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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_554/2023  
 
 
Urteil vom 16. Januar 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiberin Kopp Käch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Sozialkommission Sense-Unterland, 
Bahnhofplatz 2, 3186 Düdingen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Sozialhilfe (vorinstanzliches Verfahren), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg vom 24. Juli 2023 (605 2023 95/97/113/115). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1983 geborene A.________ wird seit Mai 2016 (mit Unterbrüchen) durch den Sozialdienst unterstützt. Mit Verfügung vom 16. März 2023 erwog die Sozialkommission Sense-Unterland, er habe von Januar bis Oktober 2022 Fr. 2'704.- zu viel Sozialhilfe erhalten; bis dieser Betrag zurückerstattet sei, würden vom monatlichen Grundbedarf ab sofort Fr. 272.85 abgezogen. Mit einer weiteren Verfügung vom 6. April 2023 entschied sie, A.________ habe zu Unrecht Fr. 9'204.75 Sozialhilfe bezogen; dieser Betrag müsse in Raten zurückbezahlt werden bzw. werde vom laufenden Unterhalt abgezogen. Die Sozialkommission hielt mit zwei separaten Einspracheentscheiden vom 11. Mai 2023 im Wesentlichen an ihrem Standpunkt fest und wies die gegen die Verfügungen eingereichten Einsprachen ab. 
 
B.  
A.________ erhob dagegen beim Kantonsgericht Freiburg Beschwerde und beantragte sinngemäss, es sei in Aufhebung der Einspracheentscheide vom 11. Mai 2023 auf die Rückerstattungen zu verzichten. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sowie Bestellung eines Rechtsbeistands. Mit Verfügung vom 26. Juni 2023 lehnte die Instruktionsrichterin die Gesuche um Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands und um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab, letzteres superprovisorisch. Darin teilte sie A.________ zudem mit, seine Eingabe werde der Sozialkommission zur Stellungnahme unterbreitet und es stehe ihm frei, sich nach deren Eingang nochmals zu äussern. 
Mit Urteil vom 24. Juli 2023 wies das Kantonsgericht die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid betreffend die Verfügung vom 16. März 2023 ab. Die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid betreffend die Verfügung vom 6. April 2023 hiess es insoweit teilweise gut, als der Rückerstattungsbetrag auf Fr. 5'904.75 reduziert wurde. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, das Urteil des Kantonsgerichts vom 24. Juli 2023 sei wegen Verfahrensfehlern aufzuheben und die Rückerstattungsschuld sei zu erlassen. Zudem ersucht er wiederum um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. 
Das Kantonsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit überhaupt darauf einzutreten sei. Die Sozialkommission verzichtet auf eine Stellungnahme. 
A.________ reicht am 5. Januar 2024 eine weitere Eingabe ein und erneuert das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4). 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer behauptet vorab, das Urteil des Kantonsgerichts vom 24. Juli 2023 sei ihm nie zugestellt worden; er habe nur durch die Sozialbehörden davon Kenntnis erhalten. Er rügt in verfahrensrechtlicher Hinsicht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, namentlich des Replikrechts. Zur Begründung macht er geltend, die Vorinstanz habe ihm mit Schreiben vom 26. Juni 2023 mitgeteilt, seine Eingabe werde der Sozialkommission zur Stellungnahme unterbreitet und es stehe ihm frei, sich nach deren Eingang nochmals zu äussern. Die entsprechende Stellungnahme liege ihm bis heute nicht vor und er habe nicht die Gelegenheit erhalten, sich nochmals zu äussern, wie ihm dies im erwähnten Schreiben versprochen worden sei, oder Beweise einzureichen. Stattdessen sei einfach das Urteil gefällt worden.  
 
2.2. Die Vorinstanz verneint in ihrer Vernehmlassung verfahrensrechtliche Mängel im kantonalen Verfahren, namentlich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Sie habe das an den Beschwerdeführer adressierte Urteil vom 24. Juli 2023 am 31. Juli 2023 der Post übergeben (Sendungsnummer 98.33.101616.90000687) und die Abholung sei am 9. August 2023 um 09.50 Uhr am Schalter in U.________ erfolgt. Die Stellungnahme der Sozialkommission vom 3. Juli 2023 sei dem Beschwerdeführer sodann mit Schreiben vom 10. Juli 2023 zur Information weitergeleitet worden, woraufhin dieser sich - bis zur Fällung des Urteils am 24. Juli 2023 und auch bis zu dessen Versand - nicht mehr geäussert habe, obwohl ihm die Möglichkeit grundsätzlich offen gestanden hätte.  
 
3.  
 
3.1. Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Aus dieser verfassungsmässigen Garantie folgt unter anderem das Recht einer Partei, sich im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zu den Stellungnahmen und Vernehmlassungen der anderen Verfahrensparteien, unteren Instanzen und weiteren Stellen zu äussern (BGE 133 I 98 E. 2.1). Dieses Äusserungsrecht steht einer Prozesspartei unabhängig davon zu, ob die eingereichte Eingabe neue Tatsachen oder rechtliche Argumente enthält und ob sie im Einzelfall geeignet ist, den richterlichen Entscheid zu beeinflussen. Es ist Sache der Parteien und nicht des Gerichts zu beurteilen, ob eine neue Eingabe oder ein neues Beweismittel Bemerkungen erfordert (BGE 146 III 97 E. 3.4.1; 138 I 484 E. 2.1; je mit Hinweisen). Die Wahrnehmung des Replikrechts setzt voraus, dass die fragliche Eingabe der Partei vor Erlass des Urteils zugestellt wird, damit diese sich darüber schlüssig werden kann, ob sie sich dazu äussern will (BGE 137 I 195 E. 2.3.1 mit Hinweisen). In diesem Sinne ist der Prozesspartei die konkrete Möglichkeit zur Replik einzuräumen (BGE 133 I 100 E. 4.3 - 4.6 mit Hinweisen; Urteil 9C_557/2008 vom 3. April 2009 E. 3.2, nicht publ. in: BGE 135 III 289). Hierzu genügt es grundsätzlich, den Parteien die Eingabe zur Information zuzustellen (BGE 138 I 484 E. 2.4; 138 III 252 E. 2.2; zum Ganzen: Urteil 5A_242/2020 vom 30. Juni 2020 E. 3.2.1 mit Hinweisen, in: SZZP 2020 S. 571 und Urteil 8C_710/2022 vom 6. März 2023 E. 3.1 mit Hinweisen).  
 
3.2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur (BGE 144 IV 302 E. 3.1 mit Hinweisen). Eine Verletzung des Replikrechts führt ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (Urteil 8C_710/2022 vom 6. März 2023 E. 3.2 mit Hinweisen).  
 
4.  
Dem vorinstanzlichen Urteil lässt sich nicht entnehmen, ob der Beschwerdeführer Kenntnis von der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin erhalten hat; in den Rechtsschriften finden sich divergierende Aussagen dazu. 
 
4.1. Die objektive Beweislast für die Tatsache und das Datum der Zustellung eines behördlichen Entscheids trägt nach der Rechtsprechung die Behörde, die daraus Rechte ableiten will (BGE 142 IV 125 E. 4.3; 136 V 295 E. 5.9; Urteil 9C_260/2021 vom 6. Dezember 2021 E. 4.6.1, in SVR 2022 AHV Nr. 12 S. 30; Urteil 8C_710/2022 vom 6. März 2023 E. 3.3).  
 
4.2. Das in den kantonalen Verfahrensakten liegende Schreiben an den Beschwerdeführer vom 10. Juli 2023 enthält den Hinweis "Kopie zur Information: Bemerkungen der Sozialkommission Sense-Unterland vom 5. Juli 2023". Der Versand erfolgte offensichtlich mit normaler Post. Weder macht die Vorinstanz einen qualifizierten Versand (z.B. Einschreiben, A-Post Plus) geltend, noch ist auf dem Schreiben ein entsprechender Hinweis angebracht oder findet sich ein Track&Trace-Auszug bzw. Empfangsschein für Gerichtsurkunden in den Akten. Wird - wie vorliegend - die Tatsache (oder aber auch das Datum der Zustellung) einer Postsendung ohne Ausstellungsnachweis bestritten, muss, da der Beweis für die Zustellung (oder gegebenenfalls für das Zustelldatum) im konkreten Fall auch nicht anderweitig erbracht wird, im Zweifel rechtsprechungsgemäss auf die Darstellung des Empfängers abgestellt werden (BGE 142 IV 125 E. 4.3; 136 V 295 E. 5.9; 129 I 8 E. 2.2 und 124 V 400 E. 2a; Urteil 8C_710/2022 vom 6. März 2023 E. 3.3 mit Hinweisen).  
 
4.3. Ist mithin nach Gesagtem auf die Darstellung des Beschwerdeführers abzustellen, wonach ihm die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin nicht zugestellt worden sei, erfolgte das angefochtene Urteil vom 24. Juli 2023 ohne Gewährung des Replikrechts und daher in Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (E. 3.1 hiervor). Eine Heilung dieses Mangels ist im bundesgerichtlichen Verfahren namentlich infolge der beschränkten Kognition nicht möglich (BGE 133 I 100 E. 4.9; Urteil 8C_710/2022 vom 6. März 2023 E. 3.4 mit Hinweisen).  
 
4.4. Zusammenfassend ist die Beschwerde daher insoweit gutzuheissen, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Gewährung der Verfahrensrechte und anschliessenden Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist es nicht angezeigt, auf die weiteren, materiellen Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen.  
 
5.  
Hinsichtlich der Prozesskosten gilt die Rückweisung der Sache zu neuem Entscheid praxisgemäss als volles Obsiegen (BGE 146 V 28 E. 7; 141 V 281 E. 11.1; Urteil 8C_663/2022 vom 30. November 2023 E. 11). Dementsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren wird damit gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg vom 24. Juli 2023 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Freiburg schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. Januar 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch