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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_445/2010 
 
Urteil vom 11. November 2010 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Gerichtsschreiber Merz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Werner Greiner, 
 
gegen 
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, 
Migrationsamt, Postfach, 8090 Zürich, 
Regierungsrat des Kantons Zürich, 
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung 
und Familiennachzug, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Kammer, vom 3. März 2010. 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Der türkische Staatsangehörige X.________ (geb. 1964), der seit Juli 2006 über eine Niederlassungsbewilligung für den Kanton Zürich verfügt, heiratete am 3. Mai 2007 in seiner Heimat seine Landsfrau A.________ zivilrechtlich. Am 9. Juli 2007 wurden Einreisegesuche für die Ehefrau und ihre drei gemeinsamen Kinder - B.________ (geb. 1993), C.________ (geb. 1997) und D.________ (geb. 1999) - zum Verbleib beim Ehemann und Vater im Kanton Zürich gestellt. Nach diversen Abklärungen und Anhörung der Eheleute aufgrund des Verdachts, es könnten falsche Angaben gemacht worden sein, widerrief das kantonale Migrationsamt am 22. Juli 2008 die Niederlassungsbewilligung von X.________ und setzte ihm eine Frist zur Ausreise an. Gleichzeitig verweigerte das Migrationsamt auch den beantragten Familiennachzug. Die hiegegen im Kanton erhobenen Rechtsmittel wurden am 28. Oktober 2009 vom Regierungsrat und am 3. März 2010 vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Inzwischen - am 1. März 2009 - wurde die Ehe mit A.________ in der Türkei geschieden und die elterliche Sorge über die Kinder X.________ zugewiesen. 
 
1.2 Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 20. Mai 2010 beantragt X.________ dem Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben. Das Migrationsamt sei anzuweisen, auf den Widerruf der Niederlassungsbewilligung zu verzichten, den drei Kindern sei die Einreise in den Kanton Zürich zu bewilligen und eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen. 
 
Das Verwaltungsgericht stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten sei. Das Bundesamt für Migration beantragt die Abweisung der Beschwerde. Der Regierungsrat und die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich haben sich nicht vernehmen lassen. 
 
1.3 Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung hat der Beschwerde mit Verfügung vom 26. Mai 2010 antragsgemäss die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Ausreiseverpflichtung zuerkannt. 
 
2. 
Aus dem Niederlassungsabkommen zwischen der Schweiz und der Türkischen Republik vom 13. Dezember 1930 (SR 0.142.117.632) lässt sich nichts zugunsten des Beschwerdeführers ableiten (vgl. Art. 1 des Abkommens; Urteile des Bundesgerichts 2A.609/2002 vom 17. April 2003 E. 2.3 und 2A.473/2006 vom 24. Januar 2007 E. 2.2.2). Es ist auf das inländische Recht abzustellen. Auf das vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) gestellte Gesuch um Familiennachzug ist gemäss Art. 126 Abs. 1 AuG das bis zum 31. Dezember 2007 geltende Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; BS 1 121 und Änderungen gemäss der Fussnote zu Ziff. I von Anhang 2 zum AuG) anzuwenden. Die Vorinstanzen und der Beschwerdeführer gehen davon aus, dass dies auch für den Widerruf der Niederlassungsbewilligung gilt. Allerdings ist entgegen ihrer Auffassung darauf abzustellen, wann der Beschwerdeführer von der Einleitung des Verfahrens, die zum Widerruf seiner Bewilligung geführt hat, in Kenntnis gesetzt wurde (Urteile des Bundesgerichts 2C_837/2009 vom 27. Mai 2010 E. 1; 2C_663/2009 vom 23. Februar 2010 E. 1 sowie 2C_745/2008 vom 24. Februar 2009 E. 1.2.3 und 1.2.4). Wie es sich damit verhält, ergibt sich weder eindeutig aus den vorinstanzlichen Entscheiden noch aus den Akten. Welches Recht für den Widerruf anzuwenden ist, kann indes offen gelassen werden, da hier sowohl das alte als auch das neue Recht zum selben Ergebnis führen. 
 
