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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_422/2018  
 
 
Urteil vom 23. Januar 2019  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
PV-Promea, 
Ifangstrasse 8, 8952 Schlieren, 
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Gnädinger, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André Largier, 
Beschwerdegegner, 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 3. April 2018 (IV.2017.00352). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1967 geborene A.________ war vom 1. April 2008 bis 17. November 2011 (letzter Arbeitstag) bei der B.________ AG als Metallbauschlosser tätig. Im Dezember 2011 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich klärte die medizinische und die erwerbliche Situation. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte sie einen Rentenanspruch (Verfügung vom 4. Juli 2013). Die vom Versicherten dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 24. November 2014). Das Bundesgericht hiess die dagegen eingereichte Beschwerde mit Urteil 9C_28/2015 vom 8. Juni 2015 gut, hob den kantonalen Entscheid sowie die IV-Verfügung auf und wies die Sache an die IV-Stelle zurück, damit sie nach erfolgter Abklärung über die Ansprüche des Versicherten neu verfüge.  
 
A.b. Die IV-Stelle holte bei der medexperts ag, St. Gallen, ein polydisziplinäres Gutachten ein, welches am 7. Dezember 2015 erstattet wurde. Vorbescheidweise stellte sie A.________ am 9. Februar 2016 die Zusprache einer Dreiviertelsrente mit Wirkung ab 1. Oktober 2012 in Aussicht. Nachdem die PV-Promea als Vorsorgeeinrichtung dagegen Einsprache erhoben hatte, erliess die IV-Stelle am 27. Januar 2017 einen neuen Vorbescheid, in welchem sie den Anspruch auf eine Invalidenrente verneinte. Daran hielt sie auf Einsprache des Versicherten fest (Verfügung vom 21. Februar 2017).  
 
B.   
Beschwerdeweise liess A.________ die Aufhebung der Verfügung und die Zusprache mindestens einer Dreiviertelsrente mit Wirkung ab 1. Oktober 2012 beantragen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich lud die PV-Promea als mitinteressierte Vorsorgeeinrichtung zum Verfahren bei. Mit Entscheid vom 3. April 2018 hiess es die Beschwerde teilweise gut. Es hob die angefochtene Verfügung auf und stellte fest, dass der Versicherte mit Wirkung ab 1. Oktober 2012 Anspruch auf eine halbe Invalidenrente hat. 
 
C.   
Die PV-Promea lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit den Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und das Leistungs- bzw. Rentenbegehren vollumfänglich abzuweisen. 
A.________ beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die IV-Stelle schliesst auf Gutheissung des Rechtsmittels. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz dem Versicherten zu Recht mit Wirkung ab 1. Oktober 2012 eine halbe Rente zugesprochen hat. Dabei ist allein der Grad seiner Arbeitsunfähigkeit in leidensangepassten Tätigkeiten umstritten. 
 
3.   
Im angefochtenen Entscheid werden die für die Beurteilung des Leistungsanspruchs einschlägigen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Es betrifft dies insbesondere die Bestimmungen über die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG; vgl. auch Art. 4 Abs. 1 IVG) und die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) sowie über den Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung (Art. 28 IVG). Richtig wiedergegeben ist auch die Rechtsprechung zum Beweiswert von Arztberichten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; vgl. auch BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Darauf wird verwiesen. 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz erwog, auf das bidisziplinäre medexperts-Gutachten vom 7. Dezember 2015 sei abzustellen, soweit es den psychischen Gesundheitszustand und die sich daraus ergebende Arbeitsunfähigkeit (20 %) betreffe, denn diesbezüglich sei es nachvollziehbar. Betreffend die somatische Seite sei ihm lediglich insoweit zu folgen, als die Ärzte eine pneumologisch bedingte Arbeitsunfähigkeit von 40 % festhielten, während die kardiologische Beurteilung nicht überzeuge. Für die Zeit ab Oktober 2011 könne insgesamt - ausgehend von der psychisch (20 %) und der pulmonal bedingten Einschränkung (40 %), welche nicht zu kumulieren seien - eine Arbeitsunfähigkeit von 40 % in leidensangepassten Tätigkeiten bestätigt werden. Allfällige Einschränkungen aus kardiologischer Sicht seien darin enthalten.  
 
4.2. In ihrer Beschwerde (welcher sich die IV-Stelle ohne eigene Ausführungen vernehmlassungsweise anschliesst) bringt die PV-Promea nichts vor, was die für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen (E. 1 hievor) vorinstanzlichen Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit des Versicherten als offensichtlich unrichtig oder sonst wie bundesrechtswidrig erscheinen liesse.  
 
4.2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das kantonale Gericht hätte - analog zu seiner Würdigung der kardiologischen Beurteilung - die vom Versicherten geklagten Thoraxschmerzen als aggravatorisches Verhalten nicht berücksichtigen dürfen und abweichend vom pneumologischen Gutachten vom 30. Oktober 2015 von einer vollen Arbeitsfähigkeit in angepassten Tätigkeiten ausgehen müssen. Damit stellt die Beschwerdeführerin der vorinstanzlichen ihre eigene Beweiswürdigung gegenüber, ohne dass sie aufzuzeigen vermöchte, inwiefern es offensichtlich unrichtig oder sonst wie bundesrechtswidrig sein soll, dass sich das kantonale Gericht auf das pneumologische Teilgutachten der Dr. med. C.________, Fachärztin FMH Pneumologie und Innere Medizin, vom 30. Oktober 2015 abgestützt hat: Die beschwerdeführerische Kritik verfängt schon deshalb nicht, weil Dr. med. C.________ dem Verhalten des Versicherten sehr wohl Rechnung getragen hat. So wies die Fachärztin bereits im Teilgutachten vom 30. Oktober 2015 auf eine etwas eingeschränkte Kooperation des Versicherten hin. Auf Nachfrage der IV-Stelle erklärte sie, die eingeschränkte Kooperation habe zwar möglicherweise minimal schlechtere, allerdings reproduzierbare Werte der Lungenfunktion ergeben. Es sei ihr aber dennoch möglich, anhand der Symptome, der erhobenen Befunde und der Diagnose (persistierender Zwerchfellhochstand rechts unklarer Ätiologie bei Status nach offener Zwerchfellraffung, persistierender restriktiver Ventilationsstörung mittelschweren Grades sowie persistierender Diffusionsstörung mittelschweren Grades) die Leistungsfähigkeit des Versicherten eindeutig zu beurteilen. Ihre im Teilgutachten vom 30. Oktober 2015 abgegebene Einschätzung, wonach der Versicherte aufgrund einer restriktiven Pneumopathie in körperlich kaum belastenden Tätigkeiten mit häufigen Pausen 60 % arbeitsfähig ist, hielt sie unverändert für gerechtfertigt (Stellungnahme vom 22. August 2016).  
 
4.2.2. Anders als die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, unterscheiden sich die Aussagekraft der pneumologischen und der kardiologischen Beurteilung wesentlich. Im Unterschied zum pneumologischen Teilgutachten war das kardiologische von Anfang an mit (im angefochtenen Entscheid im Einzelnen dargelegten) Widersprüchen behaftet. Zudem relativierte der kardiologische Gutachter seine ursprüngliche Arbeitsfähigkeitsschätzung (50 % in leidensangepassten Tätigkeiten) in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Dezember 2016 erheblich, indem er "bei guter Motivation" eine Steigerung der Arbeitsfähigkeit auf 100 % für möglich hielt, während die pneumologische Gutachterin, wie dargelegt (E. 4.2.1), an ihrer Einschätzung unverändert festhielt. Die Beschwerdeführerin geht deshalb zu Unrecht davon aus, das kantonale Gericht hätte aus denselben Gründen, aus welchen es von der kardiologischen Beurteilung abwich, auch nicht auf das pneumologische Gutachten abstellen dürfen.  
 
4.2.3. Unbehelflich ist der Versuch der Beschwerdeführerin, die Einschätzung der Dr. med. C.________ mit Feststellungen aus dem psychiatrischen Teilgutachten des Dr. med. D.________, Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie, vom 29. Oktober 2015 zu entkräften, wonach der Versicherte seine körperlichen Beeinträchtigungen widersprüchlich und nicht nachvollziehbar geschildert habe. Allein Dr. med. C.________ konnte das Leistungsvermögen des Versicherten aus pneumologischer Sicht objektiv beurteilen, wozu sie unter anderem auch eine lungenfunktionelle Testung vornahm. Des Weitern trug auch sie der verminderten Kooperationsbereitschaft Rechnung (vgl. dazu E. 4.2.1). Im Übrigen fand im Rahmen der polydisziplinären Beurteilung eine Konsensbesprechung unter Einbezug der beteiligten Fachgebiete statt.  
 
4.2.4. Nichts abzuleiten vermag die Beschwerdeführerin aus der von ihr beanstandeten Tatsache, dass Dr. med. C.________ und die Vorinstanz nicht näher begründeten, weshalb die Arbeitsfähigkeit des Versicherten in leichten, den Körper kaum belastenden (60 %) und in schweren Tätigkeiten wie der angestammten als Schlosser (50 %, wie unbestritten ist) relativ nahe beieinander liegen. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Versicherte nach den gutachterlichen Ausführungen aufgrund seines Lungenleidens, welches generell einen erhöhten Pausenbedarf mit sich bringt, auch in leichten Tätigkeiten in seinem Leistungsvermögen erheblich eingeschränkt ist.  
 
4.2.5. Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, wonach mitwirkende psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren leistungsmindernd berücksichtigt worden seien, ist unberechtigt. Der psychiatrische Gutachter Dr. med. D.________ war sich bewusst, dass Umstände wie die Arbeitslosigkeit nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses, die schwierige finanzielle Lage, die mangelnde Sprachkompetenz, das niedrige Bildungsniveau und die nicht ermutigenden Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt das Leistungsvermögen des Versicherten zusätzlich beeinträchtigten. Er hielt ausdrücklich fest, dass diese Faktoren im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auszuklammern seien, und ging denn auch lediglich von einer geringgradigen Einschränkung aus psychiatrischen Gründen (20 %) aus.  
 
4.2.6. Zusammenfassend ergibt sich, dass sich die beschwerdeführerischen Einwendungen in weiten Teilen in einer im Rahmen der dem Bundesgericht gesetzlich eingeräumten Überprüfungsbefugnis (E. 1 hievor) unzulässigen Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung und dem dieser zugrunde liegenden medexperts-Gutachten vom 7. Dezember 2015 erschöpfen. Es wurde nicht dargetan, inwiefern die entsprechenden Erwägungen willkürlich oder sonst wie bundesrechtswidrig sein sollen.  
 
4.3. Der im angefochtenen Entscheid auf der Grundlage einer festgestellten Arbeitsunfähigkeit von 40 % vorgenommene Einkommensvergleich (Valideneinkommen von Fr. 81'492.- und Invalideneinkommen von Fr. 39'106.-) wird von der Beschwerdeführerin in den übrigen Punkten (d.h. abgesehen von der ihm zugrunde liegenden Arbeitsunfähigkeit) nicht beanstandet. Damit hat es beim vorinstanzlich ermittelten Invaliditätsgrad von 52 %, welcher Anspruch auf eine halbe Invalidenrente verleiht, sein Bewenden.  
 
5.   
Entsprechend dem Prozessausgang hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'400.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle des Kantons Zürich, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 23. Januar 2019 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann