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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_603/2009 
 
Urteil vom 8. September 2009 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Mathys, 
Gerichtsschreiberin Unseld. 
 
Parteien 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Serge Flury, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Generalprokurator des Kantons Bern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einfache Verletzung von Verkehrsregeln, Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 8. Juni 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der Gerichtspräsident 1 des Gerichtskreises VI Signau-Trachselwald sprach X.________ am 29. Januar 2009 der einfachen Verletzung von Verkehrsregeln durch Überfahren der Strassenmitte beim Einspuren zum Linksabbiegen (Art. 90 Ziff. 1 SVG i.V.m. Art. 36 Abs. 1 SVG und Art. 13 Abs. 2 VRV) schuldig und verurteilte sie zu einer Busse von Fr. 300.--. 
Auf Appellation von X.________ hin bestätigte das Obergericht des Kantons Bern am 8. Juni 2009 das erstinstanzliche Urteil. 
 
B. 
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 13. Juli 2009 beantragt X.________, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und sie freizusprechen. 
 
C. 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde zu begründen. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Begründung hat in der Beschwerdeschrift selbst zu erfolgen. Soweit die Beschwerdeführerin auf ihre kantonalen Eingaben verweist, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (BGE 133 II 396 E. 3.2; 131 III 384 E. 2.3 mit Hinweis). 
 
2. 
Das Obergericht hielt folgenden Sachverhalt für erwiesen: 
Die Beschwerdeführerin fuhr am 29. August 2008 hinter Y.________ auf der Burgdorfstrasse in Langnau her. Um links am Fahrzeug von Y.________ vorbei in die Querstrasse einbiegen zu können, setzte sie den linken Blinker, spurte auf die Gegenfahrbahn ein und fuhr neben Y.________ her. Da auf der Höhe der Querstrasse beide Fahrzeuglenkerinnen nach links abbogen, kam es zu einer seitlichen Kollision im Bereich der Fahrertüre von Y.________. 
 
3. 
3.1 Die Beschwerdeführerin macht in rechtlicher Hinsicht geltend, es sei nicht von einem eigentlichen Einspuren, sondern von einem beginnenden Überholmanöver mit nachfolgendem Linksabbiegen auszugehen. Die Vorinstanz habe sich zu wenig mit der ratio legis der Bestimmung von Art. 36 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 13 Abs. 2 VRV auseinandergesetzt. Da von Y.________ keinerlei Anzeichen ausgingen, dass ein Linksabbiegen bevorstehe, und weder nachfolgende noch entgegenkommende Verkehrsteilnehmer behindert worden seien, sei ein kurzes Befahren der Gegenfahrbahn zulässig gewesen. 
 
3.2 Nach Art. 90 Ziff. 1 SVG macht sich strafbar, wer die Verkehrsregeln des SVG oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten (Art. 36 Abs. 1 SVG). Beim Einspuren nach links darf der Fahrzeugführer den für den Gegenverkehr bestimmten Raum nicht beanspruchen (Art. 13 Abs. 2 Satz 1 VRV). Dies gilt auch, wenn die Strasse keine Markierungen aufweist (vgl. BGE 93 IV 99 E. 2a S. 103). 
 
3.3 Ausgangspunkt der Gesetzesanwendung ist der Gesetzestext. Nach der Rechtsprechung darf die Auslegung vom klaren Wortlaut eines Rechtssatzes nur abweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt (BGE 135 II 138 E. 2.2.3 S. 142; 131 II 217 E. 2.3 S. 221; 128 IV 272 E. 2, je mit Hinweisen). Der Wortlaut und die ratio legis der Bestimmungen von Art. 36 Abs. 1 SVG und Art. 13 Abs. 2 Satz 1 VRV sind klar und bedürfen keiner über den Gesetzestext hinausgehenden Auslegung. Anders als bei einem Überholmanöver auf gerader Strecke muss die Fahrt beim Linksabbiegen verlangsamt werden. Der Fahrer muss seine Aufmerksamkeit zudem nicht bloss auf den Gegenverkehr, sondern auch auf die Verkehrssituation in der Einmündungsstrasse richten. Er kann nicht, wie beim Überholen, zügig auf der Gegenfahrbahn an dem zu überholenden Fahrzeug vorbeifahren. Ein Einspuren auf der Gegenfahrbahn beim Abbiegen nach links weist daher ein ungleich höheres Gefahrenpotential auf als ein Überholmanöver und ist deshalb von Gesetzes wegen verboten. Steht ein Linksabbiegen bevor, darf demzufolge nicht zum Überholen angesetzt werden, wenn das Überholmanöver nicht rechtzeitig abgeschlossen werden kann, so dass das Einspuren auf der Gegenfahrbahn zu erfolgen hätte. Nicht gefolgt werden kann der Lehrmeinung, wonach die Strassenmitte beim Einspuren überfahren werden darf, wenn Gewissheit besteht, dass dadurch der vortrittsberechtigte Gegenverkehr in keiner Weise behindert wird (René Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I: Grundlagen, Verkehrszulassung und Verkehrsregeln, 2. Aufl. 2002, N. 759 S. 344 mit Hinweisen auf weitere Autoren). 
 
3.4 Die Beschwerdeführerin überfuhr in Missachtung von Art. 36 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 13 Abs. 2 Satz 1 VRV beim Abbiegen nach links die Strassenmitte. Sie machte sich damit der einfachen Verletzung von Verkehrsregeln nach Art. 90 Ziff. 1 SVG strafbar. 
 
4. 
Für die rechtliche Qualifikation der einfachen Verkehrsregelverletzung unerheblich ist, ob Y.________ die bevorstehende Richtungsänderung anzeigte. Die Fahrweise der Beschwerdeführerin wäre auch strafbar, wenn diese berechtigterweise davon hätte ausgehen dürfen, Y.________ werde ihre Fahrt auf der Burgdorfstrasse fortsetzen. Auf die Rüge der Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe die Frage, ob Y.________ den linken Blinker setzte, vor dem Abbiegen einspurte und ihre Geschwindigkeit verlangsamte, zu Unrecht unbeantwortet gelassen, ist daher nicht einzutreten (Art. 97 Abs. 1 BGG). 
 
5. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 8. September 2009 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Favre Unseld