3. 
3.1 Die Vorinstanzen stützen ihren Entscheid über den Widerruf der Niederlassungsbewilligung auf Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG. Danach kann diese widerrufen werden, wenn der Ausländer sie durch falsche Angaben oder wissentliches Verschweigen wesentlicher Tatsachen erschlichen hat. Gemäss dem neuen Recht ist ein solcher Widerruf möglich, wenn der Ausländer im Bewilligungsverfahren falsche Angaben macht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat (Art. 63 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 62 lit. a AuG). Die unter dem alten Recht zu Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG entwickelte Praxis gilt im Wesentlichen auch für das neue Recht (vgl. erwähntes Urteil 2C_837/2009 E. 2 und Urteil 2C_651/2009 vom 1. März 2010 E. 4.1.1). Ein Ausschluss des Widerrufs nach Art. 63 Abs. 2 AuG kommt hier von vornherein nicht in Betracht, da sich der Beschwerdeführer nicht auf einen ununterbrochenen Aufenthalt in der Schweiz von 15 Jahren berufen kann. 
 
3.2 Die Vorinstanzen werfen dem Beschwerdeführer vor, er sei über Jahre hinweg planmässig allein mit dem Ziel vorgegangen, die Aufenthalts- und sodann die Niederlassungsbewilligung zu erhalten, um anschliessend seine türkische Familie in die Schweiz zu holen. Dazu sei er im April 2001 in die Schweiz eingereist, wo er ein Asylgesuch stellte. Dieses wurde nach seiner Heirat im Juni 2001 mit der 16 Jahre älteren Schweizer Bürgerin Z.________ (geb. 1948) abgeschrieben. Er erhielt in der Folge eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Schweizer Ehefrau und im Juli 2006 die Niederlassungsbewilligung für den Kanton Zürich. Nur rund vier Monate danach traf er mit seiner Schweizer Ehefrau eine Vereinbarung über die Scheidungsfolgen, worauf die kinderlos gebliebene Ehe am 29. Januar 2007 geschieden wurde (Rechtskraft am 20. Februar 2007). Nach drei weiteren Monaten heiratete er A.________ standesamtlich. Mit ihr hatte er einige Jahre vor seiner Einreise in die Schweiz bereits eine religiöse Ehe (sog. Imam-Ehe) zelebriert und die drei Kinder gezeugt. 
 
3.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei nicht entscheidend, ob er sich rechtsmissbräuchlich oder planmässig verhalten habe. Vielmehr komme es bloss darauf an, ob er falsche Angaben gemacht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen habe. Auf die Imam-Ehe habe er die hiesigen Behörden nicht hinweisen müssen, weil diese in der Schweiz ohnehin nicht anerkannt werde. Ausserdem habe er ein Jahr vor seiner Einreise in die Schweiz und während der Ehe mit Z.________ keinen Kontakt mit der Mutter seiner Kinder gehabt, sondern nur mit Letzteren. In den Formularen zur Erlangung der Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen sei sodann nicht ausdrücklich danach gefragt worden, ob er Kinder habe; deshalb habe er auch keine Veranlassung gesehen, sie anzugeben. Er habe nie die Absicht gehabt, die Existenz der Kinder zu verschweigen. Im Übrigen habe nicht er, sondern die Schweizer Ehefrau die Scheidung verlangt, was gegen ein planmässiges Vorgehen spreche. 
 
3.4 Der Beschwerdeführer übersieht, dass zu den wesentlichen Tatsachen im Sinne der erwähnten Widerrufsbestimmungen auch der Wille gehört, eine auf Dauer angelegte Ehe zu führen und nicht eine solche, die bloss einen gesicherten Anwesenheitstitel verschaffen soll (vgl. BGE 112 Ib 161 E. 3b und c S. 162 f.). Bei eigentlichen Machenschaften wie dem Eingehen einer sog. Ausländerrechts- bzw. Scheinehe bedarf es keiner ausdrücklichen Fragen der Ausländerbehörden; die Bewilligung gilt ohne weiteres als erschlichen (Urteil 2C_311/2009 vom 5. Januar 2010 E. 2.2 mit Hinweisen). Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Schweizer Ehepartner einen echten Ehewillen hatte oder ob er an den Machenschaften wissentlich mitwirkte (vgl. Urteil 2C_222/2008 vom 31. Oktober 2008 E. 3.3 und 4.3). 
 
