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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_476/2011 
 
Urteil vom 30. November 2011 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, 
Gerichtsschreiberin Scherrer Reber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Willy Bolliger, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Nichtanhandnahmeverfügung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 29. Juni 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 11. März 2011 reichte X.________ beim Gerichtspräsidium Bremgarten Privatstrafklage gegen Y.________ ein wegen der Verletzung eines gerichtlichen Verbots. Diese Eingabe wurde als Strafantrag an die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten weitergeleitet. 
 
B. 
Nachdem die Beschuldigte den Tatvorwurf bestritten und X.________ auf entsprechende Aufforderung hin keine weiteren Beweismittel eingereicht hatte, verfügte die Staatsanwaltschaft am 20. Mai 2011, die Strafsache werde nicht an die Hand genommen. Diese Verfügung genehmigte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau am 23. Mai 2011. 
 
Dagegen gelangte der Anzeigeerstatter ans Obergericht des Kantons Aargau. Dessen Beschwerdekammer in Strafsachen wies die Beschwerde am 29. Juni 2011 ab. 
 
C. 
Mit seiner Beschwerde in Strafsachen vom 14. September 2011 beantragt X.________ dem Bundesgericht, das angefochtene Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Akten an die aargauische Staatsanwaltschaft zurückzuweisen zum Erlass eines Strafbefehls, eventualiter zur Anklageerhebung gegen Y.________. 
 
Y.________ hat sich nicht zur Angelegenheit vernehmen lassen. Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Aargau schliessen je unter Hinweis auf das angefochtene Urteil auf Abweisung der Beschwerde. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Mit dem angefochtenen Entscheid wird bestätigt, dass das vom Beschwerdeführer angestrebte Strafverfahren nicht anhand genommen wird. Damit ist das Verfahren abgeschlossen. Es handelt sich um einen Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Strafsache, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 BGG). 
 
2. 
2.1 Für den angefochtenen Entscheid vom 29. Juni 2011 gelten die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 81 BGG in der Fassung gemäss Anhang Ziff. II/5 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Januar 2011 (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG setzt eine Beschwerdeberechtigung der Privatklägerschaft voraus, dass der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. 
 
2.2 Jede Person ist berechtigt, Straftaten bei einer Strafverfolgungsbehörde schriftlich oder mündlich anzuzeigen (Art. 301 Abs. 1 StPO). Der anzeigenden Person, die weder geschädigt noch Privatklägerin oder Privatkläger ist, stehen keine weitergehenden Verfahrensrechte zu (Art. 301 Abs. 3 StPO). Insbesondere ist sie nicht berechtigt, Nichtanhandnahmeverfügungen der Staatsanwaltschaft mittels Beschwerde an die kantonale Beschwerdeinstanz (Art. 322 Abs. 2 i.V.m. Art. 310 Abs. 2 und Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO) anzufechten. 
 
2.3 Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin oder -kläger zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Der Strafantrag ist dieser Erklärung gleichgestellt (Art. 118 Abs. 2 StPO). Die Erklärung kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll abgegeben werden (Art. 119 Abs. 1 StPO). In ihrer Erklärung kann die Privatklägerschaft (kumulativ oder alternativ) die Verfolgung und Bestrafung der für die Straftat verantwortlichen Person verlangen ("Strafklage", Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO) und/oder adhäsionsweise privatrechtliche Ansprüche geltend machen, die aus der Straftat abgeleitet werden ("Zivilklage", Art. 119 Abs. 2 lit. b StPO). Die geschädigte Person kann zivilrechtliche Ansprüche aus der Straftat als Privatklägerschaft adhäsionsweise im Strafverfahren geltend machen (Art. 122 Abs. 1 StPO). Die in der Zivilklage erhobene Forderung ist nach Möglichkeit in der Erklärung der Parteistellung als Privatklägerschaft (Art. 118 i.V.m. Art. 119 StPO) zu beziffern und, unter Angabe der angerufenen Beweismittel, kurz schriftlich zu begründen (Art. 123 Abs. 1 StPO). 
 
2.4 Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz die Privatklägerschaft des Beschwerdeführers bejaht. Dieser wirft der Beschuldigten die unbefugte Benützung seiner Parzelle als Parkplatz, mithin eine Verletzung seines Eigentums vor. Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. 
 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, er habe in der Vergangenheit - namentlich vor Inkrafttreten der neuen StPO - rund 150 Anzeigen pro Jahr gegen Falschparkierer auf seiner Parzelle eingereicht. Immer wieder seien die von ihm verzeigten Personen durch das Gerichtspräsidium Bremgarten zur Rechenschaft gezogen worden. Nur weil jetzt die Staatsanwaltschaft zuständig sei, sei seinem Strafantrag nicht Folge geleistet worden. Das könne nicht sein. Unverständlich ist für ihn, dass die Vorinstanzen nicht die Akten dieser diversen Strafverfahren konsultiert haben. 
 
