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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_335/2017  
 
 
Urteil vom 24. April 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer und Rüedi, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. Aa.________, 
2. Ab.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Christian Lüscher, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons 
Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern, 
2. X.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Zivilklage; Schadenersatz, Parteientschädigung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 8. Februar 2017 
(SK 15 328). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Regionalgericht Oberland verurteilte X.________ am 25. August 2015 wegen Veruntreuung zu einer bedingten Geldstrafe von 96 Tagessätzen zu Fr. 70.-- bei einer Probezeit von drei Jahren und einer Verbindungbusse von Fr. 1'680.--. Es verpflichtete X.________, Aa.________ und Ab.________ Schadenersatz von Fr. 43'500.-- nebst Zins zu 5 % seit dem 5. Juni 2012 sowie eine Parteientschädigung von Fr. 9'953.05 zu bezahlen. 
 
B.  
Am 8. Februar 2017 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern X.________ auf dessen Berufung hin wegen Veruntreuung zu einer bedingten Geldstrafe von 96 Tagessätzen zu Fr. 70.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren und einer Verbindungbusse von Fr. 1'680.--. Es verpflichtete ihn, Aa.________ und Ab.________ für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 11'076.25 zu bezahlen. Die Zivilklage wies es ab. 
 
C.  
Aa.________ und Ab.________ beantragen mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei teilweise aufzuheben. X.________ sei zu verpflichten, ihnen Schadenersatz von Fr. 43'500.-- nebst Zins und eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren von Fr. 11'823.05 zu bezahlen. Der Kanton Bern und X.________ seien solidarisch zu verpflichten, ihnen eine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren zu bezahlen. 
 
D.  
X.________ lässt sich nicht vernehmen. Das Obergericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, während die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern auf eine Vernehmlassung verzichtet. Aa.________ und Ab.________ replizierten nicht. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gemäss Art. 78 Abs. 2 lit. a BGG unterliegen der Beschwerde in Strafsachen auch Entscheide über Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung steht der Privatklägerschaft die Beschwerde in Strafsachen zur Durchsetzung ihrer Zivilansprüche zur Verfügung, wenn die letzte kantonale Instanz sowohl den Straf- als auch den Zivilpunkt zu beurteilen hatte. War nur noch der Zivilpunkt strittig, ist die Beschwerde in Zivilsachen zulässig (BGE 133 III 702 E. 2.1). 
Die Vorinstanz beurteilte auf Berufung des Beschwerdegegners hin auch den Strafpunkt, weshalb den Beschwerdeführern zur Durchsetzung ihrer Zivilansprüche die Beschwerde in Strafsachen grundsätzlich zur Verfügung steht. 
 
2.  
Zu ihrer Legitimation tragen die Beschwerdeführer vor, sie seien alleinige Erben von Ac.________, welche unmittelbar geschädigt worden sei und sich vor ihrem Versterben als Privatklägerin konstituiert habe. Somit seien sie kraft Art. 121 Abs. 1 StPO vollumfänglich in deren Rechte eingetreten und gestützt auf Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG beschwerdeberechtigt. 
Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG; BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f.). Die Beschwerdeführer und deren Rechtsvorgängerin haben sich als Privatkläger am Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner beteiligt und bei der ersten Instanz Schadenersatz von Fr. 43'500.-- nebst Zins beantragt. Vor Vorinstanz trugen sie auf Abweisung der Berufung des Beschwerdegegners an, während sie vor Bundesgericht ihren Antrag auf Schadenersatz erneuern. Auf ihre Beschwerde ist einzutreten. 
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführer tragen vor, die erste Instanz habe den Beschwerdegegner der Veruntreuung schuldig gesprochen und ihn zu Schadenersatz von Fr. 43'500.-- nebst Zins verurteilt. Sie habe diesen Anspruch auf Art. 41 OR gestützt. In seiner Berufungsbegründung habe der Beschwerdegegner ausgeführt, infolge Freispruchs sei die gegen ihn erhobene Zivilklage abzuweisen. Der Beschwerdegegner habe die erstinstanzliche Anwendung von Art. 41 OR nicht angefochten. Er habe nicht in Abrede gestellt, dass er zu Schadenersatz nebst Zins verpflichtet werden müsse, wenn er schuldig gesprochen würde. Auch in seiner Replik habe er dies nicht getan. Die Vorinstanz habe jedoch die Zivilklage abgewiesen mit der Begründung, nicht der Beschwerdegegner schulde den Beschwerdeführern den Betrag von Fr. 43'500.--, sondern die Y.________ GmbH. Mit der vom Beschwerdegegner nicht angefochtenen erstinstanzlichen Begründung habe sich die Vorinstanz mit keinem Wort auseinandergesetzt.  
 
3.2. Die Vorinstanz erwägt, die Beschwerdeführer hätten im Berufungsverfahren keine Ausführungen zum Zivilpunkt gemacht und insbesondere keine expliziten Anträge gestellt. Sie geht jedoch davon aus, dass der Antrag auf Abweisung der Berufung auch den Zivilpunkt umfasse, und die Beschwerdeführer beantragten, der Beschwerdegegner sei zu Schadenersatz von Fr. 43'500.-- nebst Zins zu verpflichten. Der Beschwerdegegner bringe pauschal vor, die gegen ihn erhobene Zivilklage erweise sich infolge des beantragten Freispruchs als unbegründet, weshalb sie unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdeführer abzuweisen sei. Die Beweiswürdigung habe ergeben, dass nicht der Beschwerdegegner persönlich den Kauferlös von Fr. 41'000.-- schulde, sondern die Y.________ GmbH. Entsprechend sei die im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner adhäsionsweise geltend gemachte Zivilklage mangels Passivlegitimation abzuweisen.  
 
4.  
 
4.1. Der Adhäsionsprozess ist kein selbständiger Zivilprozess, welcher dem Strafverfahren nur angehängt ist. Seiner Natur nach ist der Adhäsionsprozess ein in den Strafprozess integrierter Zivilprozess, für den aufgrund dieser Besonderheit in mancherlei Hinsicht besondere Regeln gelten. Das Adhäsionsverfahren richtet sich nach der StPO und nicht nach der ZPO. Generell fliesst aus dem Charakter des Adhäsionsverfahrens, dass im Zentrum des Strafverfahrens die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs steht und dass die dazu erforderlichen Verfahrensschritte ebenfalls dazu dienen müssen, die Grundlagen für den Entscheid im Zivilpunkt zu liefern. Nur soweit Lücken bestehen, sind zivilprozessuale Regelungen und Grundsätze anwendbar (Schmid/Jositsch, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2017, N. 703; Annette Dolge, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 9 sowie 13 ff. zu Art. 122 StPO).  
Wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen, kann vorliegend offen bleiben, ob straf- oder zivilprozessuale Regeln zur Anwendung gelangen, denn die Vorinstanz hätte den Beschwerdeführern jedenfalls das rechtliche Gehör gewähren müssen, bevor sie deren Zivilklage abwies. 
 
4.2. Will das Gericht den Sachverhalt rechtlich anders würdigen als die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift, so eröffnet es dies den anwesenden Parteien und gibt ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme (Art. 344 i.V.m. Art. 379 StPO). Wendet man diese strafprozessuale Bestimmung sinngemäss auf den Adhäsionsprozess an, dann hätte die Vorinstanz den Beschwerdeführern das rechtliche Gehör gewähren müssen, bevor sie deren Adhäsionsklage abwies.  
 
4.3. Gleiches ergibt sich aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Anspruch auf rechtliches Gehör im Allgemeinen. Demnach besteht zwar kein verfassungsrechtlicher Anspruch der Parteien, zur rechtlichen Würdigung der durch sie in den Prozess eingeführten Tatsachen noch besonders angehört zu werden. Ebenso wenig folgt aus dem Gehörsanspruch, dass die Parteien vorgängig auf den für den Entscheid wesentlichen Sachverhalt hinzuweisen wären (BGE 130 III 35 E. 5 S. 39; 108 Ia 293 E. 4c S. 295). Eine Ausnahme besteht aber dann, wenn ein Gericht seinen Entscheid mit einem Rechtsgrund zu begründen beabsichtigt, auf den sich die beteiligten Parteien nicht berufen haben und mit dessen Erheblichkeit sie vernünftigerweise nicht rechnen mussten (BGE 130 III 35 E. 5 S. 39; 126 I 19 E. 2c/aa S. 22; 124 I 49 E. 3c S. 52; 123 I 63 E. 2d S. 69; 115 Ia 94 E. 1b S. 96 f.; 114 Ia 97 E. 2a S. 99, mit weiteren Hinweisen; Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Diss. Bern 2000, S. 270 f.; Georg Müller, Rechtsgleichheit, Kommentar zur Bundesverfassung [Überarbeitung], 1995, Rz. 105 zu Art. 4 BV).  
 
4.4. Die Vorinstanz begründet ihr Urteil mit einem Rechtsgrund, auf den sich keine Partei berief. Der Beschwerdegegner begründete die Abweisung der Zivilklage einzig mit dem beantragten Freispruch vom Vorwurf des Betrugs. Die Beschwerdeführer mussten vernünftigerweise nicht damit rechnen, dass die Vorinstanz ihre Zivilklage mit der Begründung abweisen würde, die Y.________ GmbH und nicht der Beschwerdegegner schulde den Kauferlös von Fr. 41'000.--.  
 
4.5. Nach dem Gesagten verletzte die Vorinstanz den Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör. Es erübrigt sich daher grundsätzlich, auf deren weitere Rügen einzugehen. Immerhin ist aber zu bemerken, dass die Verursachung eines Vermögensschadens widerrechtlich im Sinne von Art. 41 OR ist, wenn sie eine einschlägige Schutznorm verletzt. Gegen eine solche Schutznorm verstiess der Beschwerdeführer eindeutig, weil er mittlerweile rechtskräftig wegen Veruntreuung verurteilt wurde. Neben einer allfälligen vertraglichen Forderung gegen die Y.________ GmbH besteht somit seitens der Beschwerdeführer ein deliktsrechtlicher Anspruch gegen den Beschwerdegegner, wobei die Anspruchspflichtigen in unechter Solidarität haften (Art. 50 und Art. 51 OR; BGE 130 III 591 E. 5.5.1 mit Hinweisen).  
 
5.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Dispositiv-Ziffer III des angefochtenen Urteils ist aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Kanton Bern hat die Beschwerdeführer angemessen zu entschädigen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf eingetreten wird, Dispositiv-Ziffer III des Urteils des Obergerichts des Kantons Bern vom 8. Februar 2017 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Bern wird verpflichtet, den Beschwerdeführern eine Entschädigung von insgesamt Fr. 3'000.-- zu zahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. April 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt