sich stellenden Rechtsfragen besonders komplex oder aufwändig. Inwiefern die Rückweisung zur weiteren Untersuchung aussergewöhnlich hohe Kosten verursachen oder ausserordentlich umfangreiche Beweiserhebungen erfordern sollte und damit insgesamt einen Aufwand an Zeit und Kosten generieren würde, welcher (deutlich) über denjenigen eines gewöhnlichen Strafverfahrens hinausginge, ist nicht ersichtlich. Daran ändern die Ausführungen in der Beschwerde zur noch durchzuführenden Visionierung der Videoaufnahmen, Konfrontation, parteiöffentlichen Befragung des Beschwerdeführers sowie zur Beweisabnahme und rechtlichen Beurteilung der Frage nach der Zulässigkeit und Verwertbarkeit der Videoaufnahmen nichts. Die Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG sind somit ebenfalls nicht erfüllt.  
 
4.   
Auf die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegner hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl. Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG und BGE 133 III 439 E. 4 S. 446). Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird mit dem Entscheid in der Sache gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt der Präsident:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 11. August 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill