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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_567/2020  
 
 
Urteil vom 17. November 2020  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Kneubühler, Müller, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, 
Gewaltdelikte, Molkenstrasse 15/17, 8004 Zürich. 
 
Gegenstand 
Haftentlassung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des 
Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 27. Oktober 2020 
(SB180454-O). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Bezirksgericht Zürich stellte am 11. September 2018 fest, A.________ habe den Tatbestand der vorsätzlichen Tötung in nicht selbst verursachter Schuldunfähigkeit erfüllt, verurteilte ihn wegen Störung des Totenfriedens zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten und ordnete eine stationäre therapeutische Behandlung von psychischen Störungen an. 
Dieses Strafurteil wurde vom Obergericht des Kantons Zürich am 26. Februar 2020 geschützt. 
Am 8. Oktober 2020 hiess das Bundesgericht die Beschwerde von A.________ gegen dieses Urteil des Obergerichts gut, hob es auf und wies die Sache zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ans Obergericht und zur Weiterführung des Vorverfahrens an die Staatsanwaltschaft zurück. 
 
B.   
Am 27. Oktober 2020 wies das Obergericht das Haftentlassungsgesuch von A.________ ab. Es erwog, es habe derzeit noch die Verfahrensleitung inne, da ihm das Bundesgericht die Sache zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen zurückgewiesen habe. Dementsprechend sei es für die Behandlung des Gesuchs zuständig. Der dringende Tatverdacht sei aufgrund des erstinstanzlichen Urteils erstellt, aus den bundesgerichtlichen Erwägungen ergebe sich nichts anderes. Es sei Flucht- und Wiederholungsgefahr anzunehmen, nach dem psychiatrischen Gutachten bestehe ein erhöhtes Risiko für erneute Gewalttaten. Die Fortführung der Haft erscheine im Hinblick auf die angeordnete stationäre Massnahme verhältnismässig, und Ersatzmassnahmen, welche die bestehende Flucht- und Wiederholungsgefahr bannen könnten, seien nicht ersichtlich. 
 
C.   
Mit eigenhändiger Beschwerde vom 30. Oktober 2020 beantragt A.________ sinngemäss, diesen Entscheid aufzuheben und ihn, allenfalls unter Anordnung von Ersatzmassnahmen, aus der Haft zu entlassen oder eventuell in eine andere Institution zu versetzen. Eventuell sei zudem sein Verteidiger zu einer "Replik" einzuladen. 
Zwei weitere Eingaben mit ähnlichem Inhalt reichte A.________ beim Bundesstrafgericht ein, welches diese zuständigkeitshalber dem Bundesgericht überwies. 
 
D.   
Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht verzichten auf Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Haftentscheid des Obergerichts. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff. BGG gegeben. Der Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Haftentlassung ist zulässig (BGE 132 I 21 E. 1). Der Beschwerdeführer ist durch die Verweigerung der Haftentlassung in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Er macht die Verletzung von Bundesrecht geltend, was zulässig ist (Art. 95 lit. a BGG). Es ist allerdings seine Sache, darzulegen, dass der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletzt (BGE 135 III 127 E. 1.6 S. 130; 134 II 244 E. 2.1 und 2.2 S. 245 f.; je mit Hinweisen). 
Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde von vornherein, soweit die Verlegung in eine andere Anstalt verlangt wird: diese Frage war nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheids und kann dementsprechend vom Bundesgericht nicht beurteilt werden. 
Der amtliche Verteidiger des Beschwerdeführers hat die angefochtene Präsidialverfügung erhalten. Es stand in seinem pflichtgemässen Ermessen, sie anzufechten oder darauf zu verzichten. Es ist jedenfalls entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht Sache des Bundesgerichts, ihn zur Einreichung einer Beschwerdeergänzung aufzufordern. 
 
2.   
Sicherheitshaft kann unter anderem angeordnet werden, wenn ein dringender Tatverdacht in Bezug auf ein Verbrechen oder Vergehen sowie Flucht- oder Wiederholungsgefahr besteht (Art. 221 Abs. 1 StPO). 
 
2.1. Nach dem erstinstanzlichen Strafurteil hat der Beschwerdeführer in schuldunfähigem Zustand eine Frau getötet und sich anschliessend an ihr vergangen. Sein Einwand, dies sei ein Irrtum, es handle sich bloss um "fahrlässige Tötung in Notwehr", ist unbelegt und kann sich auch nicht auf auf das bundesgerichtliche Urteil vom 8. Oktober 2020 stützen. Damit ist der dringende Tatverdacht in Bezug auf ein Verbrechen erstellt.  
 
2.2. Die Wiederholungsgefahr ergibt sich für das Obergericht insbesondere aus dem psychiatrischen Gutachten, wonach beim Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko besteht, dass er in Freiheit erneut Gewalttaten begehen könnte. Der Beschwerdeführer bringt zwar mit Recht vor, dass das Bundesgericht das Gutachten im Entscheid vom 8. Oktober 2020 stark kritisiert hat. Es ist dabei zum Schluss gekommen, dass es erhebliche Mängel aufweise, weshalb es keine rechtsgenügliche Grundlage für die Beurteilung der Schuldfähigkeit und die Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung einer Massnahme darstelle (E. 2.4.5 S. 15). Dass auch die Risikobeurteilung des Gutachters in Bezug auf die Rückfallgefahr mangelhaft und nicht überzeugend wäre, ergibt sich aus den bundesgerichtlichen Ausführungen dagegen nicht. Das Obergericht hat unter diesen Umständen kein Bundesrecht verletzt, indem es Wiederholungsgefahr bejahte. Ist damit neben dem allgemeinen Haftgrund des dringenden Tatverdachts mit Wiederholungsgefahr einer der besonderen Haftgründe erfüllt, kann offen bleiben, ob auch Fluchtgefahr besteht.  
 
2.3. Zur Verhältnismässigkeit hat das Obergericht ausgeführt, im Hinblick auf die erstinstanzlich angeordnete stationäre Massnahme, die bis zu fünf Jahre dauern und verlängert werden könne, sei die Fortführung in zeitlicher Hinsicht gewahrt. Eine Ersatzmassnahme, welche den Beschwerdeführer zuverlässig von einer Flucht oder einer erneuten Gewalttat abhalten könne, sei nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer setzt sich damit nicht sachgerecht auseinander und vermag die Beurteilung des Obergerichts, die Fortführung der Haft sei verhältnismässig, nicht zu widerlegen.  
 
3.   
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Auf die Erhebung von Gerichtskosten kann ausnahmsweise verzichtet werden. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, und Stephan Schlegel schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. November 2020 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi