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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1353/2017  
 
 
Urteil vom 3. September 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Rüedi, 
nebenamtliche Bundesrichterin Koch, 
Gerichtsschreiber Weber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einstellungsverfügung (Vergewaltigung, Entführung usw.), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 26. Oktober 2017 (SBK.2017.291). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 7. September 2017 stellte die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach das Verfahren gegen X.________ wegen Verleumdung, evtl. übler Nachrede und falscher Anschuldigung ein. Dagegen erhob A.________ Beschwerde. Mit Verfügung vom 20. September 2017 setzte die Verfahrensleitung des Obergerichts des Kantons Aargau A.________ eine Frist zur Bezahlung von Fr. 1'000.-- als Sicherheit für allfällige Kosten, worauf A.________ ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege stellte. Am 27. September 2017 wies das Obergericht des Kantons Aargau dieses Gesuch ab und forderte A.________ zur Zahlung einer reduzierten Sicherheit von Fr. 800.-- auf. Mit Entscheid vom 26. Oktober 2017 trat es auf die Beschwerde von A.________ nicht ein, weil dieser die Sicherheitsleistung innert Frist nicht bezahlt hatte. 
 
B.  
Gegen diesen Entscheid wendet sich A.________ mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt sinngemäss, die Verfügungen vom 20. September 2017 und vom 27. September 2017 sowie der Entscheid vom 26. Oktober 2017 seien aufzuheben und es sei ihm im kantonalen Verfahren und im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Privatkläger ist zur Beschwerde in Strafsachen nur legitimiert, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung seiner Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, muss der Privatkläger im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann, ansonsten ist auf seine Beschwerde nicht einzutreten. Unabhängig davon kann sich der Privatkläger auch wegen formeller Rechtsverweigerung beschweren (vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 ff. mit Hinweisen). Das erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich in diesem Fall nicht aus der Berechtigung in der Sache, sondern aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen (BGE 138 IV 78 E. 1.3 S. 80 mit Hinweisen). Der Privatkläger kann namentlich die Verletzung von Rechten rügen, die ihm als am Verfahren beteiligte Partei nach dem massgebenden Prozessrecht oder unmittelbar aufgrund der BV oder der EMRK zustehen (BGE 136 IV 29 E. 1.9 S. 40 mit Hinweisen).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer richtet sich gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und das oberinstanzliche Nichteintreten auf seine Beschwerde zufolge Nichtbezahlung der verlangten Sicherheitsleistung. Er bezweckt mit der Beschwerde in Strafsachen, dass die Vorinstanz das Verfahren materiell (und nicht bloss prozessual) beurteilt. Daher ist auf seine diesbezügliche Beschwerde einzutreten. Ebenfalls einzutreten ist auf die sinngemässe Beschwerde gegen den selbständig eröffneten Zwischenentscheid des Obergerichts vom 27. September 2017 betreffend Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege, denn dieser wirkt sich auf den Endentscheid aus (Art. 93 Abs. Abs. 3 BGG).  
Schliesslich ist auf die Beschwerde einzutreten, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Begründungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt. 
 
1.3. Hingegen ist auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers, die über seine Teilnahmerechte am Verfahren hinausgehen (so die unrichtige Feststellung des Sachverhalts, die antizipierte Beweiswürdigung [fehlende Befragungen, fehlender Aktenbeizug] sowie die fehlende Konfrontation der Parteien) nicht einzutreten, da er nicht darlegt, inwiefern sich der Entscheid auf welche Zivilforderungen auswirken könnte. Ebenfalls nicht einzutreten ist auf die Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend seine Anzeige vom 15. Februar 2016 wegen Morddrohungen und Beschimpfung. Diese Anzeige bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Entscheid verletze seinen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege gemäss Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 6 EMRK.  
 
2.2. Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 29 Abs. 3 BV). Diese Bestimmung soll jedem Betroffenen ohne Rücksicht auf seine finanzielle Situation tatsächlichen Zugang zum Gerichtsverfahren vermitteln und die effektive Wahrung seiner Rechte ermöglichen (BGE 131 I 350 E. 3.1). Art. 136 StPO konkretisiert die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für die Privatklägerschaft im Strafprozess. Nach Art. 136 Abs. 1 StPO ist der Privatklägerschaft die unentgeltliche Rechtspflege für die Durchsetzung ihrer Zivilansprüche ganz oder teilweise zu gewähren, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Die unentgeltliche Rechtspflege umfasst unter anderem die Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen sowie Verfahrenskosten (Art. 136 Abs. 2 lit. a und lit. b StPO).  
 
2.3. Die Vorinstanz weist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mit Verfügung vom 27. September 2017 ab. Sie erwägt, hinsichtlich der von ihm geltend gemachten Entführung und Vergewaltigung seiner Stieftochter sei der Beschwerdeführer nicht unmittelbar geschädigte Person im Sinne von Art. 118 i.V.m. Art. 115 StPO. Er könne sich in diesem Punkt nicht als Privatkläger am Verfahren beteiligen. Überdies sei seine Beschwerde aussichtslos, weil seine Stieftochter die behaupteten Straftaten nicht bestätigt habe. Weiter habe sich der Beschwerdeführer hinsichtlich der geltend gemachten Drohung lediglich als Strafkläger konstituiert und könne mangels Zivilklage keine unentgeltliche Rechtspflege beanspruchen (Art. 136 Abs. 1 lit. b StPO). Hinsichtlich der geltend gemachten Ehrverletzungsdelikte (Beschimpfungen nach Art. 177 StGB) geht die Vorinstanz davon aus, die Äusserung, der Beschwerdeführer beziehe Sozialhilfe, sei im konkreten Fall nicht ehrenrührig, da dies auch der Beschwerdeführer selbst behaupte. Mit der weiteren Aussage, der Beschwerdeführer habe mit der Stieftochter des Beschuldigten geschlafen, lasse sich voraussichtlich keine Genugtuungsforderung nach Art. 49 OR begründen, da eine allfällige Persönlichkeitsverletzung zu wenig schwer wiege. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege weist die Vorinstanz infolge fehlender Zivilklage und infolge Aussichtslosigkeit einer solchen ab.  
 
2.4. Der Beschwerdeführer setzt sich mit den Gründen für die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege im vorinstanzlichen Verfahren (fehlende Parteistellung, fehlende Zivilforderungen, fehlende Ehrenrührigkeit der Äusserungen) nicht auseinander. Er legte vor Vorinstanz nicht konkret dar, ob und mit welchen Zivilforderungen er sich am Verfahren beteiligen will. Auch im bundesgerichtlichen Verfahren substanziiert der Beschwerdeführer nicht ansatzweise, welche Zivilforderungen er gegenüber dem Beschuldigten erhebt. Vielmehr begnügt er sich damit, auf seine Bedürftigkeit als Mitglied einer sechsköpfigen Familie und den Umstand, dass es sich nicht um Bagatelldelikte handelt, hinzuweisen. Zwar mögen die vom Beschwerdeführer genannten Umstände in den in Art. 132 StPO genannten Fällen, wo es um die Frage der amtlichen Verteidigung einer beschuldigten Person geht, relevant sein. Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, dass der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege der Privatklägerschaft an andere, in Art. 136 StPO geregelte Voraussetzungen geknüpft sind. Zur Frage seiner Parteistellung oder zur Ehrenrührigkeit der Äusserungen, welche Verfahrensgegenstand bilden, äussert er sich vor Bundesgericht ebenfalls nicht. Seine Ausführungen genügen den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG nicht. Darauf ist nicht einzutreten.  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz verletze die Begründungspflicht und somit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör, indem sie auf die von ihm beanstandete fehlende örtliche, innerkantonale Zuständigkeit der erstinstanzlich verfügenden Behörde (Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach) nicht eingehe. Seiner Auffassung nach wäre die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten oder eventualiter Lenzburg-Aarau örtlich zuständig gewesen. Zudem sei sein Gehörsanspruch auch dadurch verletzt, dass die erste Instanz die Strafsache an die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach überwiesen habe, ohne ihn anzuhören.  
 
3.2. Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines Entscheids zur Sache zu äussern sowie der Anspruch auf eine Begründung des Entscheids (vgl. BGE 144 I 11 E. 5.3 S. 17 mit Hinweisen). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen die Gehörsverletzung nicht besonders schwer wiegt und dadurch geheilt wird, dass die Partei, deren rechtliches Gehör verletzt wurde, sich vor einer Instanz äussern kann, welche sowohl die Tat- als auch die Rechtsfragen uneingeschränkt überprüft (BGE 142 III 48 E. 4.1.1 S. 53 f.; 141 V 557 E. 3.1 S. 564; 135 I 279 E. 2.6.1 S. 285; je mit Hinweisen).  
 
3.3. Die Rügen des Beschwerdeführers sind nicht stichhaltig. Gemäss Art. 383 Abs. 2 StPO tritt die Rechtsmittelinstanz auf das Rechtsmittel nicht ein, sofern die Sicherheit nicht fristgerecht geleistet wird (vgl. zu den Voraussetzungen der Sicherheitsleistung BGE 144 IV 17 E. 2.2 S. 20 mit Hinweisen). Insoweit war grundsätzlich keine über die Feststellung des Nichterfüllens der Prozessvoraussetzung hinausgehende Begründung erforderlich. Zwar trifft die Rüge zu, dass der Beschwerdeführer sich im Verfahren vor der Staatsanwaltschaft nicht zur Überweisung äussern konnte und dass die Vorinstanz auf die bereits im vorinstanzlichen Verfahren erhobene Rüge der Unzuständigkeit der beteiligten Staatsanwaltschaft nicht einging. Die Frage der örtlichen Zuständigkeit erörterten die beteiligten Staatsanwaltschaften schriftlich, ohne die Parteien zu involvieren. Inhaltlich geht die Rüge des Beschwerdeführers, die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach sei unzuständig, jedoch fehl. Die von ihm angezeigte angebliche Vergewaltigung mit einem Strafrahmen von mindestens einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe als schwerstes Delikt soll in der Gemeinde B.________, d.h. im Bezirk Brugg-Zurzach, stattgefunden haben. Die von der Oberstaatsanwaltschaft erfolgte Zuweisung des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach entspricht Art. 34 Abs. 1 StPO, wonach im Falle von mehreren Straftaten für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig sind, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Selbst wenn die Vorinstanz auf die Frage der erstinstanzlichen örtlichen Zuständigkeit nicht eingegangen ist, erweist sich das Verfahren insgesamt als bundesrechtskonform.  
Nicht zu beanstanden ist weiter die Erhebung von Kosten für den vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid. Dies steht in Einklang mit Art. 428 Abs. 1 StPO, wonach die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Massgabe des Obsiegens und Unterliegens verlegt werden. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht. 
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 und Abs. 3 BGG abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers kann bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung getragen werden (Art. 65 Abs. 2 BGG). Dem Beschwerdeführer sind die Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren von Fr. 1'200.-- aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Kosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. September 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Weber