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[AZA 7] 
I 375/00 Vr 
 
IV. Kammer 
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und nebenamtlicher Richter 
Maeschi; Gerichtsschreiberin Polla 
 
Urteil vom 22. März 2001 
 
in Sachen 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, Zürich, Beschwerdeführerin, 
gegen 
H.________, 1944, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Gsell, Schanzeneggstrasse 1, Zürich, 
 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
A.- Der 1944 geborene H.________ war als Bauarbeiter bei der Y.________ & Cie AG erwerbstätig gewesen. Am 14. Januar 1994 erlitt er einen zerebrovaskulären Insult mit motorischem Hemisyndrom rechts. Er ist deshalb im Gebrauch der rechten Hand eingeschränkt und leidet an einer Beinschwäche rechts (Bericht der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Spitals X.________ vom 2. Oktober 1995). Am 27. Dezember 1994 meldete sich H.________ zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Mit Verfügungen vom 23. Dezember 1997, 24. Februar 1998 und 6. März 1998 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Zürich ab 1. Januar 1995 eine halbe einfache Invalidenrente, nebst Zusatzrente für die Ehefrau und Kinderrenten, aufgrund eines Invaliditätsgrades von 62 % zu, wobei sie einem Valideneinkommen von Fr. 53'560.- im Jahr ein als Hilfsarbeiter im Gartenbau bei einer Arbeitsfähigkeit von 50 % erzielbares Invalideneinkommen von Fr. 20'377.- gegenüberstellte. 
 
 
 
 
B.- In Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde sprach das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 26. Mai 2000 H.________ mit Wirkung ab 
1. Januar 1995 eine ganze Rente zu, indem es das von der IV-Stelle ermittelte Valideneinkommen der Nominallohnentwicklung bis 1998 anpasste, was ein Einkommen von Fr. 56'164.- ergab, und einem hypothetischen Invalideneinkommen von Fr. 18'572.- gegenüberstellte, woraus sich ein Invaliditätsgrad von 66,9 % ergab. Das Invalideneinkommen setzte es in der Weise fest, dass es das nach der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 1996 des Bundesamtes für Statistik für männliche Arbeitnehmer im privaten Sektor und Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten) ermittelte standardisierte Durchschnittseinkommen von Fr. 4294.- monatlich (einschliesslich 13. Monatslohn) auf die betriebsübliche Arbeitszeit von 41,9 Stunden umrechnete und der Nominallohnentwicklung bis 1998 anpasste, woraus sich bei einer Arbeitsfähigkeit von 50 % ein Jahreseinkommen von Fr. 27'312.- ergab. Hievon nahm es einen Abzug von 12 % wegen Teilzeitbeschäftigung sowie einen weiteren Abzug von 20 % wegen reduzierter Leistungsfähigkeit auch im Rahmen einer Erwerbstätigkeit von 50 % vor. 
 
C.- Die IV-Stelle des Kantons Zürich führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit der Begründung, die Abzüge vom Invalideneinkommen dürften nach der Rechtsprechung insgesamt 25 % nicht überschreiten, was zu einem Invaliditätsgrad von lediglich 63,5 % und damit zum Anspruch auf eine halbe Rente führe. 
H.________ beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Die Vorinstanz hat die massgeblichen Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 114 V 313 Erw. 3a, 104 V 136 f Erw. 2a und b) sowie die Bedeutung ärztlicher Auskünfte für die Belange der Invaliditätseinschätzung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen) zutreffend wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden. 
 
b) In BGE 126 V 75 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden, dass die Frage, ob und in welchem Ausmass Tabellenlöhne herabzusetzen sind, von sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen des konkreten Einzelfalls (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad) abhängt. Dabei rechtfertigt es sich nicht, für jedes zur Anwendung gelangende Merkmal separat quantifizierte Abzüge vorzunehmen und diese zusammenzuzählen, da damit Wechselwirkungen ausgeblendet werden. Vielmehr ist der Einfluss aller Merkmale auf das Invalideneinkommen unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen, wobei es sich rechtfertigt, den Abzug auf insgesamt höchstens 25 % zu begrenzen (BGE 126 V 79 Erw. 5b). 
Diese Rechtsprechung ist auf sämtliche im Zeitpunkt der Änderung noch nicht erledigte sowie auf künftige Fälle anwendbar (BGE 108 V 3 Erw. 2a in fine, 100 V 25 Erw. 4b). 
Sie hat daher auch im vorliegenden Fall Anwendung zu finden. 
 
2.- a) Die Vorinstanz hat den Abzug vom Tabellenlohn auf 32 % festgesetzt, indem sie einen Abzug von 12 % wegen des krankheitsbedingt auf 50 % reduzierten Beschäftigungsgrades und von 20 % wegen der gesundheitlich beeinträchtigten Leistungsfähigkeit auch in einer leichten Hilfsarbeitertätigkeit berücksichtigt hat. Dem kann nach der erwähnten Rechtsprechung insoweit nicht gefolgt werden, als der Abzug für sämtliche in Betracht fallenden Kriterien gesamthaft zu schätzen und auf höchstens 25 % festzusetzen ist. 
Im Hinblick darauf, dass im vorliegenden Fall nur einzelne der abzugsbegründenden Kriterien gegeben sind, erscheint ein Abzug von 15 % - 20 % als angemessen. Von einer genauen prozentmässigen Festsetzung des Abzugs kann abgesehen werden, weil selbst unter Annahme eines höchstzulässigen Abzugs von 25 % die Voraussetzungen für die Zusprechung einer ganzen Rente nicht erfüllt wären. Wird nämlich von dem vom kantonalen Gericht ermittelten und von der IV-Stelle anerkannten Jahreseinkommen von Fr. 27'312.- ein Abzug von 25 % vorgenommen, resultiert ein Invalideneinkommen von Fr. 20'484.-, was im Vergleich zum Valideneinkommen von Fr. 56'164.- zu einem Invaliditätsgrad von 63,5 % und damit zum Anspruch auf eine halbe Invalidenrente führt (Art. 28 Abs. 1 IVG). 
 
b) Der Beschwerdegegner bestreitet die Richtigkeit der von der Vorinstanz angenommenen hypothetischen Einkommen als solche nicht, macht jedoch geltend, nach den ärztlichen Stellungnahmen stelle ein 50 %-Pensum bei einer leichten Arbeit die oberste Grenze einer zumutbaren Tätigkeit dar. 
Der IV-Arzt Dr. med. C.________ habe zusätzliche Abklärungen mit der Begründung in Erwägung gezogen, dass bei Insulten neben den rein neurologischen Ausfällen oft auch psychische Störungen (Verlust von Antrieb, Konzentration, Durchhaltewillen etc.) vorlägen, sodass die aus neurologischer Sicht noch mögliche Erwerbsfähigkeit nicht genutzt werden könne (Stellungnahme vom 30. Oktober 1995). Vom Spital X.________ sei ferner auf die zusätzlichen Erschwernisse des nicht mehr sicheren Ganges, der herabgesetzten Feinmotorik an der dominanten rechten Hand und der Beschränkung der Einsatzfähigkeit auf nurmehr grobmotorische Tätigkeiten hingewiesen worden. Es lägen damit besondere, die Erwerbsfähigkeit zusätzlich einschränkende Umstände vor, welchen man mit pauschalisierten (allenfalls auf maximal 25 % beschränkten) Abzügen allein nicht gerecht werde. 
 
c) Was der Beschwerdegegner vorbringt, betrifft die Arbeitsfähigkeit bei einer angepassten leichteren Tätigkeit. 
Diesbezüglich besteht aber kein Anlass, von der Annahme von Verwaltung und Vorinstanz abzugehen, wonach im Rahmen einer zumutbaren Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von 50 % besteht. Laut Bericht der Neurologischen Klinik des Spitals X.________ vom 2. Oktober 1995 vermag der Versicherte zufolge der beeinträchtigten Feinmotorik der rechten Hand und einer Instabilität des rechten Beines - welche Arbeiten in erhöhter Position ausschliesst - den bisherigen Beruf als Bauarbeiter nicht mehr auszuüben; dagegen sind ihm grobmotorische Tätigkeiten, wie beispielsweise Arbeiten in einem Magazin, einer Packerei oder einer Gärtnerei, durchaus möglich, sofern sie nicht mit hohen Belastungen verbunden sind. Die Arbeitsfähigkeit wird für solche Tätigkeiten auf 50 % geschätzt, wobei eine weitere Steigerung als möglich erachtet wird. Der Gesundheitszustand wird als besserungsfähig bezeichnet mit der Feststellung, dass der Versicherte unbedingt den Nikotinabusus aufgeben und sein Gewicht reduzieren sollte. Dem kantonalen Gericht ist darin beizupflichten, dass auf diese Beurteilung abgestellt werden kann. Sie berücksichtigt die vom Beschwerdegegner erwähnten Beeinträchtigungen und steht im Einklang mit der Feststellung der behandelnden Ärztin Frau Dr. med. 
M.________ vom 12. November 1995, wonach ihm eine leichte Arbeit zumutbar ist. Zu einem andern Schluss sind auch der IV-Arzt Dr. med. C.________ und die IV-Ärztin Frau Dr. med. 
B.________ in ihren Stellungnahmen vom 30. Oktober 1995 und 
15. August 1996 nicht gelangt. Es geht daraus vielmehr hervor, dass der Bericht der Neurologischen Klinik des Spitals X.________ vom 2. Oktober 1995 nach Auffassung dieser Ärzte eine genügende Beurteilungsgrundlage darstellt und die Annahme einer Arbeitsfähigkeit von 50 % im Rahmen einer geeigneten leichteren Tätigkeit unter medizinischen Gesichtspunkten zu bestätigen ist. Die Feststellung des Dr. med. 
C.________, wonach es nach Insulten oft auch zu psychischen Beeinträchtigungen komme, hat generellen Charakter und gibt keinen Anlass zu weiteren Abklärungen, da sich aus den Berichten der behandelnden Ärztin und des Spitals X.________ keinerlei Anhaltspunkte für solche Störungen ergeben. Zu weiteren Abklärungen besteht auch in erwerblicher Hinsicht kein Grund. Selbst wenn dem Versicherten, wie in der erstinstanzlichen Beschwerde geltend gemacht wurde, eine Tätigkeit in einer Gärtnerei oder im Gartenbau nicht oder nicht im angenommenen Umfang möglich sein sollte, bestehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt genügend andere, den bestehenden Behinderungen angepasste Erwerbsmöglichkeiten. 
Die Vorinstanz hat bei der Invaliditätsbemessung denn auch nicht auf das von der Verwaltung als Invalideneinkommen herangezogene Einkommen als Hilfsarbeiter im Gartenbau, sondern auf den Tabellenlohn für einfache und repetitive Tätigkeiten im gesamten privaten Sektor abgestellt. Der kantonale Entscheid bedarf nach dem Gesagten nur insofern der Korrektur, als nicht von einem Abzug vom ermittelten Jahreseinkommen von 32 %, sondern von höchstens 25 % auszugehen ist, was im Ergebnis zur Bestätigung der streitigen Verfügungen der IV-Stelle vom 23. Dezember 1997, 
24. Februar 1998 und 6. März 1998 führt. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird 
der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons 
Zürich vom 26. Mai 2000 aufgehoben. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 22. März 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: