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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_302/2021  
 
 
Urteil vom 1. Oktober 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Müller, Merz, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Krumm, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, Abteilung Schwerpunktkriminalität, Cybercrime und Besondere Untersuchung, Selnaustrasse 32, 8001 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Beschlagnahme, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 30. April 2021 
(UH200332-O/U/GRO>LEE). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration sowie wegen schwerer Geldwäscherei. Im Rahmen dieser Strafuntersuchung beschlagnahmte sie mit Verfügung vom 5. Oktober 2020 diverse Gegenstände, darunter zahlreiche Dokumente, USB-Sticks, Schlüssel, elektronische Geräte, diverse Armbanduhren sowie mehrere Bargeldbeträge. 
Gegen die Beschlagnahmeverfügung erhob A.________ einzig in Bezug auf einen Bargeldbetrag in der Höhe von Fr. 3'250.-- bzw. Fr. 3'500.-- Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses wies die Beschwerde am 30. April 2021 ab. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 1. Juni 2021 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben. Seine Beschwerde gegen die Beschlagnahme der Staatsanwaltschaft sei gutzuheissen. Die Beschlagnahmeverfügung vom 5. Oktober 2020 sei hinsichtlich der aus seiner Wohnung beschlagnahmten Barschaft von Fr. 3'500.-- aufzuheben und der Geldbetrag sei an seine Ehefrau herauszugeben. 
Die Staatsanwaltschaft sowie das Obergericht verzichten auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen. Der angefochtene Entscheid ist kantonal letztinstanzlich (Art. 80 BGG). Die Beschlagnahme eines Gegenstands oder Vermögenswerts bewirkt einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (BGE 128 I 129 E. 1; Urteil 1B_362/2020 vom 20. August 2020 E. 1; je mit Hinweisen). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz erwog, die Eigentumsverhältnisse am gefundenen Bargeldbetrag seien nicht abschliessend geklärt. Es stehe nicht mit Sicherheit fest, dass es sich beim umstrittenen Bargeldbetrag in der Höhe von Fr. 3'250.-- nicht um dem Beschwerdeführer gehörende bzw. diesem wirtschaftlich fremde Vermögenswerte handle, welche einer Einziehung bzw. einer Ersatzforderungsbeschlagnahme entgegenstehen könnten. Es sei nicht ihre Aufgabe, die Eigentumsverhältnisse im vorliegenden Verfahren abschliessend zu klären. Für die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme als provisorische prozessuale Massnahme sei es ausreichend, dass die Einziehung rechtlich als nicht ausgeschlossen erscheine. Dies trotz der Behauptungen des Beschwerdeführers, das Geld gehöre nicht ihm, und der schriftlichen "Bestätigung" seiner Ehefrau, wonach es sich um "Schenkungsgeld" für die Beschneidung des gemeinsamen Sohnes handle. Der abschliessenden Beurteilung der Eigentumsverhältnisse durch das Sachgericht sei nicht vorzugreifen.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, es fehle an einem Konnex zwischen dem Bargeldbetrag und ihm als Beschuldigten. Der von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Betrag von Fr. 3'500.-- gehöre nicht ihm. Das Geld sei seiner Frau für die Beschneidung des gemeinsamen Sohnes übergeben worden. Er habe der Vorinstanz eine entsprechende Bestätigung seiner Ehefrau mit den Namen der Schenker eingereicht. Fremde Vermögenswerte dürften zwecks Deckung einer Ersatzforderung oder zur Kostendeckung nicht beschlagnahmt bzw. eingezogen werden. Die Beschlagnahme des Schenkungsgeldes habe ansonsten pönalen Charakter, indem ein Unschuldiger, nämlich sein Sohn, für die ihm vorgeworfenen Straftaten bestraft werde. Dies verstosse gegen Bundesrecht.  
 
3.  
Vorliegend ist unbestritten, dass der Bargeldbetrag in den privaten Räumen der Familie des Beschwerdeführers sichergestellt wurde. Umstritten ist allerdings, in wessen Eigentum der Betrag steht und die Frage, ob das Geld beschlagnahmt werden durfte bzw. allenfalls eingezogen werden kann, wie dies die Vorinstanz erwog. 
Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Einziehungsbeschlagnahme (Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO) erfüllt sind. Ist dies der Fall, erübrigt sich die Frage, ob die Voraussetzungen der Kostendeckungsbeschlagnahme (Art. 263 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 268 StPO) bzw. der Ersatzforderungsbeschlagnahme (Art. 71 Abs. 3 StGB) ebenfalls erfüllt wären. 
 
3.1. Gemäss Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO können Vermögenswerte einer beschuldigten Person unter anderem dann beschlagnahmt werden, wenn sie einzuziehen sind. Materiellrechtliche Grundlage dieser prozessualen Sicherungsmassnahme bilden die Art. 70 ff. StGB. Gemäss Art. 70 Abs. 1 StGB verfügt das Gericht die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands ausgehändigt werden.  
Bei der Einziehungsbeschlagnahme nach Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO handelt es sich um eine vorsorgliche Sicherungsmassnahme. Sie bezweckt die Sicherstellung von Gegenständen und Vermögenswerten, welche das Sachgericht einziehen könnte. Die Einziehungsbeschlagnahme gründet auf blosser Wahrscheinlichkeit und rechtfertigt sich, solange die Möglichkeit der Einziehung durch das Sachgericht "prima facie" zu bestehen scheint (BGE 140 IV 57 E. 4.1.1 mit Hinweisen). Die Strafverfolgungsbehörde muss rasch über eine Beschlagnahme entscheiden können (vgl. Art. 263 Abs. 2 StPO). Das schliesst aus, dass sie vor ihrem Entscheid schwierige juristische Fragen klärt oder zuwartet, bis sie eine genaue und vollständige Kenntnis des Sachverhalts hat (BGE 141 IV 360 E. 3.2; 140 IV 57 E. 4.1.2; je mit Hinweisen). Entsprechend ihrer provisorischen Natur als vorsorgliche Massnahme prüft das Bundesgericht bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Beschlagnahme - anders als das für die definitive Einziehung zuständige Sachgericht - nicht alle Tat- und Rechtsfragen abschliessend. Es hebt eine Beschlagnahme nur auf, wenn ihre Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind (BGE 139 IV 250 E. 2.1; Urteil 1B_362/2020 vom 20. August 2020 E. 2.4; je mit Hinweisen). 
 
3.2. Der Beschwerdeführer versuchte vor der Vorinstanz mittels Schreiben seiner Ehefrau zu belegen, dass es sich bei dem Bargeldbetrag um Vermögenswerte im Dritteigentum handelt. Dieses Schreiben allein vermag indessen, wie von der Vorinstanz erwogen, die Eigentumsverhältnisse nicht überzeugend und abschliessend zu klären. Daran ändert auch die "weitere Substanziierung" des Beschwerdeführers vor Bundesgericht mittels der erstmals eingereichten, unterschriftlich bestätigten Schenkungsbeiträge der einzelnen Schenker nichts. Dabei handelt es sich um unbeachtliche Noven (Art. 99 Abs. 1 BGG), die im Übrigen ohnehin lediglich weitere schriftliche Behauptungen darstellen. Von einer Substanziierung kann insofern nicht gesprochen werden.  
Dass die Vorinstanz bei dieser Sachlage davon ausging, der Bargeldbetrag stamme möglicherweise aus der inkriminierten Geschäftstätigkeit des Beschwerdeführers und die spätere Einziehung erscheine deshalb möglich, ist nicht zu beanstanden. Solange die Einziehung durch das Sachgericht "prima facie" als wahrscheinlich erscheint, ist die Einziehungsbeschlagnahme nach Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO gerechtfertigt. Das Bundesgericht hebt Beschlagnahmen als vorsorgliche Massnahmen nur auf, wenn deren Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind. Dass dies vorliegend der Fall ist, kann zumindest beim jetzigen Verfahrensstand nicht gesagt werden (vgl. E. 3.1 hiervor). Es ist denn auch nicht Aufgabe des Bundesgerichts, im vorliegenden Verfahren über die unklare sachenrechtlichen Situation zu befinden. Wem der Bargeldbetrag tatsächlich gehört, wird das Sachgericht abzuklären haben. Diesem Entscheid ist nicht vorzugreifen. 
 
4.  
 
4.1. Schliesslich kann dem Beschwerdeführer auch nicht gefolgt werden, soweit er eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung geltend macht. Er wendet ein, beim gefundenen Bargeldbetrag, der seinem Sohn anlässlich dessen Beschneidung geschenkt worden sei, handle es sich um Fr. 3'500.-- und nicht wie fälschlicherweise von den Behörden festgestellt um Fr. 3'250.--. Zudem habe sich das Geld im Schrank der Ehefrau befunden und nicht beim Bügeleisen.  
 
4.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Person wiederum darf die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung nur rügen, wenn sie mit einem solchen Mangel behaftet ist und dessen Behebung für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen (Art. 42 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
4.3. Gemäss dem aktenkundigen Beschlagnahmebefehl der Staatsanwaltschaft und dem von der Ehefrau des Beschwerdeführers unterschriebenen Beschlagnahmeprotokoll vom 7. September 2020 wurden anlässlich der Hausdurchsuchung neben diversen anderen Gegenständen im Schlafzimmer unter dem Bügeleisen ein Bargeldbetrag von Fr. 3'250.-- (Asservat Nr. A013'975'945) und im Kleiderschrank im Schlafzimmer Fr. 4'070.-- (Asservat Nr. A013'976'379) gefunden. Inwiefern die Vorinstanz den Sachverhalt geradezu willkürlich festgestellt haben soll, ist demnach nicht ersichtlich. Nichts daran ändert auch die unbelegte Behauptung des Beschwerdeführers, bei der Hausdurchsuchung sei ein solches Durcheinander veranstaltet worden, dass die Örtlichkeiten und die jeweiligen Geldbeträge nicht sauber erfasst worden seien. Eine solche unsubstantiierte Behauptung ist nicht geeignet, die dargelegte vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung betreffend Höhe und Fundort des umstrittenen Bargeldbetrags als schlechterdings unhaltbar und damit willkürlich erscheinen zu lassen.  
 
5.  
Unter den gegebenen Umständen steht fest, dass sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Beschlagnahme des Bargeldbetrags jedenfalls als Einziehungsbeschlagnahme nach Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO rechtfertigen lässt. Ob darüber hinaus auch die Voraussetzungen weiterer Beschlagnahmegründe erfüllt sind, kann offenbleiben. Damit erweisen sich die Rügen der Verletzung von Bundesrecht und der offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung als unbegründet. 
 
6.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. 
Damit würde der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er ersucht indessen um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann dem Gesuch entsprochen werden (Art. 64 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. 
 
2.1. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
2.2. Rechtsanwalt Jürg Krumm wird zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'500.-- entschädigt.  
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. Oktober 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Chaix 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier