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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_18/2022  
 
 
Urteil vom 5. Mai 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Abrecht, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Locher, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zug, 
Baarerstrasse 11, 6300 Zug, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Invalidenrente, Einkommensvergleich), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 16. November 2021 (S 2020 41). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1976 geborene A.________ arbeitete vom 1. Juli 2011 bis 28. Februar 2015 als Produktions- und Supportmanagerin bei der Firma B.________. Am 31. März 2015 meldete sie sich bei der IV-Stelle des Kantons Zug zum Leistungsbezug an. Diese sprach ihr vom 1. Oktober 2015 bis 30. Juni 2016 eine Viertelsrente zu (Verfügung vom 18. Februar 2020). 
 
B.  
In teilweiser Gutheissung der hiergegen von A.________ geführten Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des Kantons Zug die Verfügung der IV-Stelle auf. Es sprach der Versicherten vom 1. Oktober 2015 bis 29. Februar 2016 eine halbe, vom 1. März bis 31. Mai 2016 eine ganze und vom 1. Juni 2016 bis 31. Juli 2017 eine halbe Invalidenrente zu. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Urteil vom 16. November 2021). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, in Anpassung resp. Aufhebung des kantonalen Urteils sei ihr vom 1. Oktober 2015 bis 29. Februar 2016 eine Dreiviertelsrente, vom 1. März bis 31. Mai 2016 eine ganze Invalidenrente, vom 1. Juni 2016 bis 31. Juli 2017 eine Dreiviertelsrente, vom 1. August bis 31. Dezember 2017 eine Viertelsrente und ab Januar 2018 eine unbefristete halbe Invalidenrente zuzusprechen. 
 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Als Rechtsfrage gilt, ob die rechtserheblichen Tatsachen vollständig festgestellt und ob der Untersuchungsgrundsatz bzw. die Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG beachtet wurden. Gleiches gilt für die Frage, ob den medizinischen Gutachten und Arztberichten im Lichte der rechtsprechungsgemässen Anforderungen Beweiswert zukommt (BGE 134 V 231 E. 5.1). Bei den aufgrund dieser Berichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 141 V 585). 
 
2.  
 
2.1. Streitig ist, ob die vorinstanzliche Bemessung und Befristung der Invalidenrente bis 31. Juli 2017 bundesrechtskonform ist. Umstritten ist in diesem Rahmen einzig die beruflich-erwerbliche Seite der Invaliditätsbemessung bzw. die Festlegung des von der Beschwerdeführerin trotz Gesundheitsschadens hypothetisch erzielbaren Invalideneinkommens (Art. 16 ATSG; zur bundesgerichtlichen Kognition siehe BGE 132 V 393 E. 3.3).  
 
2.2. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (nebst vielen: BGE 144 V 210 E. 4.3.1, 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar.  
 
2.3. Die Vorinstanz hat die hier massgebenden rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung betreffend die Invaliditätsbemessung bei im Gesundheitsfall voll erwerbstätigen Versicherten nach der Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) und bei im Gesundheitsfall teilweise Erwerbstätigen nach der gemischten Methode (Art. 28a Abs. 3 IVG; BGE 145 V 370, 143 I 50 E. 4.4) richtig dargelegt. Gleiches gilt bezüglich des massgebenden Beweisgrads der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 146 V 51 E. 5.1). Darauf wird verwiesen.  
 
3.  
 
3.1. Übt die versicherte Person - wie hier - nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aus, können die Tabellenlöhne gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE) herangezogen werden (Urteil 8C_256/2021 vom 9. März 2022 E. 6.2, zur Publikation vorgesehen; BGE 143 V 295 E. 2.2). Dabei wird in der Regel der Totalwert angewendet. Praxisgemäss ist beim anhand der LSE vorgenommenen Einkommensvergleich sodann von der Tabellengruppe A (standardisierte Bruttolöhne) auszugehen, wobei üblicherweise auf die Tabelle TA1_tirage_skill_level, privater Sektor, abgestellt wird. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht absolut, sondern kennt Ausnahmen. Es kann sich rechtsprechungsgemäss durchaus rechtfertigen, auf die Tabelle TA7 resp. T17 (ab 2012) abzustellen, wenn dies eine genauere Festsetzung des Invalideneinkommens erlaubt und wenn der versicherten Person der öffentliche Sektor auch offensteht. Bei der Verwendung der standardisierten Bruttolöhne ist gemäss Rechtsprechung jeweils vom sogenannten Zentralwert (Median) auszugehen (Urteil 8C_256/2021 vom 9. März 2022 E. 6.2, zur Publikation vorgesehen; BGE 126 V 75 E. 3b/bb).  
 
3.2. Wird das Invalideneinkommen auf der Grundlage von statistischen Lohndaten wie namentlich der LSE ermittelt, ist der so erhobene Ausgangswert gemäss bisheriger Rechtsprechung allenfalls zu kürzen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können und die versicherte Person je nach Ausprägung deswegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann. Der Abzug soll aber nicht automatisch erfolgen. Er ist unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen und darf 25 % nicht übersteigen. Die bisherige Rechtsprechung gewährt insbesondere dann einen Abzug vom Invalideneinkommen, wenn eine versicherte Person selbst im Rahmen körperlich leichter Hilfsarbeitertätigkeit in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Allfällige bereits in der Beurteilung der medizinischen Arbeitsfähigkeit enthaltene gesundheitliche Einschränkungen dürfen nicht zusätzlich in die Bemessung des leidensbedingten Abzugs einfliessen und so zu einer doppelten Anrechnung desselben Gesichtspunkts führen (Urteil 8C_256/2021 vom 9. März 2022 E. 6.3, zur Publikation vorgesehen; BGE 146 V 16 E. 4.1). Ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar (BGE 146 V 16 E. 4.2).  
 
4.  
Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, der Einkommensvergleich habe auf den Zeitpunkt des frühestmöglichen hypothetischen Renteneintritts im Oktober 2015 bzw. auf den Zeitpunkt der hypothetischen (rückwirkenden) Revisionszeitpunkte im März und Juni 2016 sowie August 2017 hin zu erfolgen. Für die Bestimmung des Invalideneinkommens sei der monatliche Bruttolohn (Zentralwert) weiblicher Arbeitskräfte im Sektor "Information und Kommunikation" (LSE 2016, TA1_tirage_skill_level, 58-63) im Kompetenzniveau 2 (praktische Tätigkeiten wie Verkauf/Pflege/Datenverarbeitung und Administration/Bedienen von Maschinen und elektronischen Geräten/Sicherheitsdienst sowie Fahrdienst) von Fr. 5982.- zu verwenden. Indexiert auf das Jahr 2015 und unter Berücksichtigung der betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit im Bereich "Information und Kommunikation" von 41.1 Stunden sowie des der Beschwerdeführerin zumutbaren Arbeitspensums von 50 % ergebe sich ein Invalideneinkommen von Fr. 36'441.73. Für das Jahr 2016 resultiere unter Berücksichtigung der durchschnittlichen betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden im Sektor "Information und Kommunikation" sowie des zumutbaren Arbeitspensums von 15 % ein Invalideneinkommen von Fr. 11'036.79. Für die Anpassung per 1. Juni 2016 ergebe sich in Anbetracht des zumutbaren 50 %igen Arbeitspensums ein Invalideneinkommen von Fr. 36'789.30. Für das Jahr 2017 resultiere indexiert und angesichts der durchschnittlichen betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden im Sektor "Information und Kommunikation" sowie des zumutbaren Arbeitspensums von 80 % ein Invalideneinkommen von Fr. 59'502.70. Faktoren, die einen leidensbedingten Abzug vom Tabellenlohn rechtfertigen würden und nicht bereits im definierten Zumutbarkeitsprofil enthalten seien, seien nicht ersichtlich. 
 
5.  
 
5.1. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf das statistische Gutachten "Nutzung Tabellenmedianlöhne LSE zur Bestimmung der Vergleichslöhne bei der IV-Rentenbemessung" des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS AG vom 8. Januar 2021 (Autoren: Jürg Guggisberg, Markus Schärrer, Céline Gerber und Severin Bischof; nachfolgend: BASS-Gutachten) sowie auf das Rechtsgutachten "Grundprobleme der Invaliditätsbemessung in der Invalidenversicherung" vom 22. Januar 2021 (nachfolgend: Rechtsgutachten) und die Schlussfolgerungen daraus "Fakten oder Fiktion? Die Frage des fairen Zugangs zu Invalidenleistungen. Schlussfolgerungen aus dem Rechtsgutachten 'Grundprobleme der Invaliditätsbemessung in der Invalidenversicherung' " vom 27. Januar 2021 (nachfolgend: Schlussfolgerungen aus dem Rechtsgutachten), beide von Prof. Dr. iur. Gächter, Dr. iur. Egli, Dr. iur. Meier und Dr. iur. Filippo. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe diese neuesten Untersuchungen und Gutachten übersehen. Mit diesen sei nachgewiesen worden, dass der Medianwert der LSE keine geeignete Grundlage für die Bestimmung des Invalideneinkommens darstelle. Der LSE-Medianwert bilde ab, mit welchem Verdienst gesunde Arbeitnehmer in der Schweiz etwa rechnen könnten. Invalide Arbeitnehmer verdienten in Tat und Wahrheit aber ca. 10 bis 20 % weniger, weshalb es sich rechtfertige, bei der Bestimmung des Invalideneinkommens nicht auf den Medianwert, sondern auf den Wert des 1. Quartils abzustellen. Dieser entspreche annäherungsweise dem "mittleren" Einkommen einer gesundheitlich eingeschränkten Person.  
Weiter macht die Beschwerdeführerin geltend, der von der Vorinstanz beigezogene Sektor "Information und Kommunikation" sei mit der Berufsgruppe "Bürokräfte und verwandte Berufe" vergleichbar. Der Wert des 1. Quartils der Berufsgruppe 4 "Bürokräfte und verwandte Berufe" liege gemäss dem BASS-Gutachten rund um 16 % unter dem Medianwert. Somit sei davon auszugehen, dass der Wert des 1. Quartils für den Sektor "Information und Kommunikation" ebenfalls rund um 16 % unter demjenigen des Medianwerts liege. Dies führe zu einer Verringerung der von der Vorinstanz errechneten Invalideneinkommen um jeweils 16 %. 
 
5.2. Diese Einwände sind nicht stichhaltig. Das Bundesgericht hat nämlich mit Urteil 8C_256/2021 vom 9. März 2022, zur Publikation vorgesehen, mit Blick auf die von der Beschwerdeführerin angerufenen Rechtsgutachten und Schlussfolgerungen entschieden, dass im heutigen Zeitpunkt kein ernsthafter sachlicher Grund für die Änderung der Rechtsprechung besteht, wonach Ausgangspunkt für die Bemessung des Invalideneinkommens anhand statistischer Werte grundsätzlich die Zentral- bzw. Medianwerte der LSE darstellen. Gründe für eine Praxisänderung (hierzu vgl. BGE 145 V 304 E. 4.4) zeigt die Beschwerdeführerin nicht substanziiert auf und sind auch nicht ersichtlich.  
 
Nicht gefolgt werden kann somit der Argumentation der Beschwerdeführerin, die von der Vorinstanz veranschlagten, auf dem LSE-Medianwert basierenden Invalideneinkommen (vgl. E. 4 hiervor) seien um 16 % zu kürzen. 
 
6.  
 
6.1. Weiter macht die Beschwerdeführerin geltend, es sei ihr ein behinderungsbedingter Abzug von 10 % zu gewähren. Dies sei schon deshalb gerechtfertigt, weil sie auf ein strukturiertes, möglichst stressarmes Arbeitsumfeld angewiesen sei, das im oft turbulenten Verlagswesen auch im Kompetenzniveau 2 nicht (durchgehend) gewährt werden könne. Es sei daher davon auszugehen, dass sie unter Zeitdruck (Abgabetermine etc.) und in hektischen Phasen nicht die gleiche Leistung wie eine nicht gesundheitlich eingeschränkte Mitarbeiterin im Kompetenzniveau 2 erbringen könne. Dies wirke sich noch zusätzlich negativ auf ihre Entlöhnung aus.  
 
6.2. Dieser Einwand ist unbehelflich. Denn die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die vorinstanzliche Feststellung, dass den entsprechenden Einschränkungen bereits im Rahmen des Zumutbarkeitsprofils Rechnung getragen worden sei (vgl. E. 4 hiervor), offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig sei. Eine zusätzliche Berücksichtigung im Rahmen eines Abzugs wäre somit unzulässig (BGE 146 V 16 E. 4.1 S. 19 f.).  
 
7.  
Im Übrigen bringt die Beschwerdeführerin gegen die vorinstanzliche Ermittlung des Invaliditätsgrades keine Einwendungen vor, weshalb es damit sein Bewenden hat. Die Beschwerde ist somit abzuweisen. 
 
8.  
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 5. Mai 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar