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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_31/2020  
 
 
Urteil vom 19. Mai 2020  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Kneubühler, Müller, 
Gerichtsschreiber Uebersax. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Kostenvorschuss, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Appellationsgerichts Basel-Stadt, Präsidentin, 
vom 16. Dezember 2019 (BES.2019.75). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 14. Oktober 2017 erstattete A.A.________ bei der Kantonspolizei Basel-Stadt gegen seine damalige Ehefrau B.A.________ Strafanzeige wegen Verleumdung. Dabei wurde er darauf hingewiesen, dass es sich bei Verleumdung um ein Antragsdelikt handelt. Das Strafantragsformular unterzeichnete A.A.________ in der Folge jedoch nicht, sondern er erklärte, die Sache mit seinem Arzt besprechen und die Anzeige nicht wegen Verleumdung, sondern wegen « Prozessbetrugs » erstatten zu wollen. In der Folge wurde der Strafanzeige die Verfahrensnummer VT.2017.18113 zugewiesen. Daneben gibt es noch verschiedene ähnlich gelagerte Verfahren im Zusammenhang mit Strafanzeigen zwischen B.A.________ und A.A.________. Am 25. März 2019 verfügte die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, auf die Strafanzeige im Verfahren VT.2017.18113 nicht einzutreten, da der fragliche Straftatbestand oder die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt seien bzw. Verfahrenshindernisse bestünden. 
 
B.  
Dagegen erhob A.A.________ am 8. April 2019 Beschwerde beim Appellationsgericht Basel-Stadt. Mit Verfügung BES.2019.75 vom 2. Mai 2019 wies die Präsidentin des Appellationsgerichts ein Gesuch von A.A.________ um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit seiner Begehren ab und forderte ihn auf, innert bestimmter Frist einen Kostenvorschuss von Fr. 500.-- zu leisten. Mit Urteil 1B_277/2019 vom 17. September 2019 hiess das Bundesgericht eine dagegen von A.A.________ eingereichte Beschwerde wegen Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör gut, weil A.A.________ keine Gelegenheit zur Replik gewährt worden war, und wies die Sache zu neuer Beurteilung an das Appellationsgericht zurück. Am 16. Dezember 2019 wies die Präsidentin des Appellationsgerichts nach Gewährung des Replikrechts das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege erneut ab und ordnete wiederum die Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 500.-- an. 
 
C.  
Gegen diese Verfügung der Appellationsgerichtspräsidentin führt A.A.________ beim Bundesgericht erneut Beschwerde in Strafsachen mit dem Hauptantrag, die Verfügung des Appellationsgerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, das Verfahren fortzusetzen; überdies ersucht er um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege und beantragt, die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens seien der Appellationsgerichtspräsidentin persönlich aufzuerlegen. 
Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Stellungnahme. Das Appellationsgericht schliesst ohne weitere Ausführungen und unter Verweis auf seine Verfügung vom 16. Dezember 2019 auf Abweisung der Beschwerde. Weitere Eingaben gingen beim Bundesgericht innert der dafür gesetzten Fristen nicht mehr ein. 
 
D.  
Im separaten Verfahren 1B_47/2020 ist eine weitere Beschwerde von A.A.________ in einem Parallelfall am Bundesgericht hängig, über die gleichzeitig entschieden wird. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit dem angefochtenen Entscheid hat die Vorinstanz das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege in einem strafrechtlichen Verfahren abgewiesen und ihn zur Leistung eines Kostenvorschusses aufgefordert. Dies stellt einen Zwischenentscheid in Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG) dar, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken kann (vgl. BGE 140 IV 202 E. 2 S. 203 ff.; 133 IV 335 E. 4 S. 338, mit Hinweisen). Das Appellationsgericht Basel-Stadt hat als letzte kantonale Instanz (vgl. Art. 80 Abs. 1 BGG) entschieden. Damit steht die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht grundsätzlich offen. Ein unentgeltlicher Rechtsbeistand wurde vom Beschwerdeführer nicht verlangt, weshalb die Zuweisung eines solchen nicht Streitgegenstand bildet.  
 
1.2. Unabhängig von der Legitimation in der Sache selbst kann eine Verfahrenspartei jedenfalls die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen (BGE 138 IV 78 E. 1.3 S. 80; 137 II 305 E. 2 S. 308; 133 I 185 E. 6.2 S. 198 f.; je mit Hinweisen). Dazu zählt auch der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist vom angefochtenen Entscheid besonders betroffen und daher grundsätzlich zur Beschwerde berechtigt (vgl. Art. 81 Abs. 1 BGG).  
 
1.3. Das Bundesgericht beurteilt auf Beschwerde hin, von hier nicht interessierenden weiteren Möglichkeiten abgesehen, namentlich die Verletzung von Bundesrecht unter Einschluss des Bundesverfassungsrechts sowie von Völkerrecht (Art. 95 lit. a und b BGG). Es behandelt nur die vom Beschwerdeführer ausreichend erhobenen Rügen (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtlos erscheint. Diese Bestimmung konkretisiert Art. 136 StPO. Nach dessen Absatz 1 gewährt die Verfahrensleitung der Privatklägerschaft für die Durchsetzung ihrer Zivilansprüche ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege, wenn die Privatklägerschaft nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Gemäss Art. 136 Abs. 2 StPO umfasst die unentgeltliche Rechtspflege namentlich die Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen (lit. a) sowie von den Verfahrenskosten (lit. b). Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege bezweckt, jedem Betroffenen ohne Rücksicht auf seine finanzielle Situation tatsächlich Zugang zum Gerichtsverfahren zu vermitteln und die effektive Wahrung seiner Rechte zu ermöglichen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind als aussichtslos Begehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie - zumindest vorläufig - nichts kostet. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung der Prozessaussichten, wobei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgebend sind (vgl. BGE 142 III 138 E. 5.1 S. 139 f.; 139 III 475 E. 2.2 S. 476 f.; 138 III 27 E. 2.2.4 S. 218; 131 I 150 E. 3.1 S. 355).  
 
2.2. Der Beschwerdeführer rügt, das Appellationsgericht habe mit seinem bloss summarischen Entscheid seine Kognition unrechtmässig beschränkt. Ein gültiger Strafantrag liege auch dann vor, wenn ein solcher bloss in einem nicht unterzeichneten Polizeirapport erwähnt werde. Zudem befände sich « aus völlig unerklärlichen Gründen » ein unterschriebener Strafantrag der Kantonspolizei Luzern in den Verfahrensakten. Indessen verletzt es Art. 6 EMRK und Art. 29 Abs. 3 BV nicht, über die Aussichtslosigkeit einer Beschwerde im Rahmen des Entscheids über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nur durch summarische Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu entscheiden. Vielmehr entspricht das der Rechtsprechung und ist gebräuchlich sowie Folge der prospektiven Beurteilung der Chancen einer Beschwerde, ohne einen definitiven Entscheid in der Sache zu fällen. Was den Strafantrag betrifft, so ist ein solcher zunächst von der Strafanzeige zu unterscheiden. Zur Strafanzeige ist jede Person bei den meisten Delikten berechtigt (Art. 301 StPO). Einen Strafantrag gibt es nur bei den sog. Antragsdelikten und er kann nur von den im Gesetz darin genannten Personen, in der Regel den Opfern, gestellt werden (vgl. Art. 30 ff. StGB und Art. 303 StPO). Die Verleumdung nach Art. 174 Ziff. 1 StGB zählt zu den Antragsdelikten. Der Strafantrag muss unabhängig von der Strafanzeige in der dafür vorgeschriebenen gesetzlichen Form erklärt werden. Das Strafantragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten ab dem Tag, an dem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird (Art. 31 StGB). Im vorliegenden Fall begann die Frist spätestens an dem Tag zu laufen, an dem der Beschwerdeführer Strafanzeige erhob. Nach der Rechtsprechung kann ein Strafantrag zwar auch bei einer Anhörung durch die Polizei entgegengenommen und entsprechend protokolliert werden (vgl. das vom Beschwerdeführer angerufene Urteil des Bundesgerichts 6B_1237/2018 vom 15. Mai 2019 E. 1). Es muss sich dabei aber um einen Strafantrag und nicht bloss um eine Anzeige handeln, was aus der Erklärung des Betroffenen bzw. aus den Umständen klar hervorzugehen hat. Gemäss der Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft vom 25. März 2019, die am Ursprung des vorliegenden Verfahrens stand, erklärte der Beschwerdeführer gegenüber der Polizei jedoch, er wolle die Sache zuerst mit seinem Arzt besprechen, bevor er das Strafantragsformular unterzeichne. Dies stellt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung nicht in Frage. Demnach hat er weder rechtzeitig einen gültigen Strafantrag unterschrieben noch wurde ein solcher konform und damit rechtsgültig protokolliert. Weiter anerkennt die Vorinstanz, dass es aufgrund der verschiedenen gegenseitigen Anzeigen zwischen dem Beschwerdeführer und seiner damaligen Ehefrau zu Irrtümern bei der Aktenablage gekommen ist, die inzwischen bereinigt sein sollten. Aus diesem Grund befand sich möglicherweise zwischenzeitlich versehentlich ein Strafantrag aus einem anderen Verfahren in den Akten des vorliegenden Verfahrens, worauf der Beschwerdeführer verweist und was er selbst als völlig unerklärlich bezeichnet. Ein Strafantrag in einem anderen Zusammenhang kann jedoch nicht einen fehlenden Strafantrag im vorliegenden Fall ersetzen. Nachdem auch nicht ersichtlich ist, welchen Rechtsnachteil der Beschwerdeführer durch die inzwischen korrigierten Verwechslungen bei der Aktenablage erlitten haben sollte, kann er daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Für die Durchführung eines Strafverfahrens wegen Verleumdung bestand damit kein Anlass. Schliesslich legt der Beschwerdeführer überhaupt nicht dar, weshalb es bundesrechtswidrig gewesen sein sollte, die Anfechtung der Nichtanhandnahme eines Strafverfahrens wegen allfälliger anderer Delikte, die er untechnisch als « Prozessbetrug » bezeichnet hatte, als aussichtslos zu beurteilen. Darauf ist daher nicht weiter einzugehen.  
 
2.3. Insgesamt waren die Gewinnaussichten im vorinstanzlichen Verfahren beträchtlich geringer als die Verlustgefahren. Das Appellationsgericht durfte demnach von der Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren des Beschwerdeführers ausgehen. Die angefochtene Verfügung hält vor Bundesrecht stand.  
 
3.  
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG). Da seine Rechtsbegehren auch vor Bundesgericht als von vornherein aussichtslos erscheinen, ist sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren aus dem gleichen Grunde abzuweisen (vgl. Art. 64 BGG), weshalb ihm die entsprechenden Kosten aufzuerlegen sind. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht Basel-Stadt, Präsidentin, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Mai 2020 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Uebersax