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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9F_16/2023  
 
 
Urteil vom 12. Dezember 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichterinnen Moser-Szeless, Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiber Williner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
handelnd durch ihre Eltern und diese vertreten durch B.________, 
Gesuchstellerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst, St. Gallerstrasse 11, 8500 Frauenfeld, 
Gesuchsgegnerin, 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 23. August 2023 (9C_511/2022 (Entscheid VV.2021.225/E und VV.2021.228/E)). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die am 2. Oktober 2012 geborene A.________ leidet an verschiedenen Geburtsgebrechen. Die IV-Stelle des Kantons Thurgau (nachfolgend: IV-Stelle) anerkannte den Anspruch auf diverse Hilfsmittel sowie medizinische Massnahmen und gewährte eine Hilflosenentschädigung. Weiter erkannte sie bei Aufenthalt zu Hause den Anspruch auf einen Intensivpflegezuschlag und gewährte Kostengutsprache für Kinderspitexleistungen. In Zusammenhang mit einem im April 2018 gestellten Gesuch um Verlängerung dieser Leistungen verneinte die IV-Stelle einen Anspruch während des Aufenthalts im Sonderschulheim der Stiftung C.________. Eine dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau in dem Sinne gut, als es die angefochtene Verfügung aufhob und die Sache zu weiteren Abklärungen an die IV-Stelle zurückwies. Diese erteilte in der Folge teilweise Kostengutsprache für Kinderspitexleistungen für den Zeitraum März 2018 bis Februar 2022 im Umfang von zwei Stunden für die Abklärung und Dokumentation und einmal pro Monat 15 Minuten pro Einsatz für die Untersuchung und Behandlung (Verabreichung des Vitamins B12 jeweils sonntags). Für die Ferienwochen könnten zusätzlich maximal weitere vier Sonntage pro Jahr à 15 Minuten verrechnet werden. In den zugesprochenen 15 Minuten sei die Instruktion des Betreuungspersonals der Stiftung C.________ inbegriffen (Verfügung vom 7. September 2021). Die dagegen von A.________ und der CSS Kranken-Versicherung AG erhobenen Beschwerden wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 28. September 2022 ab. 
Das Bundesgericht vereinigte die beiden dagegen von A.________ (Verfahren 9C_511/2022) und von der CSS Kranken-Versicherung AG (Verfahren 9C_516/2022) erhobenen Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und wies diese am 23. August 2023 ab. 
 
B.  
Am 9. Oktober 2023 ersucht A.________ um Revision des Urteils 9C_511/2022 i.V.m. 9C_516/2022 und stellt folgende Anträge: 
 
"1. Das Bundesgerichtsurteil 9C_511/2022 in Verbindung mit 9C_516/2022 vom 23.08.2023 sei aufzuheben 
2. Die in der Beschwerde vom 24.11.2022 beantragten KLV b Leistungen seien als Leistungen gemäss Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. I lit. a IVG anzuerkennen". 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Urteile des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61 BGG). Eine nochmalige Überprüfung der einem Urteil des Bundesgerichts zu Grunde liegenden Streitsache ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die Revision dient insbesondere nicht dazu, Fehler und Unterlassungen der Prozessparteien nachträglich korrigieren zu können (Urteil 9F_7/2023 vom 3. Mai 2023 E. 1.1 mit weiteren Hinweisen). Das Gericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer der in den Art. 121 ff. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt. Die um Revision eines bundesgerichtlichen Urteils ersuchende Person hat gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG namentlich einen vom Gesetz vorgesehenen Revisionsgrund zu nennen und aufzuzeigen, weshalb das revisionsbetroffene Urteil an einem revisionserheblichen Mangel leidet; fehlt eine entsprechende Begründung, wird auf das Gesuch nicht eingetreten (vgl. Urteile 2F_3/2022 vom 19. Januar 2022 E. 2.1; 2F_37/2021 vom 11. Januar 2022 E. 3; 2F_35/2021 vom 9. Dezember 2021 E. 2.1; 2F_30/2021 vom 12. November 2021 E. 2). Das Revisionsgesuch ist unter Beachtung der gesetzlichen Fristen gemäss Art. 124 BGG einzureichen. 
 
2.  
Die Gesuchstellerin beruft sich zur Begründung ihres Revisionsbegehrens auf Art. 121 lit. c und d BGG. Danach kann die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts verlangt werden, wenn darin einzelne Anträge unbeurteilt geblieben sind oder wenn das Gericht in den Akten liegende Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. 
 
2.1. Die Gesuchstellerin macht geltend, das Bundesgericht sei auf von ihr im Verfahren 9C_511/2022 gestellte Anträge nicht eingegangen. Als Beschwerdeführerin hatte sie letztinstanzlich beantragt, es seien der angefochtene (kantonale) Entscheid und die diesem zugrunde liegende Verfügung aufzuheben und die IV-Stelle sei zu verpflichten, der Beschwerdeführerin die beantragten und ärztlich angeordneten Vorkehren zu gewähren, respektive Kostengutsprache für die von Pflegefachfrauen geleisteten und in den Rundschreiben gelisteten Behandlungspflegevorkehren zu erteilen. Inwiefern das Bundesgericht im Urteil 9C_511/2022 vom 23. August 2023 einzelne dieser Anträge im Sinne von Art. 121 lit. c BGG nicht beurteilt haben soll, erhellt nicht. Die von der Gesuchstellerin offerierte Begründung beschränkt sich auf den Hinweis, das Bundesgericht habe ganz offensichtlich übersehen, dass es um die Pflege im professionellen Setting der Stiftung C.________ gegangen sei und daher - wie beantragt - kein Raum für eine Kostenablehnung bestehe. Damit zeigt sich die Gesuchstellerin wohl mit der Begründung der Beschwerdeabweisung nicht einverstanden bzw. sie ruft allenfalls den Revisionsgrund von Art. 121 lit. d BGG an (vgl. dazu nachfolgend E. 2.2). Demgegenüber vermag sie damit nicht aufzuzeigen, welcher der im Verfahren 9C_511/2022 gestellten Anträge unbeurteilt geblieben sein soll.  
 
2.2. Weiter rügt die Gesuchstellerin, das Bundesgericht habe die Verfahren 9C_511/2022 und 9C_516/2022 in einem Urteil vereinigt, wobei es vorwiegend auf das Verfahren der beschwerdeführenden Krankenkasse abgestellt und (deshalb) erhebliche, im Verfahren der Versicherten (9C_511/2022) in den Akten liegende Tatsachen nicht berücksichtigt habe.  
 
2.2.1. Vorbemerkend gilt es darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht nicht die eine oder die andere Beschwerde ins Zentrum gerückt hat. Vielmehr vereinigte es die beiden Verfahren (weil ihnen der gleiche Sachverhalt zugrunde lag, sich konnexe Rechtsfragen stellten und sich die Rechtsmittel gegen den nämlichen vorinstanzlichen Entscheid richteten) und behandelte im vereinigten Urteil vom 23. August 2023 eingehend die Rügen beider Beschwerdeführerinnen.  
 
2.2.2. Als erhebliche Tatsache, welche das Bundesgericht aus Versehen nicht berücksichtigt haben soll, nennt die Gesuchstellerin eine aktenkundige "Bedarfserhebung mit ärztlicher Anordnung". Sofern sich dieser Einwand auf die Spitex-Bedarfserhebung mit ärztlicher Spitex-Anordnung vom 18. März 2021 bezieht, wurde diese im Urteil 9C_511/2022 sehr wohl berücksichtigt. Das Bundesgericht führte unter Bezugnahme darauf insbesondere aus, rechtsprechungsgemäss sei für eine Leistungsübernahme durch die Invalidenversicherung unter dem Titel der medizinischen Massnahmen gerade nicht entscheidend, ob eine ärztliche Verordnung für eine solche vorliegt, sondern ob - unabhängig von der Örtlichkeit - tatsächlich Massnahmen durchgeführt werden, welche die diesbezüglichen gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Weiter wies das Bundesgericht darauf hin, dass die seinerzeitige Anfrage beim Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD; Stellungnahme vom 31. August 2021) gerade bezweckt habe abzuklären, ob die in der Spitex-Bedarfserhebung vom 18. März 2021 gelisteten Vorkehren notwendigerweise durch eine Arztperson oder - auf deren Anordnung hin - durch medizinische Hilfspersonen vorzunehmen sind. Das Bundesgericht hielt weiter fest, es fehle sowohl in der Beschwerde der CSS wie in jener der Versicherten an einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit eben dieser Stellungnahme, der die Vorinstanz Beweiswert beigemessen und gestützt auf welche sie geschlossen habe, einzig die Verabreichung der intramuskulären Injektion des Vitamins B12 sei als medizinische Massnahme im Sinne von Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 lit. a IVG zu qualifizieren. Anders als die Vorbringen im vorliegenden Revisionsgesuch suggerieren, bestand für das Bundesgericht insbesondere im Lichte der damals (fehlenden) Rügen keine Veranlassung für diesbezügliche Weiterungen. Abgesehen davon, dass auch das vorliegende Revisionsgesuch keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der regionalärztlichen Stellungnahme enthält (zu den Vorbringen betreffend deren Beweiswert vgl. nachfolgend E. 2.2.3), würde das Revisionsverfahren ohnehin nicht dazu dienen, derlei Unterlassungen der Prozessparteien nachträglich korrigieren zu können (vgl. E. 1.1 hievor).  
 
2.2.3. Was den Beweiswert der regionalärztlichen Stellungnahme vom 31. August 2021 anbelangt, ist der Gesuchstellerin insoweit beizupflichten, dass sie diesen bereits im Verfahren 9C_511/2022 angezweifelt hat. Sie lässt indessen ausser Acht, dass das Bundesgericht im entsprechenden Urteil vom 23. August 2023 ausdrücklich begründete, weshalb die damals von der Versicherten vorgebrachten Einwände nicht stichhaltig waren. Diesbezüglich ist eine nochmalige Überprüfung im Revisionsverfahren ausgeschlossen.  
 
2.3. Das Revisionsgesuch erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet. Nicht einzutreten ist darauf insoweit, als die Gesuchstellerin anderweitig ohne Berufung auf einen gesetzlichen Revisionsgrund Kritik am bundesgerichtlichen Urteil übt (vgl. E. 1 hievor sowie Urteil 9C_638/2023 vom 22. November 2023 E. 7.2 mit Hinweis).  
 
3.  
Das Revisionsgesuch ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Gesuchstellerin sind demnach die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Gesuchstellerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der CSS Kranken-Versicherung AG, Luzern, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 12. Dezember 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Williner