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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.442/2005 /gij 
 
Urteil vom 12. Oktober 2005 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb, 
Gerichtsschreiber Steinmann. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland, 
Hermann Götz-Strasse 24, Postfach, 8401 Winterthur, 
Bezirksgericht Winterthur, Einzelrichter in Strafsachen, Lindstrasse 10, 8400 Winterthur. 
 
Gegenstand 
Art. 9, 26 und 27 BV (Beschlagnahmeverfügung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichtes Winterthur, Einzelrichter in Strafsachen, vom 16. Juni 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland beschlagnahmte im Zuge der gegen X.________ geführten Strafuntersuchung gestützt auf § 96 ff. der Zürcher Strafprozessordnung am 6. Dezember 2004 71'202 Gramm Marihuana, Hanfkraut und Hanfpflanzen als Beweismittel und im Hinblick auf eine allfällige Einziehung. 
 
Gegen diese Beschlagnahme erhob X.________ beim Bezirksgericht Winterthur Rekurs. Mit Verfügung vom 16. Juni 2005 wies der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Winterthur den Rekurs ab. Er führte im Wesentlichen aus, das Marihuana weise einen THC-Wert von 2 - 9% auf, stelle damit ein Betäubungsmittel dar und könne daher als Beweismittel, zur Einziehung oder zum Verfall beschlagnahmt werden. 
B. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 18. Juli 2005 ficht X.________ diesen Entscheid des Einzelrichters in Strafsachen an und stellt den Antrag, der Einzelrichterentscheid sei aufzuheben und es seien ihm die beschlagnahmten 71'202 Gramm Marihuana, Hanfkraut und Hanfpflanzen auszuhändigen. Er macht im Wesentlichen geltend, eine spätere Einziehung falle wegen der Verwendung für verschiedenartige Gegenstände (Schlüsselanhänger, Schachfiguren und ähnliches) ausser Betracht, das beschlagnahmte Gut vermöge nach der (nicht bestrittenen) Analyse des THC-Gehalts nicht mehr Beweiszwecken zu dienen und die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme sei in verschiedenster Hinsicht unverhältnismässig. 
 
Der Einzelrichter hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde. 
 
Der Beschwerdeführer hält in seiner Replik an seinen Anträgen fest. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Mit der Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft und der Abweisung des dagegen gerichteten Rekurses wird nicht definitiv über das Schicksal der beschlagnahmten Gegenstände befunden. Der angefochtene Entscheid des Einzelrichters stellt daher einen Zwischenentscheid gemäss Art. 87 OG dar. Als solcher kann er mit staatsrechtlicher Beschwerde nur angefochten werden, wenn er im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Dies trifft auf Beschlagnahmungen zu, weil der Betroffene daran gehindert wird, frei über das beschlagnahmte Gut zu verfügen (vgl. BGE 128 I 129 E. 1 S.131, Urteil 1P.149/2003 vom 16. Mai 2003, mit Hinweisen). Auf die gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid (Art. 86 Abs. 1 OG) gerichtete Beschwerde kann eingetreten werden. 
2. 
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen eine Verletzung von Art. 9 BV wegen willkürlicher Anwendung der Zürcher Strafprozessordnung (StPO) geltend. Daneben beruft er sich auch auf die Eigentumsfreiheit (Art. 26 BV) und die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) und rügt in diesem Zusammenhang insbesondere die Unverhältnismässigkeit der Beschlagnahme. Die vorliegend umstrittene Beschlagnahme stellt indessen keinen schweren Eingriff in die Eigentums- und Wirtschaftsfreiheit dar, da nicht dargetan ist, dass das beschlagnahmte Gut unwiederbringlich beeinträchtigt oder gar zerstört würde (vgl. Urteil 1P.149/2003 vom 16. Mai 2003, BGE 130 I 360 E. 14.2 S. 362, 129 I 103 E. 2.2 und 2.3 S. 106). Dies hat zur Folge, dass das Bundesgericht die Anwendung der Strafprozessordnung auch insoweit, als sich der Beschwerdeführer auf Art. 26 und 27 BV beruft, lediglich unter dem Gesichtswinkel der Willkür prüft. 
3. 
§ 96 Abs. 1 StPO sieht die Beschlagnahmung von Gegenständen vor, die als Beweismittel oder zur Einziehung in Frage kommen. Gemäss § 98 StPO wird die Beschlagnahme aufgehoben einerseits bei Gegenständen, die als Beweismittel beschlagnahmt wurden und wenn sie zu diesem Zweck nicht mehr benötigt werden und ihre Einziehung nicht in Frage kommt (Ziff. 1) sowie andererseits bei Gegenständen, die im Hinblick auf ihre Einziehung beschlagnahmt wurden, wenn sich ergibt, dass die Voraussetzungen hierfür fehlen (Ziff. 2). 
3.1 Der Einzelrichter hat im angefochtenen Entscheid offen gelassen, ob das beschlagnahmte Gut - wohl in Folge der Durchführung entsprechender unbestrittener THC-Analysen - noch als Beweismittel benötigt wird. Bei dieser Sachlage braucht die Rüge des Beschwerdeführers, das beschlagnahmte Gut werde als Beweismittel nicht mehr benötigt und sei daher nach § 98 Abs. 1 Ziff. 1 StPO herauszugeben, nicht näher geprüft zu werden. 
3.2 Demgegenüber hat der Einzelrichter die Möglichkeit der Einziehung bejaht und aus diesem Grunde die Aufhebung der Beschlagnahme bzw. die Herausgabe des beschlagnahmten Gutes verweigert. Dies stellt der Beschwerdeführer in Abrede. Er macht insbesondere geltend, es sei auf die realisierte bzw. beabsichtigte Verwendung des beschlagnahmten Gutes abzustellen. Danach beurteile sich, ob das beschlagnahmte Gut die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährde; der Straftatbestand von Art. 19 Ziff. 1 BetmG ziele auf Handlungen, die zur Gewinnung von Betäubungsmitteln ausgerichtet seien. Gerade dies treffe im vorliegenden Fall nicht zu. Er habe dargelegt, dass er das beschlagnahmte Gut nicht in der Absicht der Gewinnung von Betäubungsmitteln hergestellt oder gelagert habe. Vielmehr gehe es ihm darum, die Hanfpflanzen zur Verarbeitung zu diversen Gegenständen, insbesondere zu Schlüsselanhängern und Schachfiguren, zu verwenden. Das beschlagnahmte Gut habe zu keinem Zeitpunkt der Gewinnung oder der Verwendung als Betäubungsmittel gedient. Bei dieser Sachlage falle eine Einziehung nicht in Betracht und sei daher die Beschlagnahme aufzuheben. 
 
Diese Vorbringen sind indes nicht geeignet, die Beschlagnahme als unrechtmässig erscheinen zu lassen. Es ist eine durch den Strafrichter zu beurteilende Frage des materiellen Verfahrens, was der Beschwerdeführer mit den beschlagnahmten Marihuana, Hanfkraut und Hanfpflanzen beabsichtigte, welchen Gebrauch er davon machte und ob er mit Vorsatz handelte und demnach allenfalls gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen hat. Darüber ist im Beschlagnahme-Verfahren nicht zu befinden. 
Entscheidend ist vielmehr einzig, ob das Marihuana, das Hanfkraut und die Hanfpflanzen für die Einziehung in Betracht fallen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann dies vor dem Hintergrund von § 96 Abs. 1 StPO nicht in Zweifel gezogen werden. Es ist unbestritten, dass das beschlagnahmte Gut einen bedeutenden THC-Wert aufweist und insoweit geeignet ist, missbräuchlich im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes zur Gewinnung von Betäubungsmitteln verwendet zu werden, sei dies durch den Beschwerdeführer selber oder bei Weitergabe durch Dritte. Insoweit erscheint es nicht willkürlich, das THC-haltige Gut vorderhand als grundsätzlich der Einziehung unterliegend zu betrachten und demnach gestützt auf § 96 Abs. 1 StPO zu beschlagnahmen bzw. nach § 98 Abs. 1 Ziff. 2 StPO nicht herauszugeben. Daran vermögen auch die Beweisofferten bzw. die Rüge der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes nichts zu ändern. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, soweit mit ihr die Beschlagnahme schon in Grundsatz angefochten wird. 
3.3 Der Beschwerdeführer bezieht sich ferner auf Art. 26 und 27 BV. Er macht nicht geltend, dass die Strafprozessordnung im Grundsatz diese Verfassungsrechte nicht einzuschränken vermöge. Er rügt vor diesem Hintergrund vielmehr eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit. 
 
Wie oben dargelegt, darf davon ausgegangen werden, dass das beschlagnahmte Gut missbräuchlich verwendet werden könnte. Bei dieser Sachlage erscheint es von vornherein abwegig, von der Staatsanwaltschaft die Herausgabe des beschlagnahmten Gutes zu verlangen, auf die Gefahr hin, dass es womöglich missbräuchlich zur Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werde. Zudem kann der Staatsanwaltschaft nicht zugemutet werden, gewissermassen eine Buchhaltung und Kontrolle darüber zu führen, welche Teile des beschlagnahmten Gutes nun in welcher Weise verarbeitet werden. Damit erweist sich auch die Rüge der Unverhältnismässigkeit als unbegründet. 
4. 
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland und dem Bezirksgericht Winterthur, Einzelrichter in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 12. Oktober 2005 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: