Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_120/2021  
 
 
Urteil vom 12. August 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Merz, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________ SA, 
2. B.________ Ltd., 
Beschwerdeführerinnen, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. Hans-Peter Schaad, 
 
gegen  
 
Bundesanwaltschaft, 
Guisanplatz 1, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren, 
Zulassung als Parteien im Berufungsverfahren, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung 
des Bundesstrafgerichts, Berufungskammer, 
vom 3. Februar 2021 (CA.2020.14). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Bundesanwaltschaft (BA) führte eine Strafuntersuchung gegen zwei ukrainische Staatsangehörige wegen Geldwäscherei und Bestechung fremder Amtsträger. Am 19. bzw. 20. August 2013 teilten die inPanama domizilierte A.________ SA (nachfolgend: Panama-Gesellschaft) und die in Belize domizilierte B.________ Ltd. (nachfolgend: Belize-Gesellschaft) der BA mit, dass sie von einem Anwalt rechtlich vertreten würden. Sie reichten entsprechende Vollmachten zugunsten ihres Rechtsvertreters ein. Die BA teilte dem Rechtsvertreter der beiden Gesellschaften am 21. August 2013 mit, dass Vermögenswerte der Gesellschaften (auf Bankkonten) vorläufig beschlagnahmt worden seien. 
 
B.  
Am 19. Dezember 2019 erhob die BA Anklage gegen die Beschuldigten wegen qualifizierter Geldwäscherei. In der Anklageschrift wurden beschlagnahmte Vermögenswerte der Panama-Gesellschaft und der Belize-Gesellschaft aufgeführt. Die BA beantragte unter anderem die Ausgleichseinziehung (Art. 70 StGB) von gesperrten Vermögenswerten der Panama-Gesellschaft und die Zusprechung einer staatlichen Ersatzforderung (Art. 71 StGB) zu Lasten von beschlagnahmtem Vermögen der Belize-Gesellschaft. Der Hauptbeschuldigte ist wirtschaftlicher Alleineigentümer der beiden Gesellschaften. 
 
C.  
Am 2. Juni 2020 fand (in Anwesenheit eines Vertreters der BA und der Verteidiger der beiden Beschuldigten) die Hauptverhandlung statt. Das Strafurteil "..." der Strafkammer des Bundesstrafgerichtes (SK BstGer) wurde den Parteien (Beschuldigte und BA) am 26. Juni 2020 mündlich eröffnet und begründet. Die Beschuldigten liessen je die Berufung anmelden. Den beiden Gesellschaften und ihrem Rechtsvertreter wurde das Urteilsdispositiv weder förmlich eröffnet, noch zugestellt. 
 
D.  
In ihrem Urteilsdispositiv (Ziff. III) zog die SK BstGer folgende Vermögenswerte ein bzw. belegte sie mit einer staatlichen Ersatzforderung: Auf einem ersten gesperrten Konto der Panama-Gesellschaft erfolgte die Ausgleichseinziehung eines Betrages in USD (in mehrfacher Millionenhöhe) (Ziff. 1); auf einem ersten Konto der Belize-Gesellschaft wurde ein Betrag (in USD) zur Deckung der Verfahrenskosten herangezogen, der Restbetrag als (Teil-) Haftungssubstrat für die dem Staat zugesprochene Ersatzforderung (Ziff. 2); auf einem zweiten Konto der Belize-Gesellschaft wurde ein Betrag als weiteres (Teil-) Haftungssubstrat für die Ersatzforderung herangezogen (Ziff. 3), und auf einem zweiten Konto der Panama-Gesellschaft wurde ebenfalls ein Betrag als weiteres (Teil-) Haftungssubstrat für die Ersatzforderung herangezogen (Ziff. 4). Das schriftlich begründete Urteil der SK BstGer wurde am 28. September 2020 an die BA und die Verteidiger der beiden Beschuldigten versendet. 
 
E.  
Am 19. bzw. 20. Oktober 2020 reichten die Beschuldigten je ihre Berufungserklärungen gegen das Strafurteil vom 26. Juni 2020 der SK BstGer ein. Die BA erklärte am 25. November 2020 (teilweise) die Anschlussberufung. Auf telefonische Anfrage vom 25. Januar 2021 der Verfahrensleitung der Berufungskammer des Bundesstrafgerichtes (BerK BstGer) hin, teilte der Anwalt der beiden Gesellschaften der BerK BstGer mit, dass er seine Mandantschaft nach wie vor rechtlich vertrete. 
 
F.  
Am 3. Februar 2021 erliess die Vorsitzende der BerK BstGer die folgende prozessleitende Verfügung: Sie liess die beiden Gesellschaften als "beschwerte Dritte" im Berufungsverfahren zu und stellte fest, dass ihnen "nach Art. 105 Abs. 2 StPO je die zur Wahrung ihrer Interessen erforderlichen Rechte einer Partei" zuständen, soweit sie durch das Strafurteil "..." (Dispositivziffern III/1-4) beschwert seien. Ausserdem erhielten die Gesellschaften vollumfängliche Akteneinsicht. Innert einer Frist von 20 Tagen seit Erhalt des betreffenden Datenträgers stehe es ihnen (je im Rahmen ihrer Beschwer) namentlich frei, direkt Berufung gegen das Strafurteil zu erklären oder Beweisanträge zu stellen. 
 
G.  
Gegen die verfahrensleitende Verfügungder Vorsitzenden der BerK BstGer gelangten die Gesellschaften mit Beschwerde vom 8. März 2021 an das Bundesgericht. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Ausserdem sei die BerK BstGer anzuweisen, das Urteil der SK BstGer vom 26. Juni 2020 ("...") aufzuheben und die Strafsache an die SK BstGer zurückzuweisen zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung, wobei den Beschwerdeführerinnen eine Frist von mindestens 30 Tagen zur Einreichung von Beweisanträgen einzuräumen sei. 
Die BA und die BerK BstGer beantragen in ihren Stellungnahmen je die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten wäre. Innert der auf den 7. Mai 2021 angesetzten (fakultativen) Frist ist keine Replik der Beschwerdeführerinnen eingegangen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist eine prozessleitende Verfügung der BerK BstGer betreffend Zulassung von Parteien im Berufungsverfahren und Einräumung von Verfahrensrechten. Vorbehältlich der übrigen Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 80 ff. BGG (namentlich von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) ist die Beschwerde grundsätzlich zulässig: Es handelt sich um einen nicht verfahrensabschliessenden Zwischenentscheid im Sinne von Art. 78 Abs. 1 und Art. 93 BGG. Der Vorbehalt von Art. 79 BGG (Zwangsmassnahmen) betrifft nur Entscheide der Beschwerdekammer des BstGer. 
 
2.  
Zu prüfen ist, ob den Beschwerdeführerinnen ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil droht (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Es muss sich dabei um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln, der auch durch einen späteren Endentscheid in der Strafsache (namentlich im Berufungverfahren) nicht mehr wirksam behoben werden könnte (vgl. BGE 143 I 241 E. 1 S. 244). Die betreffende Sachurteilsvoraussetzung ist in der Beschwerdeschrift ausreichend darzulegen, soweit sie nicht offensichtlich erfüllt erscheint (Art. 42 Abs. 1-2 BGG; BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f.; 284 E. 2.3 S. 287; 289 E. 1.3 S. 292; je mit Hinweisen). 
 
2.1. Zur Begründung eines nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteils machen die Beschwerdeführerinnen Folgendes geltend: Da sie zum Hauptverfahren nicht förmlich beigezogen worden seien und "erst am 5. Februar 2021" vom Urteil "..." der SK BstGer erfahren hätten, sei es ihnen nicht möglich gewesen, ihre Verfahrensrechte als Drittbetroffene wahrzunehmen und auf das Urteil "irgendeinen Einfluss" zu nehmen. Eine "Heilung" der Verletzung ihrer Verfahrensrechte sei im Berufungsverfahren, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, zum Vornherein nicht möglich. Das Hauptverfahren müsse nochmals vor der SK BstGer neu durchgeführt werden.  
 
2.2. Zwar wären die Beschwerdeführerinnen - als von Zwangsmassnahmen unmittelbar betroffene juristische Personen - grundsätzlich berechtigt gewesen, ins Hauptverfahren förmlich einbezogen zu werden und prozessuale Anträge zu stellen (vgl. Art. 105 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 StPO). Nach Treu und Glauben müssen Drittbetroffene ihre Verfahrensrechte aber rechtzeitig geltend machen, sobald sie von den sie tangierenden Zwangsmassnahmen und Sanktionen Kenntnis haben. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz teilte die BA dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerinnen schon am 21. August 2013 förmlich mit, dass Vermögenswerte der beiden Gesellschaften auf Bankkonten vorläufig beschlagnahmt worden seien. Die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerinnen sind allerdings auch nach erfolgter Anklageerhebung und im Hauptverfahren vor der SK BstGer offenbar nicht prozessual aktiv geworden. Wie die Vorinstanz feststellt, hat die Verfahrensleitung der BerK BstGer den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerinnen am 25. Januar 2021 telefonisch angefragt, ob er die beiden Gesellschaften noch vertrete.  
Wenn Drittbetroffene konkrete prozessuale Anträge stellen wollen, etwa betreffend Kontensperren und sie betreffende Beschlagnahmen, Einziehungen oder staatliche Ersatzforderungen, reicht es nicht, bloss Anwaltsvollmachten einzureichen. Von Zwangsmassnahmen und Sanktionen betroffene Dritte können auch nicht beliebig abwarten, bis das gerichtliche Hauptverfahren abgeschlossen ist, und dann erst im Berufungsverfahren die Rückabwicklung des gesamten Hauptverfahrens unter Einräumung von Parteirechten verlangen. Ein solches prozessuales Verhalten erschiene rechtsmissbräuchlich und könnte keinen Rechtsschutz beanspruchen. Allfällige Verfahrensrechte als Drittbetroffene wären grundsätzlich als verwirkt anzusehen. 
Hinzu kommt, dass die SK BstGer die beiden Gesellschaften nach erfolgter Anklageerhebung ganz bewusst nicht in das gerichtliche Hauptverfahren förmlich einbezogen hat. Im angefochtenen Entscheid der BerK BstGer wird dazu Folgendes erwogen: 
Wie die SK BstGer im Strafurteil ausdrücklich feststelle, seien der Hauptbeschuldigte und die Beschwerdeführerinnen "wirtschaftlich identisch". Gemäss den Strafakten handle es sich bei ihm um ihren alleinigen wirtschaftlich Berechtigten ("Beneficial Owner"). Ausserdem seien beide Gesellschaften reine Offshore-Domizilfirmen. Sie seien nicht erkennbar operativ tätig gewesen und hätten dem Hauptbeschuldigten als reines "Vermögensvehikel" gedient. Damit gälten die dem Hauptbeschuldigten und seiner Rechtsvertretung im Vor- und Hauptverfahren zugestandenen Verfahrensrechte auch gegenüber den Beschwerdeführerinnen als gewährleistet, weshalb keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der beiden Gesellschaften vorliege. Im Übrigen sei der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerinnen zu Beginn des Verfahrens auch als Verteidiger des Hauptbeschuldigten aufgetreten. Zum einen manifestiere diese Doppelvertretung, dass die Interessen des Hauptbeschuldigten mit denen der Gesellschaften identisch gewesen seien; zum anderen habe die Doppelvertretung einen ungefilterten Informationsfluss zwischen dem Hauptbeschuldigten und den Beschwerdeführerinnen gewährleistet. 
Die Verfahrensleiterin der BerK BstGer vertritt im angefochtenen Entscheid die Auffassung, diese Erwägungen der SK BstGer zur wirtschaftlichen "Identität" zwischen den Beschwerdeführerinnen und dem Hauptbeschuldigten träfen zwar zu; dennoch sei den beiden Gesellschaften aber im Berufungsverfahren noch das rechtliche Gehör zu gewähren. Allfällige Verfahrensmängel könnten im Berufungsverfahren "geheilt" werden, indem die Beschwerdeführerinnen als Drittbetroffene "erneut" bzw. förmlich "ins Verfahren integriert" würden. 
 
2.3. Im vorliegenden Fall beanspruchen die Beschwerdeführerinnen, zwei in Panama bzw. Belize domizilierte Gesellschaften, die sich nach den übereinstimmenden Feststellungen der Vorinstanz und der SK BstGer im Alleineigentum und unter Kontrolle des Hauptbeschuldigten befinden, erst nach Abschluss des gerichtlichen Hauptverfahrens aktiv Verfahrensrechte als Drittbetroffene. Zwar stellen sie sich auf den Standpunkt, sie hätten überhaupt keine Möglichkeit gehabt, im Hauptverfahren auf das Urteil "irgendeinen Einfluss" zu nehmen. Vom Urteil der SK BstGer hätten sie "erst am 5. Februar 2021" erfahren, als die Verfahrensleiterin der BerK BstGer ihnen das Urteil "..." (als Beilage zur angefochtenen prozessleitenden Verfügung) zugestellt habe. Dies erscheint in der vorliegenden Konstellation jedoch unbehelflich bzw. wenig glaubhaft. Als juristische Personen müssen sie sich das Wissen ihrer förmlichen und faktischen Organe, insbesondere des Hauptbeschuldigten, grundsätzlich anrechnen lassen.  
Wie es sich damit genau verhält, braucht hier aber - im Rahmen der Prüfung der Sachurteilsvoraussetzung eines drohenden nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteils - nicht weiter vertieft zu werden: Der Umstand, dass die Vorinstanz die Beschwerdeführerinnen zum Berufungsverfahren förmlich zulässt und ihnen dort Parteirechte einräumt, zieht für diese keinen Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nach sich: Die prozessualen Fragen, ob sie allfällige Verfahrensrechte im Hauptverfahren vor der Strafkammer verwirkt haben oder nicht, und ob im Berufungsverfahren eine - allfällige - Verletzung des rechtlichen Gehörs "geheilt" werden könnte, bilden Gegenstand des Berufungsverfahrens. Da die Beschwerdeführerinnen von der Vorinstanz zum Verfahren zugelassen werden und ihren diesbezüglichen Standpunkt ohne Weiteres ausführlich darlegen können, erwächst ihnen aus der angefochtenen prozessleitenden Verfügung kein erkennbarer nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil. 
 
3.  
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
Die Gerichtskosten sind den Beschwerdeführerinnen (zur gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung) aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 5 BGG. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen (solidarisch und zu gleichen Teilen) auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, der Bundesanwaltschaft und dem Bundesstrafgericht, Berufungskammer, Vorsitzende, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. August 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster