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[AZA 7] 
P 60/01 Vr 
 
II. Kammer 
 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Ursprung und Frésard; 
Gerichtsschreiber Hochuli 
 
Urteil vom 7. August 2002 
 
in Sachen 
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
W.________, 1923, Beschwerdegegner, 
 
und 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
Mit Verfügung vom 20. Mai 1999 lehnte die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen den am 7. April 1999 durch W.________, geboren 1923, erhobenen Anspruch auf Ergänzungsleistungen zu einer Ehepaar-Altersrente mit Wirkung ab 1. April 1999 ab, da die Bedarfsberechnung - unter Nichtanrechnung von Hypothekar- und/oder Mietzinsen - einen Einnahmenüberschuss ergab. 
Dagegen beantragte W.________ beschwerdeweise unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung sinngemäss die Ausrichtung einer Ergänzungsleistung. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 14. August 2001 teilweise gut, hob die angefochtene Verfügung vom 20. Mai 1999 auf und wies die Sache zu ergänzenden Abklärungen im Sinne der Erwägungen und zum entsprechenden Erlass einer neuen Verfügung an die Sozialversicherungsanstalt zurück. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Sozialversicherungsanstalt die Aufhebung des kantonalen Entscheids. 
Während W.________ innert gesetzter Frist keine Stellungnahme einreichte, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Anspruch auf Ergänzungsleistungen zur AHV/IV (Art. 2 und 2a ELG), deren Berechnung (Art. 3a ELG), die dabei zu berücksichtigenden Ausgaben und Einnahmen (Art. 3b und 3c ELG), insbesondere die anerkannten Ausgaben für Mietzins und Nebenkosten (Art. 3b Abs. 1 lit. b ELG) und deren Aufteilung (Art. 16c ELV) sowie die in zeitlicher Hinsicht massgebenden Berechnungsperioden betreffend die Einnahmen und das Vermögen (Art. 23 ELV) zutreffend dargelegt, was ebenso für die Wiedergabe der Rechtsprechung zu dem - für die Beurteilung der Gesetzmässigkeit der Verfügung - relevanten Zeitpunkt (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweis) gilt. Darauf wird verwiesen. 
Zu ergänzen ist, dass Art. 3c Abs. 2 ELG die Kategorien der nicht anrechenbaren Einkommen abschliessend aufführt (BGE 123 V 187 und nicht veröffentlichtes Urteil S. 
vom 27. Januar 2000, P 10/99, je mit Hinweis). Nach der vom Gesetzgeber getroffenen Regelung gelten für die Nichtanrechnung öffentlicher oder privater Fürsorgeleistungen (Art. 3c Abs. 2 lit. c ELG) qualifizierte Voraussetzungen, indem die Leistungen nur dann von der Anrechnung ausgenommen sind, wenn ihnen "ausgesprochener" Fürsorgecharakter zukommt (Urteil G. vom 24. Juni 2002, P 6/02). Fürsorgecharakter im Sinne dieser Bestimmung haben praxisgemäss Leistungen, die freiwillig und auf Zusehen hin gewährt werden und jedes Mal oder zumindest periodisch der Hilfsbedürftigkeit des Bezügers angepasst werden (BGE 116 V 330 Erw. 1a mit Hinweisen, Urteil G. vom 24. Juni 2002, P 6/02). 
 
2.- Fest steht und unbestritten ist, dass W.________ (zusammen mit seiner Ehefrau und Tochter) während der Dauer des Konkursverfahrens und mindestens bis Ende 1999 in dem Sinne unentgeltlich in der in die Konkursmasse gefallenen Liegenschaft an der Strasse X.________ in Y.________ wohnen konnte, als er dafür weder Hypothekar- noch Mietzinsen zu bezahlen brauchte. Streitig ist jedoch, ob diesbezüglich ein (noch zu ermittelnder) Mietzins oder Mietwert - trotz fehlender tatsächlicher Auslagen - bei der Bedarfsberechnung als Ausgabe im Sinne von Art. 3b Abs. 1 lit. b ELG anzuerkennen ist. 
 
a) Das kantonale Gericht vertritt die Auffassung, dem Versicherten sei "trotz fehlender tatsächlicher Auslagen ein Mietzins als Ausgabe anzurechnen". Das sei "Ausdruck der Priorität der Ergänzungsleistungen vor allfälligen von der Konkursverwaltung gewährten Liberalitäten wie Unterhaltsbeiträgen oder zinsfreiem Wohnen" (angefochtener Entscheid S. 8 unten). Nach Rz 3024 der vom BSV herausgegebenen Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL) in der seit 1. Januar 1998 gültigen Fassung sei bei Mietzinsen (bzw. Mietzinsanteilen) von gemeinsam bewohnten Wohnungen, die in fürsorgerischer Weise durch Behörden, Institutionen, Verwandte oder Dritte für den Versicherten übernommen würden, der anteilsmässig ermittelte Mietzins als Mietausgabe zu anerkennen. Demnach begründet die Vorinstanz ihren Entscheid sinngemäss damit, die Konkursbehörde habe aus fürsorgerischen Gründen gegenüber dem Versicherten auf die Erhebung eines Hypothekar- oder Mietzinses verzichtet, weshalb ein - hier im Sinne von BGE 126 V 252 zu ermittelnder - Mietwert als Mietausgabe zu berücksichtigen sei. 
 
b) Demgegenüber macht die Sozialversicherungsanstalt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde zutreffend geltend, das Konkursamt habe den Versicherten nicht aus fürsorgerischen Gründen unentgeltlich in seiner ehemaligen Wohnung leben lassen. Ein Mitarbeiter des zuständigen Konkursamtes bestätigte bereits am 11. Mai 1999 auf telephonische Anfrage hin gegenüber der Sozialversicherungsanstalt, dass der Versicherte weder Miet- noch Hypothekarzinsen bezahlen müsse. Gegenüber einer Richterin der Vorinstanz erklärte derselbe Mitarbeiter auf Anfrage hin am 10. Mai 2000, die Familie W.________ habe während der Dauer des Konkursverfahrens deshalb weiterhin ihre bisherige Wohnung unentgeltlich (bis auf die einzig zu Lasten der Bewohner fallenden Nebenkosten) nutzen können, weil die nachmalige konkursamtliche Veräusserung der Liegenschaft durch den Abschluss eines Mietvertrages mit der Familie W.________ erschwert worden wäre, weshalb im mutmasslichen Interesse der Gläubiger (-Banken) darauf verzichtet worden sei. 
Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Entscheid sind den Akten keinerlei Hinweise zu entnehmen, dass der Versicherte (mit seiner Familie) aus fürsorgerischen Gründen unentgeltlich in der ehemals ihm zu Eigentum gehörenden Liegenschaft hätte weiter wohnen können. Rz 3024 WEL ist schon allein deswegen nicht einschlägig, weil die dort erwähnte - trotz Unentgeltlichkeit des Wohnens ausnahmsweise erfolgende - Anerkennung von Mietausgaben vom Fürsorgecharakter der Wohnkostenbefreiung abhängt. Liegt infolge des offensichtlich fehlenden Fürsorgecharakters des konkursamtlichen Verzichts auf die Erhebung von Mietzinsen kein Anwendungsfall von Rz 3024 WEL vor, erübrigt sich die Prüfung der Frage der Gesetzmässigkeit dieser Wegleitungsbestimmung. 
Aus demselben Grund entfällt auch die Anrechnung einer Mietausgabe gestützt auf Art. 3c Abs. 2 (in Frage kommt hier nur dessen lit. c) ELG. Denn soweit argumentiert werden könnte, im Verzicht auf die Erhebung eines Mietzinses sei eine Zuwendung an den EL-Ansprecher im Sinne einer nicht anrechenbaren "Einnahme" nach Art. 3c Abs. 2 lit. c ELG zu erblicken, weshalb diese - tatsächlich durch Dritte getragene - Mietzinslast beim Versicherten dennoch in der Bedarfsberechnung als Ausgabe zu berücksichtigen sei, fehlt es ebenso am diesbezüglich vorausgesetzten Fürsorgecharakter (Erw. 1 hievor) des konkursamtlichen Handelns. 
 
c) Demnach ist kein Grund ersichtlich, weshalb - trotz Unentgeltlichkeit des Wohnens - Mietausgaben bei der hier zugrunde liegenden Bedarfsberechnung hätten berücksichtigt werden müssen, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offensichtlich begründet ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird 
der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons 
St. Gallen vom 14. August 2001 aufgehoben. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 7. August 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Vorsitzende der II. Kammer: 
Der Gerichtsschreiber: