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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_534/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 13. Dezember 2013  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichterinnen Pfiffner, Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Helfenstein. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Schweizerische Ausgleichskasse SAK, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf,  
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
V.________, 
vertreten durch B.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Bundesverwaltungsgerichts 
vom 14. Juni 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der am 15. Januar 1946 geborene V.________ ist kosovarischer Staatsangehöriger und wohnt in Kosovo. Mit Antrag vom 20. Februar 2012 (eingegangen am 29. März 2012) meldete er sich bei der Schweizerischen Ausgleichskasse (nachfolgend: SAK) zum Bezug einer "Altersrente für Personen mit Wohnsitz ausserhalb der Schweiz" an. Mit Verfügung vom 2. August 2012 teilte ihm die SAK mit, er hätte grundsätzlich einen Anspruch auf eine ordentlichen Altersrente als einmalige Abfindung in der Höhe von Fr. 14'299.-, da aber das zwischen der Schweiz und dem ehemaligen Jugoslawien abgeschlossene Sozialversicherungsabkommen ab 1. April 2010 im Verhältnis zu Kosovo nicht weiter angewendet werde, müsse sein Antrag dennoch abgewiesen werden. Mit Einsprache vom 2. Oktober 2012 liess V.________ geltend machen, er sei kosovarisch-serbischer Doppelbürger, worauf ihm die SAK am 6. Februar 2013 Gelegenheit gab, bis 22. März 2013 Beweismittel für die serbische Staatsangehörigkeit beizubringen, dies unter Androhung, dass andernfalls auf Grund der Akten entschieden werde. Daraufhin meldete sich der Rechtsvertreter von V.________ telefonisch bei der SAK und machte geltend, Nachweise für die serbische Staatsangehörigkeit zu verlangen, sei exzessiver Formalismus; sein Klient sei dazu auf Grund des Alters, der Geografie und ethnischer Zwistigkeiten nicht in der Lage. Zudem sähen die Verfassungen beider Länder eine "automatische Doppelbürgerschaft" vor. Mit Schreiben vom 12. Februar 2013 reichte V.________ eine Kopie einer Pass-Doppelseite ein und führte aus, andere jugoslawische Dokumente habe er nicht. Mit Einspracheentscheid vom 21. Februar 2013 wies die SAK die Einsprache ab. 
 
B.   
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesverwaltungsgericht gut, hob den Einspracheentscheid vom 21. Februar 2013 auf und sprach V.________ eine einmalige Abfindung in der Höhe von Fr. 14'299.- zu (Entscheid vom 14. Juni 2013). In der Begründung führte es aus, dass das zwischen der Schweiz und dem ehemaligen Jugoslawien abgeschlossene Sozialversicherungsabkommen auf kosovarische Staatsangehörige weiter anwendbar sei. 
 
C.   
Die SAK erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2013 sei aufzuheben und ihr Einspracheentscheid vom 21. Februar 2013 zu bestätigen. 
V.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) beantragt deren Gutheissung. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist - wozu auch Unvollständigkeit gehört (Urteil 9C_395/2009 vom 16. März 2010 E. 2.4) - oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Gemäss Art. 18 AHVG in der bis Ende 2011 gültigen Fassung haben Schweizer Bürger, Ausländer und Staatenlose Anspruch auf Alters- und Hinterlassenenrenten (Abs. 1). Ausländer sowie ihre Hinterlassenen ohne Schweizer Bürgerrecht sind nur rentenberechtigt, solange sie ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 13 ATSG) in der Schweiz haben. Dieses Erfordernis ist von jeder Person, für die eine Rente ausgerichtet wird, einzeln zu erfüllen. Vorbehalten bleiben die besonderen bundesrechtlichen Vorschriften über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Staatenlosen sowie abweichende zwischenstaatliche Vereinbarungen, insbesondere mit Staaten, deren Gesetzgebung den Schweizer Bürgern und ihren Hinterlassenen Vorteile bietet, die denjenigen dieses Gesetzes ungefähr gleichwertig sind (Abs. 2). Den Ausländern, die ihren Wohnsitz im Ausland haben und mit deren Heimatstaat keine zwischenstaatliche Vereinbarung besteht, sowie ihren Hinterlassenen können die gemäss den Artikeln 5, 6, 8, 10 oder 13 bezahlten Beiträge rückvergütet werden. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten, insbesondere das Ausmass der Rückvergütung (Abs. 3). 
 
Bei Personen, die mehrere sich ablösende Staatsangehörigkeiten besessen haben, ist für die Rentenberechtigung die Staatsangehörigkeit während des Rentenbezugs massgebend. Diese Regelung ist in Art. 18 Abs. 2 bis AHVG eingefügt worden, der am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist (AS 2011 4745).  
 
3.   
Wie das Bundesgericht in BGE 139 V 263 entschieden hat, ist das Abkommen vom 8. Juni 1962 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der ehemaligen (Sozialistischen) Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Sozialversicherung (kurz: Sozialversicherungsabkommen; SR 0.831.109.818.1) ab 1. April 2010 nicht weiter auf kosovarische Staatsangehörige anzuwenden. Dem Urteil lag der Fall eines 1977 geborenen kosovarischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Kosovo zu Grunde, dessen Gesuch auf Rückvergütung der AHV-Beiträge das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis auf die Weiteranwendung des Sozialversicherungsabkommens abgewiesen hatte. 
Hinsichtlich einer kosovarisch-serbischen Doppelbürgerschaft wurde festgehalten, aus der Tatsache, wonach die Republik Kosovo die multiple Staatsbürgerschaft zulasse, könne nicht abgeleitet werden, dass kosovarische Staatsangehörige ohne weiteres kosovarisch-serbische Doppelbürger seien. Ein Automatismus oder der Grundsatz, dass Personen aus dem Kosovo neben der Staatsangehörigkeit des Kosovos auch die serbische Staatsangehörigkeit besässen, sei zu verneinen. Dennoch könne das Vorliegen einer kosovarisch-serbischen Doppelbürgerschaft nicht ausgeschlossen werden. Eine solche sei indessen nicht nur überzeugend zu behaupten, sondern auch rechtsgenüglich zu belegen (BGE 139 V 263 E. 12.2 S. 285; vgl. auch BGE 139 V 335 E. 5.1 S. 337). 
 
4.   
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt sich ohne weiteres auf den hier zu beurteilenden Fall übertragen: 
 
4.1.  
 
4.1.1. Der Beschwerdegegner hat in seiner Anmeldung für eine Altersrente auf die Frage nach den "Staatsangehörigkeit (en) " ausschliesslich "Kosovare" angegeben. Der Anmeldung lagen zudem verschiedene amtliche Dokumente bei, aus denen seine kosovarische Staatsangehörigkeit hervorgeht (Urkunde betreffend die Staatsangehörigkeit, Geburts-, Heiratsurkunde, alle vom 15. Februar 2012, Wohnsitzbescheinigung vom 16. Februar 2012). Im Einspracheverfahren machte er - gestützt auf den Entscheid C-4828/2010 des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 2011 - erstmals geltend, kosovarisch-serbischer Doppelbürger zu sein. Auf die Aufforderung der SAK, die Doppelbürgerschaft rechtsgenüglich zu belegen, reichte er als Nachweis für seine serbische Staatsbürgerschaft eine Kopie einer Pass-Doppelseite ein. Daraus geht mangels Deckblattes nicht hervor, um was für einen Pass es sich handelt, und es fehlt auch ein Ausstellungs- oder Gültigkeitsdatum, wobei auf Grund des nur zum Teil leserlichen Stempels, des Wasserzeichens und der jeweils ersten Zeilen in albanischer Sprache vielmehr davon auszugehen ist, dass es sich um den Pass der Republik Kosovo handelt, zumal der Beschwerdegegner andernfalls wohl eine Kopie des ganzen Passes oder mindestens des Deckblattes eingereicht hätte. Die SAK erachtete damit den Nachweis der serbischen Staatsbürgerschaft als nicht erbracht und verwies auf die Mitteilungen des BSV an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen Nr. 326 vom 20. Februar 2013 (nachfolgend: Mitteilungen Nr. 326), wonach Personen, die bei der Antragstellung die kosovarische Nationalität angeben, als solche behandelt werden und nachgeschobene Nachweise für die angebliche zusätzliche serbische Staatsangehörigkeit - mit Ausnahme eines gültigen biometrischen Passes Serbiens ohne Vermerk "Koordinaciona Uprava" - grundsätzlich nicht akzeptiert werden.  
 
4.1.2. Es trifft damit nicht zu, dass der Beschwerdegegner, wie er nun vorbringt, seit seiner Anmeldung immer wieder beide Staaten deklariert hat. Vielmehr müssen die behauptete serbische Staatsbürgerschaft und die Vorbringen des Beschwerdegegners zur Doppelbürgerschaft in seiner Vernehmlassung - soweit es sich dabei nicht ohnehin um unzulässige Noven handelt (Art. 99 Abs. 1 BGG) - als nachgeschoben qualifiziert werden. Entsprechend dem Grundsatz der "Aussage der ersten Stunde" (BGE 121 V 45 E. 2a S. 47 mit Hinweisen), wonach diese in der Regel unbefangener und zuverlässiger ist als spätere Darstellungen, die bewusst oder unbewusst von nachträglichen Überlegungen versicherungsrechtlicher oder anderer Art beeinflusst sein können, sind sie unbeachtlich. Dass im Anmeldeformular keine Aufforderung zur Angabe aller Nationalitäten zu finden sei, wie der Beschwerdegegner vorbringt, trifft nicht zu, zeigt doch die Formulierung der entsprechenden Ziffer 2.3 ("Staatsangehörigkeit (en) ") klar, dass alle bestehenden Staatsangehörigkeiten aufzuführen sind. Überdies zielen seine Vorbringen bezüglich Geburt auf dem ehemaligen Staatsgebiet Serbiens und serbischer Abstammung ohnehin darauf ab, einen Automatismus geltend zu machen, wonach Personen aus dem Kosovo neben dieser Staatsangehörigkeit auch die serbische Staatsangehörigkeit besitzen. Einen solchen hat das Bundesgericht indes verneint (vgl. E. 3 hievor). Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner damit zu Recht allein als kosovarischen Staatsbürger betrachtet und es erübrigen sich Weiterungen zu den Mitteilungen Nr. 326 und dem dortigen Erfordernis des biometrischen serbischen Passes als einzig rechtsgenüglicher Nachweis der serbischen Staatsbürgerschaft.  
 
4.2.  
 
4.2.1. Was die zeitliche Geltung des Sozialversicherungsabkommens im Verhältnis zu Kosovo bis zum 31. März 2010 betrifft, ist für die Zusprache einer Altersrente der Eintritt des Versicherungsfalles, also das Erreichen des Rentenalters (Geburtstag) massgebend. Das Bundesgericht hat diese Handhabung, die mit dem auf den 1. Januar 2012 eingeführten Art. 18 Abs. 2 bis AHVG (vgl. E. 2) eine definitive Klärung erfahren hat, mit Urteil 9C_53/2013 vom 6. August 2013 E. 3.3 bestätigt (vgl. auch Urteil 9C_278/2013 vom 3. September 2013 E. 5.2).  
 
4.2.2. Der Beschwerdegegner erreichte am 15. Januar 2011 das ordentliche Rentenalter von 65 Jahren (Art. 21 Abs. 1 lit. a AHVG), mithin in einem Zeitpunkt, in welchem das fragliche Sozialversicherungsabkommen im Verhältnis zu Kosovo nicht mehr anwendbar war. Demnach verfügt er über keinen Anspruch auf eine Altersrente und auch nicht auf eine - ehemals mögliche - Abfindung (vgl. Art. 7 lit. a des Sozialversicherungsabkommens). Die Rückvergütung der Beiträge ist vorbehalten. Der Anspruch verjährt mit dem Ablauf von fünf Jahren seit dem Versicherungsfall (Art. 7 der Verordnung über die Rückvergütung der von Ausländern an die Alters- und Hinterlassenenversicherung bezahlten Beiträge; RV-AHV; SR 831.131.12), wobei es sich entgegen dem Wortlaut um eine Verwirkungsfrist handelt (Urteil 9C_847/2008 vom 21. August 2009 E. 1 mit weiteren Hinweisen). Anzufügen ist die Möglichkeit, dass die Schweiz dereinst ein neues Sozialversicherungsabkommen mit Kosovo abschliesst.  
 
5.   
Bei dieser Sach- und Rechtslage erweist sich die Beschwerde der SAK als begründet. Entsprechend gehen die Gerichtskosten zu Lasten des Beschwerdegegners (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2013 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Schweizerischen Ausgleichskasse vom 21. Februar 2013 bestätigt. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 13. Dezember 2013 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Die Gerichtsschreiberin: Helfenstein