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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_1052/2020  
 
 
Urteil vom 20. Juli 2021  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Marazzi, von Werdt, 
Gerichtsschreiber Buss. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Piergiorgio Giuliani, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Karl Güntzel, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Definitive Rechtsöffnung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden, Einzelrichter, vom 12. November 2020 (ERZ 20 39). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ leitete gegen A.________ die Betreibung über Fr. 345'188.-- (Fr. 305'369.-- + Fr. 39'819.--) nebst Zins zu 5 % seit 1. Januar 2020 ein. Der Zahlungsbefehl des Betreibungsamts Appenzeller Vorderland Nr. xxx wurde A.________ am 7. Mai 2020 zugestellt. Diese erhob gleichentags Rechtsvorschlag. 
 
B.  
Am 19. Mai 2020 beantragte B.________ die definitive Rechtsöffnung, welche ihm vom Kantonsgericht Appenzell Ausserrhoden für den Betrag von Fr. 345'188.-- nebst Zins zu 5 % seit 1. Januar 2020 antragsgemäss erteilt wurde (Urteil vom 27. August 2020). 
 
C.  
A.________ wandte sich gegen die Erteilung der Rechtsöffnung an das Obergericht Appenzell Ausserrhoden. Mit Urteil vom 12. November 2020 wies das Obergericht die Beschwerde ab. 
 
D.  
Mit Eingabe vom 16. Dezember 2020 ist A.________ an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids und die Abweisung des Gesuchs von B.________ (Beschwerdegegner) um definitive Rechtsöffnung. Eventuell sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zu neuem Entscheid zurückzuweisen. 
Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung ist mit Präsidialverfügung vom 12. Januar 2021 entsprochen worden. Das Gesuch des Beschwerdegegners um Anordnung von Sicherungsmassnahmen wurde demgegenüber abgewiesen. 
Auf die Einholung von Vernehmlassungen wurde verzichtet. In einer unaufgefordert eingereichten Beschwerdeantwort beantragt der Beschwerdegegner die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts, das als Rechtsmittelinstanz über eine Rechtsöffnung in der Betreibung für eine Forderung in der Höhe von Fr. 345'188.-- befunden hat. Dagegen steht die Beschwerde in Zivilsachen zur Verfügung (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 1 lit. b und Art. 75 BGG). Die Beschwerdeführerin ist als Betreibungsschuldnerin vom angefochtenen Entscheid besonders betroffen und daher zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.2. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
2.  
 
2.1. Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid, so kann der Gläubiger beim Richter die Aufhebung des Rechtsvorschlags (definitive Rechtsöffnung) verlangen (Art. 80 Abs. 1 SchKG). Gerichtlichen Entscheiden gleichgestellt sind gerichtliche Vergleiche und gerichtliche Schuldanerkennungen (Art. 80 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG). Damit ein gerichtlicher Vergleich als definitiver Rechtsöffnungstitel dienen kann, muss er, nicht anders als ein Urteil, den Schuldner eindeutig und unzweifelhaft zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme verpflichten (BGE 143 III 564 E. 4.4.4; Urteil 5A_444/2020 vom 28. August 2020 E. 6.2.3; BETTLER, Der gerichtliche Vergleich nach Art. 241 ZPO, AJP 2018 S. 1486 ff., 1497).  
 
2.2. Als Rechtsöffnungstitel diente vorliegend ein von den Parteien am 11. November 2015 vor dem Kantonsgericht St. Gallen abgeschlossener gerichtlicher Vergleich, mit welchem die Parteien erbrechtliche Ansprüche geregelt haben. Die hier interessierende Ziffer 7 des Vergleichs hat folgenden Wortlaut:  
 
" (...) A.________ wird aus dem Verkaufserlös den B.________ zustehenden erbrechtlichen Pflichtteil (1/6) bezahlen. Die Parteien einigen sich darauf, dass dieser Pflichtteil bzgl. der Liegenschaft C.________ mindestens Fr. 39'819.-- und bezüglich der D.________ mindestens Fr. 305'369.-- beträgt. Sollten die Liegenschaften nicht bis Ende 2018 verkauft worden sein, erhält B.________ innert 3 Jahren ab dem Zeitpunkt des Eintritts der grundbuchrechtlichen Veräusserungsfähigkeit, spätestens am 31.12.2019, unabhängig von einem späteren Verkaufserlös, vorab diese Mindestbeträge als Pflichtteil. Im Fall des späteren Verkaufs wird A.________ den allfälligen Fehlbetrag zwischen dem jeweiligen bezahlten Mindestbetrag und dem 1/6 aus dem Verkaufserlös unverzüglich nach Erhalt des Verkaufserlöses nachzahlen." 
 
2.3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, eine wörtliche Auslegung des Vergleichs lasse mit Bezug auf die Fälligkeit der Verpflichtung zwei unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten zu. Die vom Beschwerdegegner und der Vorinstanz anvisierte Auslegung mit der absoluten Frist "spätestens am 31.12.2019" stehe in offenbarem Widerspruch zum Satz, dass der erbrechtliche Pflichtteil (1/6) dem Beschwerdegegner aus dem Verkaufserlös zu bezahlen sei. Schon daraus werde klar, dass eine Zahlung bloss aus einem allfälligen Verkaufserlös getätigt werden könne. Insgesamt würden mehr Umstände darauf hinweisen, dass die Parteien mit den fraglichen Fristbestimmungen der Ziffer 7 des Vergleichs eine relative Frist von drei Jahren gemeint hätten, die der Beschwerdeführerin genügend Zeit gegeben hätte, die Liegenschaften zu verkaufen und den dem Beschwerdegegner zu bezahlenden Pflichtteil überhaupt erst zu erhalten. Demgegenüber würden weniger Anhaltspunkte für das Vorliegen einer absoluten Frist sprechen. Jedenfalls habe sich die Vorinstanz die Kognition eines Sachrichters angemasst, obwohl sie lediglich zu beurteilen gehabt hätte, ob der Zeitpunkt der Erfüllung aus dem vorgelegten Rechtsöffnungstitel unzweifelhaft hervorgeht.  
 
2.4. Der Beschwerde ist kein Erfolg beschieden. Die Vereinbarung ist simpel und klar. Versprochen wurde im Vergleich eine bezifferte Geldleistung in bestimmter Währung per bestimmtem Datum. Konkret wurde für die Mindestzahlung im Vergleich eine Frist bis (spätestens) 31. Dezember 2019 vereinbart, die ganz ausdrücklich für den nun eingetretenen Fall gilt, dass die Liegenschaften zu diesem Zeitpunkt noch nicht verkauft worden sind. Selbst wenn - wie die Beschwerdeführerin behauptet - die grundbuchrechtliche Veräusserungsfähigkeit betreffend die beiden in Österreich gelegenen Liegenschaften erst im Jahr 2020 eingetreten sein sollte, würde dieser Umstand den Fälligkeitszeitpunkt offenkundig nicht noch weiter nach hinten verschieben, womit der Vorinstanz diesbezüglich auch keine unvollständige Feststellung des Sachverhalts vorgeworfen werden kann. Abwegig erscheint auch die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung der Beschwerdeführerin, die Bestimmung des 31. Dezember 2019 sei bloss für den Fall gedacht gewesen, dass ein Verkauf der Liegenschaften noch im Jahr 2015 hätte realisiert werden können. Dass die Parteien sogar für den Fall eines zeitnahen Verkaufs der Liegenschaften bezüglich des dem Beschwerdegegner zustehenden Anspruchs einen (mehrjährigen) Aufschub der Fälligkeit vereinbart hätten, geht aus dem Vergleich nicht ansatzweise hervor. Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde der Vergleichstext nach dem Gesagten sorgfältig und widerspruchsfrei formuliert. Folglich ist auch der angefochtene Entscheid (mit dem die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung bestätigt wurde) nicht zu beanstanden.  
 
3.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegner, der sich lediglich zum Gesuch um aufschiebende Wirkung zu äussern hatte, mit seinen dort gestellten Anträgen aber unterlag und dem Bundesgericht seine Beschwerdeantwort unaufgefordert einreichte, hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 7'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. Juli 2021 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Buss