Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
H 50/06 
 
Urteil vom 27. Dezember 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Seiler; Gerichtsschreiberin Riedi Hunold 
 
Parteien 
Bundesamt für Sozialversicherungen, Effingerstrasse 20, 3003 Bern, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
1. N.________, 1950, 
2. O.________, 1953, 
Beschwerdegegner, beide vertreten durch das Treu- 
handbüro X.________, 
 
Vorinstanz 
Kantonales Versicherungsgericht des Wallis, Sitten 
 
(Entscheid vom 18. Januar 2006) 
 
Sachverhalt: 
A. 
O.________ und N.________ sind Gesellschafter der Kollektivgesellschaft der Firma N.________ und als Selbstständigerwerbende der Ausgleichskasse des Kantons Wallis (nachfolgend: Ausgleichskasse) angeschlossen. Per 30. April 2001 schlossen sie ein Geschäftsjahr ab, das den Zeitraum von 1. Mai 2000 bis 30. April 2001 (12 Monate) umfasste. Das darauf folgende Geschäftsjahr dauerte vom 1. Mai 2001 bis 31. Dezember 2002 (20 Monate). 
Die Steuermeldungen wiesen für O.________ und N.________ für das Jahr 2001 ein Einkommen von je Fr. 31'602.- und für 2002 ein solches von je Fr. 46'166.- aus. Auf dieser Grundlage setzte die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 16. Juni 2005, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 21. Juli 2005, die AHV-Beiträge für die Jahre 2001 und 2002 fest. 
B. 
O.________ und N.________ liessen dagegen Beschwerde erheben. Das Versicherungsgericht des Kantons Wallis hiess die Beschwerden mit Entscheid vom 18. Januar 2006 gut, hob den Einspracheentscheid vom 21. Juli 2005 auf und wies die Sache an die Ausgleichskasse zurück, damit diese für die Periode vom 1. Januar bis 31. Dezember 2002 die Beiträge auf einem Einkommen von je Fr. 27'600.- festsetze. 
C. 
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (nachfolgend: BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben. Die Ausgleichskasse beantragt Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. O.________ und N.________ lassen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht. 
2. 
2.1 Die Vorinstanz hat für das Beitragsjahr 2002 das von der kantonalen Steuerverwaltung gemeldete Einkommen aus dem Geschäftsjahr, welches Ende 2002 abgeschlossen wurde und 20 Monate umfasste, auf zwölf Monate umgerechnet. Sie begründet dies unter Verweis auf das Urteil R. vom 23. Februar 2005, H 84/04, damit, dass es dem Wesen der Gegenwartsbemessung entspreche, den tatsächlichen ökonomischen Ergebnissen Rechnung zu tragen. Entsprechend der Postnumerandoberechnung müssten die Beiträge für das Jahr 2002 auf dem in diesem Jahr effektiv erzielten Einkommen berechnet werden. Würde auch das vom 1. Mai bis 31. Dezember 2001 erzielte (im Geschäftsabschluss per 31. Dezember 2002 enthaltene) Einkommen berücksichtigt, würde dies Art. 22 Abs. 1 und 2 AHVV widersprechen. 
2.2 Das BSV beruft sich demgegenüber auf Art. 22 Abs. 3 AHVV, der auch der steuerrechtlichen Regelung (Art. 210 Abs. 2 DBG und Art. 3 der Verordnung über die zeitliche Bemessung der direkten Bundessteuer bei natürlichen Personen vom 16. September 1992, SR 642.117.1) entspreche, die gemäss Art. 9 Abs. 3 AHVG für die AHV massgebend sei. Auch aus praktischen Gründen müsse die AHV auf die steuerrechtliche Regelung abstellen, da die Steuermeldungen keine Aussagen über Beginn, Ende und Dauer eines Geschäftsjahres enthielten. 
3. 
Gemäss Art. 22 Abs. 2 AHVV in der hier massgeblichen, ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung (AS 2000 1441) bemessen sich die Beiträge auf Grund des im Beitragsjahr tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens und des am 31. Dezember im Betrieb investierten Eigenkapitals. Nach Abs. 3 dieser Norm (ebenfalls in der hier relevanten, seit 1. Januar 2001 in Kraft stehenden Fassung, AS 2000 1441) bestimmt sich das Einkommen des Beitragsjahres nach dem Ergebnis des oder der in diesem Jahr abgeschlossenen Geschäftsjahre. 
3.1 Falls das Geschäftsjahr nicht mit dem Beitrags- bzw. Kalenderjahr übereinstimmt, widersprechen sich die Absätze 2 und 3, wenn Abs. 3 im Sinne des BSV zu verstehen ist: Nach Abs. 2 müsste das effektiv erzielte Einkommen im Beitragsjahr zugrunde gelegt werden. Die in das Beitragsjahr fallenden Geschäftsabschlüsse müssten somit jeweils anteilsmässig berücksichtigt werden. Nach Abs. 3 hingegen ist (nur) das in diesem Jahr abgeschlossene Geschäftsjahr massgebend. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 3 AHVV schliesst freilich nicht zwingend aus, bei einem überjährigen Geschäftsjahr auf zwölf Monate umzurechnen. Die Formulierung "nach dem Ergebnis" des Geschäftsjahres ("sur la base du résultat" bzw. "secondo il risultato") könnte auch so interpretiert werden, dass die Rechnung des Geschäftsjahres als Grundlage ("base") genommen und auf zwölf Monate umgerechnet wird. Dies würde bei überjährigen Geschäftsjahren dem "tatsächlich erzielten" Einkommen und damit auch dem Sinn von Abs. 2 besser entsprechen, als wenn auf das gesamte Ergebnis des überjährigen Geschäftsjahres abgestellt würde. In diesem Sinne hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in seinem Urteil R. vom 23. Februar 2005, H 84/04, auch die Ergebnisse eines vom 1. August 2000 bis 31. Juli 2001 dauernden Geschäftsjahres für das Beitragsjahr 2001 auf sieben Monate umgerechnet (und mit dem Ergebnis des anschliessenden Geschäfts"jahres" August bis Oktober 2001 ergänzt), wobei dies den Sonderfall einer im Lauf des Jahres 2001 aufgegebenen selbstständigen Erwerbstätigkeit betraf. 
3.2 Bei dieser Betrachtung müsste vorliegend nicht bloss für das Beitragsjahr 2002 das Geschäftsjahr vom 1. Mai 2001 bis 31. Dezember 2002 auf zwölf Monate umgerechnet werden, sondern auch für das Beitragsjahr 2001 einerseits der auf vier Monate umgerechnete Geschäftsabschluss per Ende April 2001 sowie andererseits der auf acht Monate umgerechnete Geschäftsabschluss per Ende Dezember 2002 herangezogen werden. Die Vorinstanz hat diese Umrechnung unterlassen, weil nur die Beiträge für das Jahr 2002 strittig sind. 
4. 
4.1 Die Regelung von Art. 22 AHVV stellt auf das Steuerrecht ab (vgl. Erläuterungen zur Änderung der AHVV auf den 1. Januar 2001, AHI 2000 S. 110). Dort wird die Bemessung des Einkommens bei der fakultativen einjährigen Steuerperiode in Art. 210 DBG geregelt (vgl. Art. 41 DBG). Nach Art. 210 Abs. 1 DBG bemisst sich das steuerbare Einkommen nach den Einkünften in der Steuerperiode. Dies ist die Regel, welche für alle Steuerpflichtigen gilt, namentlich für die Unselbstständigerwerbenden. Für die Selbstständigerwerbenden enthält Abs. 2 eine Sonderregel, indem für die Ermittlung des Einkommens das in der Steuerperiode abgeschlossene Geschäftsjahr massgebend ist. Dies führt zu einem anderen Ergebnis als die Regel in Abs. 1, wenn das Geschäftsjahr mit dem Steuerjahr nicht übereinstimmt. Diese Regelung wurde - redaktionell verändert und den Besonderheiten der AHV angepasst - in Art. 22 Abs. 2 und 3 AHVV übernommen. 
4.2 Im Steuerrecht erfolgt in den Fällen von Art. 210 Abs. 2 DBG (anders als bei der zweijährigen Vergangenheitsbemessung, Art. 43 Abs. 3 DBG) keine Umrechnung des steuerbaren Einkommens auf ein Jahr, auch wenn das im Steuerjahr abgeschlossene Geschäftsjahr mehr oder weniger als zwölf Monate umfasst (Agner/Jung/Steinmann, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, Zürich 1995, Rz 2 zu Art. 210; Jakob, in: Zweifel/Athanas, Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Basel 2000, N 2 zu Art. 210; Richner/Frei/Kaufmann, Handkommentar zum DBG, Zürich 2003, Rz 87 zu Art. 210; vgl. auch Art. 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung über die zeitliche Bemessung der direkten Bundessteuer bei natürlichen Personen vom 16. September 1992, SR 642.117.1). Dies entspricht dem Bedürfnis nach Praktikabilität und widerspricht nicht dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit; denn im Ergebnis werden auch auf diese Weise alle Einkünfte nur einmal erfasst. 
4.3 Das vom Gesetz- und Verordnungsgeber verfolgte Anliegen, das AHV-Recht möglichst mit dem Steuerrecht zu harmonisieren, spricht dafür, dass auch bei der AHV eine Umrechnung über- oder unterjähriger Geschäftsabschlüsse auf zwölf Monate unterbleibt (anders als bei der ausnahmsweisen Gegenwartsbemessung unter dem bis 31. Dezember 2000 geltenden Recht; vgl. hiezu SVR 2003 AHV Nr. 18 S. 48 Erw. 3.4.1). Dies erscheint auch im Ergebnis sachgerecht, wird doch so das gesamte effektiv erzielte Einkommen nur einmal erfasst, was dem Grundgedanken von Art. 9 AHVG entspricht. Demgegenüber würden mit der vorinstanzlichen Lösung auf dem in den Monaten Mai bis Dezember 2001 erzielten Einkommen keine Beiträge bezahlt. 
4.4 Im Steuerrecht kann es freilich für die Satzbestimmung bedeutsam sein, ob über- oder unterjährige Geschäftsjahre auf zwölf Monate umgerechnet werden oder nicht. Trotzdem sieht das Steuerrecht nur in engen Grenzen für die Satzbestimmung (nicht für die Festlegung des steuerbaren Einkommens) eine Umrechnung vor, nämlich nur bei unterjähriger Steuerpflicht und unterjährigem Geschäftsjahr (Art. 209 Abs. 3 DBG sowie Art. 3 Abs. 3 und 4 der Verordnung über die zeitliche Bemessung der direkten Bundessteuer bei natürlichen Personen vom 16. September 1992, SR 642.117.1). Diese Sonderregelung wurde im AHV-Recht bewusst nicht übernommen, da der Umrechnung eine weniger grosse Bedeutung zukommt als bei der direkten Bundessteuer mit ihrer starken Progression (AHI 2000 S. 111). Im hier gegebenen Bereich der sinkenden Beitragsskala hätte eine solche Umrechnung zwar eine gewisse finanzielle Auswirkung. Indessen wären in casu auch steuerrechtlich die Voraussetzungen für eine Umrechnung nicht gegeben. 
4.5 Die Ausgleichskasse hat somit zu Recht auf das im Jahr 2002 abgeschlossene Geschäftsjahr abgestellt, ohne das ausgewiesene Einkommen auf zwölf Monate umzurechnen. Der Standpunkt des beschwerdeführenden BSV ist begründet. 
5. 
Hier führt dies freilich zu einer an sich gesetzlich nicht gewollten Mehrbelastung der Beschwerdegegner. Denn der Geschäftsabschluss per Ende April 2001, auf welchem die Beiträge für das Jahr 2001 bemessen worden waren, umfasste auch das Einkommen der Monate Mai bis Dezember 2000. Die Beschwerdegegner haben demzufolge im Jahr 2001 Beiträge auf einem Einkommen bezahlt, welches infolge der auf den 1. Januar 2001 erfolgten Umstellung auf die einjährige Beitragsperiode an sich in die Bemessungslücke gefallen wäre (AHI 2000 S. 134; SVR 2003 AHV Nr. 14 S. 37 Erw. 5.2). Ob dies intertemporalrechtlich richtig gewesen wäre (vgl. Abs. 1 der Schlussbestimmungen zur Änderung der AHVV vom 1. März 2000; AHI 2000 S. 134), kann jedoch offen bleiben. Denn die Steuerveranlagung für das Jahr 2001 ist in Rechtskraft erwachsen und somit mangels Anfechtung für die Ausgleichskasse verbindlich (Art. 23 Abs. 4 AHVV). 
6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Die unterliegenden Beschwerdegegner haben die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Kantonalen Versicherungsgerichts des Wallis vom 18. Januar 2006 aufgehoben. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Beschwerdegegnern auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonalen Versicherungsgericht des Wallis und der Ausgleichskasse des Kantons Wallis zugestellt. 
Luzern, 27. Dezember 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: