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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_1039/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 21. Dezember 2016  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Dudli, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Wiederherstellung der Einsprachefrist, Willkür, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 22. Juli 2016. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland bestrafte am 25. Januar 2016 X.________ wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln mit einer bedingten Geldstrafe. Der Strafbefehl wurde ihm am 29. Januar 2016 zugestellt. Die Einsprachefrist lief am 8. Februar 2016 ab. Sein Gesuch vom 21. März 2016 um Fristwiederherstellung (mit Einsprache) wies die Staatsanwaltschaft ab. 
Das Obergericht des Kantons Zürich wies seine Beschwerde am 22. Juli 2016 ab. 
 
2.  
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben. 
Ein blosser Kassations-Antrag genügt nicht (Art. 42 Abs. 1 i.V.m. Art. 107 Abs. 1 und 2 BGG). Nach der Begründung soll indes eine Wiederherstellung der Einsprachefrist erreicht werden. Auf die Beschwerde kann eingetreten werden (Urteile 6B_594/2015 vom 29. Februar 2016 E. 1 und 6B_189/2015 vom 16. Juli 2015 E. 3.1 und 3.2). 
 
3.  
Hat eine Partei eine Frist versäumt und würde ihr daraus ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, so kann sie die Wiederherstellung der Frist verlangen; dabei hat sie glaubhaft zu machen, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft (Art. 94 Abs. 1 StPO). 
 
3.1. Der Strafbefehl wurde rechtsgültig zugestellt. Die Rechtsfrage stellt sich zufolge versäumter Frist (vgl. BGE 142 IV 201 E. 2.4).  
 
3.2. Die Wiederherstellung kommt nur in Betracht, wenn den Säumigen "kein Verschulden" trifft, d.h. wenn ihm kein Vorwurf gemacht werden kann. Unverschuldet ist die Säumnis nur, wenn sie durch einen Umstand eingetreten ist, der nach den Regeln vernünftiger Interessenwahrung auch von einer sorgsamen Person nicht befürchtet werden muss oder dessen Abwendung übermässige Anforderungen gestellt hätte. Allgemein wird vorausgesetzt, dass es in der konkreten Situation unmöglich war, die Frist zu wahren oder jemanden damit zu betrauen (Urteil 6B_125/2011 vom 7. Juli 2011 E. 1 mit Hinweisen). Die Rechtskraft eines strafrechtlichen Urteils darf nicht leicht durchbrochen werden. Bei Versäumnis gesetzlicher Fristen sind strengere Anforderungen zu stellen (Urteil 6B_968/2014 vom 24. Dezember 2014 E. 1.3 mit Hinweisen).  
Ein Krankheitszustand bildet, wenn und solange er jegliches auf die Fristwahrung gerichtetes Handeln verunmöglicht, ein unverschuldetes, zur Wiederherstellung führendes Hindernis. Doch muss die Erkrankung derart sein, dass der Rechtsuchende durch sie davon abgehalten wird, selber innert Frist zu handeln oder einen Dritten mit der Vornahme der Prozesshandlung zu betrauen. Dass es sich so verhält, muss mit einschlägigen Arztzeugnissen belegt werden, wobei die blosse Bestätigung eines Krankheitszustandes und regelmässig selbst einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit zur Anerkennung eines Hindernisses im Sinne von Art. 50 Abs. 1 BGG nicht genügt (Urteile 6B_1154/2016 vom 1. November 2016 E. 2, 1C_497/2016 vom 27. Oktober 2016 E. 4.2 und 6B_318/2012 vom 21. Januar 2013 E. 1.3). Art. 50 BGG und Art. 94 StPO konkretisieren die identische ratio legis. 
 
3.3. In der Beschwerde wird einleitend erklärt: "Innert der laufenden Einsprachefrist ist der Beschwerdeführer nach Bosnien gereist, wo Ärzte aufgrund von einschlägigen Symptomen vom Verdacht des Schweinegrippenvirusses ausgingen, da das Virus zu jenem Zeitpunkt in Bosnien grassierte. In der Folge wurde Bettruhe angeordnet, weshalb es dem Beschwerdeführer nicht möglich war, vor dem 21. März 2016 die Einsprache gegen den Strafbefehl zu erheben." Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, sie missachte willkürlich die ärztlichen Zeugnisse und verletzte Art. 94 StPO.  
Nach dem Beschwerdeführer lautet der Befund des ärztlichen Zeugnisses vom 2. Februar 2016 dahin, der Patient sei am 2. Februar 2016 wegen Schmerzen im rechten Lungenflügel (Brust) gekommen, die Beschwerden hätten vor zwei Tagen angefangen; der Patient klage wegen schweren Atems, Schmerzen beim Husten; die Auskultation ergebe offensichtlich hörbare (intrimilarno) crepitacion mit bronchitischem Atmen. Diagnose: Pleuropneumonia 1 dex (Beschwerde S. 5). "Therapie: Mirovanje = Untätigkeit, Bettruhe, krankgeschrieben, Medikamente [...], Nachkontrolle durch Hirurg nach 14 Tagen" (Urteil S. 7; Beschwerde S. 5). Das zweite Arztzeugnis lautet: "Probleme Läsionen aufgelöst. Auskultation Erkenntnisse in der Regression, afebrile. Bisolvon noch 5 Tage, 3xl, analgin pp, Nachkontrolle durch Hirurgie" (Beschwerde S. 5). 
Die Vorinstanz nimmt an, damit vermöge der Beschwerdeführer nicht glaubhaft zu machen, dass ihm ein Handeln nicht möglich gewesen wäre. Das gelte insbesondere, weil die Einsprache bei der Staatsanwaltschaft ohne Begründung erfolgen könne, worauf er in der Rechtsmittelbelehrung des Strafbefehls und den beigehefteten Erläuterungen klar hingewiesen worden sei. Das zweite Arztzeugnis vom 16. Februar 2016 führe keine "Untätigkeit" oder andere Einschränkungen auf und halte eine deutliche Verbesserung fest. Selbst bei unterstelltem Säumnisgrund, wäre die Frist für ein Wiederherstellungsgesuch spätestens am 16. Februar 2016 abgelaufen. 
 
3.4. Der Beschwerdeführer wendet ein, ein Gericht vermöge als medizinischer Laie nicht abzuschätzen, ob die Krankheit nun derart war, dass ein Gang auf die Botschaft zur Erhebung der Einsprache eventuell noch möglich gewesen wäre. Ebenso willkürlich sei, dass nach der Vorinstanz nicht glaubhaft sei, dass er "absolut perplex und nicht handlungsfähig" gewesen sei, angesichts einer Krankheit, die tödlich enden kann; zu jener Zeit seien in Bosnien bereits 20 Tote zu beklagen gewesen.  
Die Rüge erweist sich nicht als stichhaltig. Ein Verdacht auf Schweinegrippe (Influenza, porcine) ist den Arztzeugnissen nicht zu entnehmen. Mit den tatsächlich verwendeten Begriffen hat es vielmehr folgende Bewandtnis: "Pleuropneumonia" ist die englische Bezeichnung für Pleuropneumonie, Pneumonie mit begleiteter Pleuritis, Brustfellentzündung (Pschyrembel, 266. Aufl. 2014). Da der Arzt eine Nachkontrolle erst nach 14 Tagen vorsah, ist nicht von der Diagnose einer Krankheit auszugehen, "die tödlich enden kann" (Beschwerde S. 6). Der Befund vom 16. Februar 2016 lautete auf "afebrile", ohne Fieber verlaufend, fieberfrei, fieberlos (PETER REUTER, Springer Lexikon Medizin, 2004). 
Der Beschwerdeführer reiste, ohne irgendwelche Vorkehren getroffen zu haben, nach der Zustellung des Strafbefehls bei laufender Einsprachefrist nach Bosnien, obwohl er wusste, dass er innert der gesetzlichen zehntägigen Frist einsprechen müsste (Art. 354 Abs. 1 StPO), so er dies denn wollte. Diese Tatsache spricht bereits gegen eine unverschuldete Säumnis, denn eine vernünftige Interessenwahrung lässt sich nicht erkennen (oben E. 3.2). Er unternahm nichts und reichte nachträglich zwei schlichte Arztzeugnisse ein, die keine Handlungsunfähigkeit belegen. Er zeigt keine schlechterdings unhaltbare und damit willkürliche Sachverhaltswürdigung auf. Die Vorinstanz beurteilt die Sache zutreffend. Die versäumte Frist von Art. 354 Abs. 1 StPO kann nicht gemäss Art. 94 Abs. 1 StPO wiederhergestellt werden. 
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens abzuweisen (Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 64 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 138 III 217 E. 2.2.4; 129 I 129 E. 2.3.1). Der Beschwerdeführer ist Inhaber einer Consulting-Einzelfirma (IT-Dienstleistungen jeder Art usw.), der sich selbständig gemacht habe, weshalb eine höhere Lohnauszahlung nicht möglich sei (Beschwerde S. 3). Damit erscheint eine Mittellosigkeit nicht belegt. Es sind ihm die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Dem Beschwerdeführer werden die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. Dezember 2016 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Briw