Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
5A_750/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 8. April 2014  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Marazzi, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwältin Rahel Merenda, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Y.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Hansjörg Felber, 
Beschwerdegegner, 
 
Betreibungsamt Altdorf,  
 
Betreibungsamt Zug.  
 
Gegenstand 
Feststellung der Nichtigkeit der Zustellung des Zahlungsbefehls/Konkursandrohung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 25. September 2013 (OG SK 13 2). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. In der von Y.________ gegen die X.________ AG eingeleiteten Betreibung Nr. xxx (Forderungsbetrag: Fr. 50'000.-- nebst Zins zu 5% seit 14. Mai 2013) stellte das Betreibungsamt Altdorf der Schuldnerin am 21. Mai 2013 den Zahlungsbefehl zu. Als Empfänger der Betreibungsurkunde wurde "A.________" protokolliert.  
 
A.b. Am 8. Juli 2013 stellte das (infolge Sitzverlegung der Schuldnerin zuständige) Betreibungsamt Zug der X.________ AG die Konkursandrohung zu.  
 
A.c. Am 17. Juli 2013 gelangte die X.________ AG an das Obergericht des Kantons Uri, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs. Sie rügte die fehlerhafte bzw. nichtige Zustellung des Zahlungsbefehls, weil sie erst mit der Zustellung der Konkursandrohung erstmals vom Zahlungsbefehl Kenntnis erlangt habe.  
 
B.   
Mit Entscheid vom 25. September 2013 wies die kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten wurde. Weiter verweigerte sie die Wiederherstellung der versäumten Rechtsvorschlagsfrist, weil es an einem unverschuldeten Hindernis fehle. 
 
C.   
Am 7. Oktober 2013 hat die X.________ AG Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin verlangt, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 25. September 2013 sowie der Zahlungsbefehl und die Konkursandrohung seien aufzuheben. Eventuell sei die Rechtsvorschlagsfrist wiederherzustellen, subeventuell sei die Angelegenheit zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter ersucht die Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung. 
Mit Präsidialverfügung vom 28. Oktober 2013 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
In der Sache beantragt Y.________ als Gläubiger und Beschwerdegegner die Abweisung der Beschwerde. Die kantonale Aufsichtsbehörde und das Betreibungsamt Altdorf haben auf eine Stellungnahme verzichtet. Das Betreibungsamt Zug beantragt die Abweisung der Beschwerde betreffend die Zustellung der Konkursandrohung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde, mit welchem die Zustellung des Zahlungsbefehls beurteilt worden ist. Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 19 SchKG).  
 
 
1.2. Die vorliegende Beschwerde ist unabhängig von einer gesetzlichen Streitwertgrenze gegeben (Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Die Beschwerdeführerin ist als Betreibungsschuldnerin grundsätzlich legitimiert (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Die Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Entscheid ist fristgemäss erhoben worden (Art. 75 Abs. 1, Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG) und grundsätzlich zulässig.  
 
1.3. Mit vorliegender Beschwerde kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten ist in der Beschwerdeschrift vorzubringen und zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S. 591).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Zulässig ist einzig die Rüge, dass eine Tatsachenfeststellung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhe oder eine Tatsache offensichtlich unrichtig festgestellt worden sei (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das von der Beschwerdeführerin neu eingereichte Dokument (Beschwerdebeilage "KB" 9 "Vollmacht") liegt nicht in den kantonalen Akten (OG SK 13 2); es gilt als neu und kann nicht berücksichtigt werden (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
2.   
Interkantonal sind die Aufsichtsbehörden jenes Kantons zuständig, deren Behördenorganisation die Betreibungsbehörde, gegen welche sich die Beschwerde richtet, angehört; ein Wohnsitzwechsel des Schuldners (vgl. Art. 53 SchKG) ändert an der örtlichen Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden nichts ( LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, N. 283 zu Art. 17). Zu Recht wird nicht beanstandet, dass die Aufsichtsbehörde des Kantons Uri die Beschwerde gegen die angeblich unwirksame Zustellung des Betreibungsamtes Altdorf behandelt hat und das für die Fortsetzung der Betreibung zuständige Betreibungsamt Zug am Beschwerdeverfahren beteiligt worden ist. 
 
3.   
Die Aufsichtsbehörde hat festgehalten, dass im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls (21. Mai 2013) die Beschwerdeführerin gemäss Handelsregistereintrag ihren Sitz in B.________ (C.________-weg yyy) hatte und D.________ einziger Verwaltungsrat war. Die Zustellung an A.________, einen Angestellten der E.________ AG mit gleichem Domizil, sei wirksam, weil D.________ A.________ am 15. Mai 2013 schriftlich bevollmächtigt habe, Zahlungsbefehle entgegenzunehmen. 
Demgegenüber wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz im Wesentlichen vor, sie habe ausser Acht gelassen, dass A.________ Angestellter und Bevollmächtiger der E.________ AG sei, welche jedoch unter Führung des Betreibungsgläubigers (als Verwaltungsrat) stand. Die Zustellung an A.________ sei infolge des Interessenkonfliktes unwirksam. 
 
4.   
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Zustellung des Zahlungsbefehls an eine juristische Person. Zu Recht steht nicht in Frage, dass im Fall, in welchem der Schuldner erst mit der Konkursandrohung Kenntnis von der Betreibung erlangt hat, eine fehlerhafte Zustellung des Zahlungsbefehls anfechtbar ist (vgl. BGE 104 III 12 E. 1 und 2 S. 13). Im Wesentlichen rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Regeln über die Zustellung von Betreibungsurkunden sowie von Art. 29 Abs. 2 BV im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung. 
 
4.1. Ist die Betreibung gegen eine Aktiengesellschaft gerichtet, so erfolgt die Zustellung der Betreibungsurkunden an deren Vertreter, als welcher jedes Mitglied der Verwaltung gilt (Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG). Sodann ist möglich, einen Dritten ausdrücklich zur Entgegennahme von Betreibungsurkunden oder durch Generalvollmacht zu ermächtigen (BGE 43 III 18 E. 3 S. 22; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, 1984, § 14 Rz. 16, S. 171; JEANNERET/LEMBO, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 21 zu Art. 64). Vorliegend hat die Aufsichtsbehörde verbindlich festgestellt, dass D.________ (bis 14. Juni 2013; SHAB-Publikation) als einziger Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin A.________ mit Vollmacht vom 15. Mai 2013 ausdrücklich ermächtigt hatte, für die Beschwerdeführerin Zahlungsbefehle in Empfang zu nehmen. Wenn die Aufsichtsbehörde angenommen hat, die Zustellung des Zahlungsbefehls an A.________ am 21. Mai 2013 sei zulässig, ist dies im Grundsatz nicht zu beanstanden.  
 
4.2. Die Zustellung einer Betreibungsurkunde kann indes bei Vertretungsverhältnissen - worauf die Beschwerdeführerin zu Recht hinweist - durch Interessenkonflikte begrenzt sein (vgl. BGE 45 III 27 E. 2 S. 29; 107 III 7 E. 1 S. 10). Allgemein kann die Doppelvertretung (der Vertreter handelt für zwei Parteien als Bevollmächtigter) zu Interessenkonflikten führen, weshalb es in diesen Fällen einer besonderen Ermächtigung oder Genehmigung bedarf, wenn die Gefahr einer Benachteiligung besteht (vgl. BGE 127 III 332 E. 2a S. 333; vgl. bereits BGE 45 III 27 E. 2 S. 29 betreffend Empfang des Zahlungsbefehls).  
 
4.2.1. Die Beschwerdeführerin hat vor der Aufsichtsbehörde (in der Eingabe vom 17. Juli 2013 in Ziff. 9) als Grund für eine "schwere Interessenkollision" vorgebracht, dass "A.________ Angestellter der E.________ AG, in welcher Y.________ [der Betreibungsgläubiger] einziger Verwaltungsrat war". Sie wirft der Aufsichtsbehörde vor, "absolut essentielle" rechtserhebliche Tatsachen betreffend die Interessenkollision des Empfängers des Zahlungsbefehls nicht thematisiert und diese zu Unrecht übergangen zu haben.  
 
4.2.2. Dass A.________ Angestellter der E.________ AG ist, hat die Aufsichtsbehörde festgestellt. Die E.________ AG ist unbestrittenermassen nicht Betreibungsgläubigerin. Die Beschwerdeführerin hat im kantonalen Verfahren (u.a. mit Hinweis auf den Arbeitsvertrag von A.________ mit der E.________ AG) allerdings behauptet, dass "die Zustellung [wie] an einen Angestellten des betreibenden Gläubigers", m.a.W. an den Vertreter von Y.________ persönlich erfolgt sei. Nach den Behauptungen sei A.________ Bevollmächtigter von Y.________ und liege damit eine Doppelvertretung von A.________ - als gemeinsamer Vertreter von Gläubiger und Schuldner - vor.  
 
4.2.3. Ob im konkreten Fall eine Doppelvertretung mit Gefahr einer Benachteiligung besteht, m.a.W. eine Zustellung an einen Schuldnervertreter vorliegt, der keine rechtsgültige Erklärung über den Bestand oder Nichtbestand der in Betreibung gesetzten Forderung abgeben kann bzw. keine hinreichende Gewähr für die Übermittlung des Zahlungsbefehls bietet (vgl. BGE 45 III 27 E. S. 29), ist hier nicht zu klären. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren zur Frage der Interessenkollision können indessen nicht von vornherein als unmassgeblich gewertet werden. Wenn die Aufsichtsbehörde folglich eine Interessenkollision nicht thematisiert und die Vorbringen der Beschwerdeführerin ohne weiteres übergangen hat, ist dies mit Art. 29 Abs. 2 BV nicht vereinbar. Die Beschwerde ist begründet.  
 
4.3. An diesem Ergebnis vermag nichts zu ändern, soweit die Vorinstanz festgehalten hat, dass sowohl die E.________ AG als auch die Beschwerdeführerin am "C.________weg yyy in B.________ domiziliert" gewesen seien.  
 
4.3.1. Die Zustellung der Betreibungsurkunde an den Domizilhalter einer Gesellschaft ist zulässig (BGE 120 III 64 E. 3 S. 66). Dass die E.________ AG Domizilhalterin war, d.h. die Beschwerdeführerin ihr Rechtsdomizil bei der E.________ AG hatte (c/o-Adresse gemäss Art. 117 Abs. 3 HRegV), lässt sich jedoch weder dem angefochtenen Entscheid noch dem in den Akten liegenden Handelsregisterauszug entnehmen.  
 
4.3.2. Wohl kann die Zustellung einer Betreibungsurkunde ersatzweise (Art. 65 Abs. 2 SchKG) an einen Angestellten erfolgen, der nicht im Dienste der Betriebenen, sondern einer anderen im gleichen Lokal tätigen Gesellschaft erfolgen (BGE 96 III 4 E. 1 S. 5 f.). Mit der Feststellung über das "gleiche Domizil" ist indes nichts darüber gesagt, ob A.________ für die E.________ AG im gleichen Lokal wie die Beschwerdeführerin tätig war. Ohnehin ist nach der erwähnten Rechtsprechung erforderlich, dass der betreffende Angestellte in der Lage ist und nach aller Wahrscheinlichkeit nach nicht versäumen wird, die Betreibungsurkunde an den Vertreter der betriebenen Gesellschaft weiterzuleiten (BGE 96 III 4 E. 1 S. 6). Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat die Beschwerdeführerin der Vorinstanz - wie dargelegt - in einer Weise unterbreitet, welche die nötige Prüfung verlangt.  
 
4.4. Schliesslich erübrigen sich weitere Erörterungen zur Konkursandrohung als Anfechtungsobjekt (E. 2); das Gleiche gilt - beim vorliegenden Ergebnis - für die von der Aufsichtsbehörde verweigerte Wiederherstellung der Rechtsvorschlagsfrist.  
 
5.   
Nach dem Dargelegten ist die Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Die Sache ist an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdegegner kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 25. September 2013 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Uri, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. April 2014 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Levante