Der Schluss der Vorinstanzen, dass der Beschwerdeführer planmässig vorgegangen sei und letztlich unglaubwürdige Erklärungsversuche unternommen habe, ist nicht zu beanstanden. Zum einen spricht für die Auffassung der Vorinstanzen der soeben geschilderte Verlauf, der einem insoweit bekannten Verhaltensmuster entspricht (vgl. dazu erwähntes Urteil 2C_311/2009 sowie Urteil 2A.346/2004 vom 10. Dezember 2004 E. 3.3 mit Hinweisen; zum Recht der erleichterten Einbürgerung BGE 128 II 97 und 130 II 482). Zum anderen kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer die Kinder den Behörden in der Tat zunächst verschwiegen hatte, und zwar nicht nur anlässlich der Beantragung der Aufenthaltsbewilligungen, sondern auch im vorangehenden Asylverfahren, als er sogar ausdrücklich nach dem Vorhandensein von Kindern gefragt wurde. Da er sich mit dem Gedanken trug, die Kinder dereinst zu sich zu holen, war er erst recht verpflichtet, auf deren Existenz hinzuweisen, auch wenn in den Formularen nicht ausdrücklich nach ihnen gefragt wurde. Dass er die Kinder später gegenüber den Sozialversicherungsbehörden angegeben hatte, ändert hieran nichts. Ausserdem heiratete er in der Heimat eine in etwa gleichaltrige Landsfrau, mit welcher er drei Kinder zeugte, obwohl er mit ihr seinen Angaben zufolge "lediglich eine gewisse Zeit" zusammen gelebt haben will. Demgegenüber ging er in der Schweiz eine Ehe mit einer wesentlich älteren Schweizer Bürgerin ein und hatte mit ihr keine Kinder. Schon Ende der achtziger Jahre war er nach Stellung eines Asylgesuchs in der Schweiz wenig später eine kinderlos gebliebene Ehe mit einer 22 Jahre älteren Schweizerin eingegangen; damals wurde die Ehe vor Ablauf von fünf Jahren auf Antrag der Ehefrau geschieden, worauf der Beschwerdeführer das Land verlassen musste. Auch wenn vorliegend Z.________ die Scheidung verlangt hatte, war es immerhin der Beschwerdeführer, der diese durch sein Verhalten ihr gegenüber provoziert hatte. 
 
Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers hat das kantonale Migrationsamt dem Beschwerdeführer die Niederlassungsbewilligung schliesslich auch nicht ohne jede Prüfung bzw. Gelegenheit zur Äusserung erteilt. Immerhin beruhte der Entscheid auf seinen Angaben in der Verfallsanzeige vom Mai 2006 sowie in den früheren Gesuchen um Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (vgl. Urteil 2A.57/2002 vom 20. Juni 2002 E. 2.2, in: Pra 2002 Nr. 165 S. 889). 
 
3.5 Demzufolge haben die Vorinstanzen zu Recht einen Widerrufsgrund bejaht. Der Widerruf erweist sich mit Blick auf die beschriebene Vorgehensweise des Beschwerdeführers ausserdem als verhältnismässig, zumal dieser den überwiegenden Teil seines Lebens in der Türkei verbracht und zu diesem Land auch noch während des Aufenthaltes in der Schweiz regelmässige Kontakte hatte. Zudem leben dort seine Kinder und weitere Familienangehörige (s. zum Vergleich Urteile 2C_383/2009 vom 23. Dezember 2009 E. 2.4 und 2C_793/2009 vom 25. Juni 2010 E. 2.3). Ergänzend kann auf die Ausführungen in den angefochtenen Entscheiden des Verwaltungsgerichts und des Regierungsrates, welche das Recht korrekt anwenden, verwiesen werden (vgl. Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
4. 
Ist der Widerruf der Niederlassungsbewilligung bundesrechtmässig, besteht kein Anspruch mehr auf Nachzug der Kinder nach Art. 17 ANAG oder Art. 8 EMRK. Insoweit ist auf die Beschwerde gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG nicht einzutreten (vgl. BGE 135 II 1 E. 1.3 S. 5; erwähntes Urteil 2C_383/2009 E. 3.3). 
 
5. 
Nach dem Dargelegten erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet und ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Wegen Aussichtslosigkeit ist - wie schon bei der Vorinstanz - das nachträglich gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen (vgl. Art. 64 BGG). Demnach hat der Beschwerdeführer die - mit Blick auf seine Einkommensverhältnisse leicht reduzierten - Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- zu tragen (Art. 65 f. BGG). Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 11. November 2010 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Zünd Merz