3.2 Bei der Frage, ob ein Strafverfahren über eine (definitive) Verfahrenseinstellung durch die Untersuchungsbehörde erledigt werden kann, gilt im schweizerischen Strafprozessrecht der Grundsatz "in dubio pro duriore". Danach darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft nur bei klarer Straflosigkeit bzw. offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen erfolgen (Urteil 1B_1/2011 vom 20. April 2011 E. 4 mit zahlreichen Hinweisen). In Zweifelsfällen hat hingegen eine Anklage und gerichtliche Beurteilung zu erfolgen (sofern der Fall nicht mit Strafbefehl erledigt werden kann). Auch nach neuer Eidg. StPO gilt dieser Grundsatz, der zwar nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist, sich aber indirekt aus Art. 324 Abs. 1 i.V.m. Art. 319 Abs. 1 StPO ergibt (vgl. Botschaft StPO, BBl 2006 S. 1273; ROLF GRÄDEL/MATTHIAS HEINIGER, in: Basler Kommentar StPO, Basel 2011, Art. 319 N. 8-11; NATHAN LANDSHUT, in: Zürcher Kommentar StPO, Zürich 2010, Art. 324 N. 5; ROBERT ROTH, in: CPP, Commentaire Romand, Basel 2011, Art. 319 N. 5; NIKLAUS SCHMID, Praxiskommentar StPO, Zürich 2009, Art. 319 N. 5). 
 
3.3 In seinem Strafantrag nannte der Beschwerdeführer den 31. Dezember 2010 um 17.58h als Tatzeitpunkt. Dazu reichte er ein Foto ein, auf dem das vordere Nummernschild (AG 000 000) eines blauen PWs zu sehen ist, der offenbar auf einem gelb markierten Parkfeld steht. Wo der Parkplatz liegt und wann genau das Bild aufgenommen wurde, ist nicht zu erkennen (act. 1 der Staatsanwaltschaft). 
 
3.4 Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Nichtanhandnahmeverfügung festgehalten, das vom Beschwerdeführer eingereichte Foto weise kein eingeblendetes Datum auf und es sei auch nicht ersichtlich, um welchen Parkplatz es sich handle. Die Beschuldigte selber bestreite den Sachverhalt. Die behauptete Straftat könne ihr nicht rechtsgenüglich nachgewiesen werden. 
 
Das Obergericht ist dieser Argumentation gefolgt. Es hat in Erwägung gezogen, die Beschuldigte habe den Tatbestand nicht anerkannt, sondern auf dem Formular der Anzeigeeröffnung vermerkt, sie wüsste nicht, dass sie an besagtem Tag ihr Auto auf diesem Parkplatz abgestellt hätte. Weiter habe sie festgehalten, damals sei ihr Mann mit dem Fahrzeug nach Deutschland unterwegs gewesen. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen der Akteneinsicht vom 19. Mai 2011 schriftlich unter Hinweis auf die verurkundete Fotografie erklärt, der Fall sei klar. Weitere Beweismittel habe er nicht eingereicht. Als Beilage zu seiner Beschwerde vor Obergericht habe er nochmals das beschriebene Foto eingereicht, das nun am unteren Rand mit dem Text: 
"PW GEFAHREN VON Y.________ GEB. 20.09.1974 31.12.2010 17:58:10 S ZEIT!" 
versehen sei. Überdies habe er eine Fotografie des Verbotsschilds (gemäss handschriftlichem Vermerk am 7. Juli 2008 aufgenommen) beigelegt. 
 
3.5 Ein Blick in die Akten bestätigt diese Darlegung des Sachverhalts. Entsprechend ist den kantonalen Behörden nicht vorzuwerfen, wenn sie den hinreichenden Tatverdacht i.S.v. Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO verneint haben. Zu Recht macht das Obergericht darauf aufmerksam, dass der Hinweis auf dem Foto nachträglich vom Beschwerdeführer angebracht worden ist. Eine automatisch generierte Angabe auf einem Foto nennt weder die Fahrzeughalterin noch deren Geburtsdatum. Aus dem Bild geht nicht hervor, wo das Fahrzeug genau steht. Unbehelflich ist darum auch das nachträglich am 6. August 2011 der Polizei eingereichte Foto mit der Digitalkamera, wo Uhrzeit und Datum auf dem Beweis-Bild zwar zu erkennen sind. Der Ausschnitt gibt keinerlei Aufschluss über die Örtlichkeit. Auch aus den vor Bundesgericht eingereichten Vergleichsbildern (Beschwerdebeilage 5) kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Mit dem Hinweis auf die angeblich identischen Ölflecke in anderen angezeigten Fällen kann er nicht belegen, dass das Auto der Beschwerdeführerin tatsächlich auf seinem Parkplatz gestanden hat, zumal der Bildausschnitt im hier anhängigen Fall noch viel kleiner ist als bei den übrigen Fotos. 
 
3.6 Der Vorwurf, die Behörden hätten sich nicht die Mühe gegeben, die Täterschaft der Beschuldigten genügend abzuklären, ist darum unbegründet. Aufgrund der Sachlage wären weitere Erhebungen fruchtlos geblieben. Die Nichtanhandnahme war gerechtfertigt. 
 
4. 
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer für die Kosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen, da sich die Beschuldigte nicht hat vernehmen lassen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Parteientschädigungen werden keine zugesprochen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 30. November 2011 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Die Gerichtsschreiberin: Scherrer Reber