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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 286/02 
 
Urteil vom 3. Juli 2003 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard; Gerichtsschreiberin Weber Peter 
 
Parteien 
Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, Untere Sternengasse 2, 4500 Solothurn, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
E.________, 1965, Beschwerdegegner 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn 
 
(Entscheid vom 5. November 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 17. April 2002 stellte das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Solothurn den 1965 geborenen E.________ wegen ungenügender Arbeitsbemühungen während der Kündigungsfrist für die Dauer von 6 Tagen ab 1. Februar 2002 in der Anspruchsberechtigung ein. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher E.________ um die Aufhebung der Einstellungsverfügung ersuchte - wohingegen das AWA im Sinne einer reformatio in peius beantragte, der Versicherte sei für die Dauer von 10 Tagen in der Anspruchsberechtigung einzustellen -, hiess das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 5. November 2002 in dem Sinne teilweise gut, als es die Einstelldauer auf 3 Tage reduzierte. 
C. 
Das AWA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die Anzahl der Einstelltage auf 10 zu erhöhen. 
 
Während E.________ sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen über die Pflicht zur Stellensuche (Art. 17 Abs. 1 AVIG), die Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen ungenügender persönlicher Arbeitsbemühungen (Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG) und die Rechtsprechung, wonach sich die versicherte Person bereits während der Kündigungsfrist um einen neuen Arbeitsplatz zu bewerben hat (vgl. auch ARV 1993/94 Nr. 26 S. 184 Erw. 2b) zutreffend dargelegt. Ergänzend gilt es auf die Rechtsprechung zur Qualität und Quantität der Arbeitsbemühungen (BGE 124 V 231 Erw. 4a), sowie auf die Verwaltungspraxis, wonach in der Regel durchschnittlich 10 bis 12 Bewerbungen pro Monat verlangt werden (Gerhards, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, N 15 zu Art. 17 AVIG), hinzuweisen, wobei indes eine allgemein gültige Aussage über die erforderliche Mindestanzahl an Bewerbungen nicht möglich ist, sondern sich das Quantitativ vielmehr nach den konkreten Umständen beurteilt (u.a. Urteil Z. vom 6. August 2002, C 338/01; Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Bd. Soziale Sicherheit, Fn 1330). 
 
Hinzuzufügen ist sodann, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 17. April 2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, wie lange der Beschwerdegegner in der Anspruchsberechtigung einzustellen ist. 
2.1 Die Verfügung vom 17. April 2002 beruht auf der Annahme, der Beschwerdegegner habe sich während der Kündigungsfrist vom 1. November 2001 bis 31. Januar 2002 nur um insgesamt sechs Stellen, je zwei pro Monat, beworben, wie dies dem Kontrollblatt über die Arbeitsbemühungen vor Stempelbeginn zu entnehmen ist. Im Verlaufe des kantonalen Verfahrens legte der Versicherte dar, im November 2001 seien zusätzlich drei und im Dezember 2001 noch eine weitere Bewerbung zu verzeichnen. Die Vorinstanz gelangte in der Folge zum Schluss, dass fünf Arbeitsbemühungen im November, dem ersten Monat der Kündigungsfrist, den an den Versicherten gestellten Anforderungen entsprechen und die vier Stellenbemühungen im Dezember auch noch als knapp genügend zu beurteilen seien. Dies insbesondere auch angesichts der Qualität der Bewerbungen. Einzig die bloss zwei Arbeitsbemühungen im Januar 2002 seien als klar zu wenig zu bezeichnen. Die Vorinstanz erachtete angesichts dieser Verhältnisse die Einstellung in der Anspruchsberechtigung während 3 Tagen als angemessen. 
2.2 Der Beschwerdeführer argumentiert, es sei der Sachverhalt zu beurteilen, wie er sich im Zeitpunkt des Verfügungserlasses im April 2002 dargestellt habe. Die nachträglich im kantonalen Verfahren eingereichten Belege über weitere Arbeitsbemühungen während der Kündigungsfrist dürften nicht berücksichtigt werden. Er beruft sich dabei unter anderem auf BGE 121 V 366 Erw. 1b. 
2.2.1 Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der streitigen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG). Die dem Eidgenössischen Versicherungsgericht in Streitigkeiten um Versicherungsleistungen zustehende umfassende Kognition hat u.a. die Konsequenz, dass auch neue, erstmals im letztinstanzlichen Verfahren vorgebrachte Tatsachenbehauptungen und Beweismittel (sog. Noven) zu berücksichtigen sind (RKUV 1999 Nr. U 333 S. 197 Erw. 1, ferner BGE 103 Ib 196 Erw. 4a, 102 Ib 127 Erw. 2a). 
2.2.2 Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat schon wiederholt, u.a. unter Berufung auf den Grundsatz der Einheit des Verfahrens, festgestellt, dass im Anfechtungsverfahren die untere Instanz zumindest über die Kognition der oberen Instanz verfügen müsse, und dass deshalb bei Leistungsstreitigkeiten dem Richter im kantonalen Beschwerdeverfahren die gleiche umfassende Überprüfungsbefugnis zusteht wie dem Eidgenössischen Versicherungsgericht im Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren (BJM 1998 S. 194 ff. mit Hinweisen). In solchen Streitigkeiten hat also der kantonale Richter ebenso wie das Eidgenössische Versicherungsgericht den Untersuchungsgrundsatz zu beachten, welcher verlangt, dass das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen feststellt (BGE 104 V 211). Für die Arbeitslosenversicherung schreibt Art. 103 Abs. 4 AVIG hinsichtlich des kantonalen Beschwerdeverfahrens ausdrücklich vor, dass die Beschwerdeinstanz den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären hat und an die Anträge der Parteien nicht gebunden ist. Da dem kantonalen Richter bei Streitigkeiten über Versicherungsleistungen also die gleiche umfassende Überprüfungsbefugnis zusteht wie dem Eidgenössischen Versicherungsgericht, gilt auch für das kantonale Beschwerdeverfahren, dass der Richter neue Tatsachenbehauptungen und Beweismittel, welche erst nach dem Erlass der Verwaltungsverfügung vorgebracht oder vorgelegt werden, zu beachten hat. Die sinngemässe Rüge des Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe unter Verletzung von Bundesrecht erst nach dem Erlass der Verwaltungsverfügung vorgelegte Beweismittel beachtet, erweist sich mithin als unbegründet. 
3. 
Damit ist die Rechtsfrage (Erwägung 2) unter Würdigung des Sachverhaltes zu prüfen, wie er im vorinstanzlichen Entscheid dargelegt wurde. 
3.1 Die Dauer der Einstellung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens (Art. 30 Abs. 3 AVIG) und beträgt 1 bis 15 Tage bei leichtem, 16 bis 30 Tage bei mittelschwerem und 31 bis 60 Tage bei schwerem Verschulden (Art. 45 Abs. 2 AVIV). 
3.2 Mit der Vorinstanz sind die fünf Arbeitsbemühungen während des Monats November als genügend und die drei, eventuell vier Bewerbungen im Dezember 2001 als gerade noch ausreichend zu qualifizieren. Dies insbesondere angesichts des in diesem Monat knappen Angebots an Arbeitsstellen und der Tatsache, dass sich der Versicherte nicht darauf beschränkte, sich bloss telefonisch nach offenen Stellen zu erkundigen, sondern sich in der Regel schriftlich bewarb. Dem geringen Fehlverhalten des Beschwerdegegners, sich während des letzten Monats in der Kündigungsfrist nur um eine oder zwei Stellen beworben zu haben, hat das kantonale Gericht mit der am unteren Rand des leichten Verschuldens liegenden Einstellung von 3 Tagen angemessen Rechnung getragen. Diese Bemessung der Einstelldauer ist unter Berücksichtigung des nicht nur der Verwaltung, sondern auch der Vorinstanz zustehenden Ermessens, in welches das Eidgenössische Versicherungsgericht ohne triftigen Grund nicht eingreift (BGE 123 V 152 Erw. 2 mit Hinweisen), nicht zu beanstanden. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
 
Luzern, 3. Juli 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: