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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_610/2019  
 
 
Urteil vom 13. Februar 2020  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Kneubühler, Haag, 
Gerichtsschreiber Mattle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung Wirtschaftskriminalität, 
Rheinstrasse 27, Postfach, 4410 Liestal. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Rechtsverweigerung / Rechtsverzögerung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss 
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, 
Abteilung Strafrecht, vom 25. Juni 2019 (470 19 82). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft führt seit dem 23. Januar 2017 bzw. dem 20. April 2017 ein Strafverfahren gegen A.________ wegen gewerbsmässigen Betrugs und weiterer Straftatbestände (vgl. auch den Sachverhalt im Urteil 1B_222/2019 vom 6. Januar 2020). Mit Eingabe vom 21. März 2019 an das Kantonsgericht Basel-Landschaft bemängelte A.________ unter anderem, dass das Verfahren von der Staatsanwaltschaft nicht vorangetrieben werde. Das Kantonsgericht nahm die Eingabe als Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerde entgegen, welche sie mit Beschluss vom 25. Juni 2019 abwies. Der begründete Beschluss des Kantonsgerichts wurde A.________ am 13. Dezember 2019 zugestellt. 
 
B.   
Gegen den Beschluss des Kantonsgerichts vom 25. Juni 2019 hat A.________ am 23. Dezember 2019 Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben, es sei festzustellen, dass sich die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft der Rechtsverzögerung schuldig gemacht habe, und die Strafverfolgungsbehörden seien anzuweisen, das Strafverfahren zum Abschluss zu bringen. Eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner sei festzustellen, dass sich das Kantonsgericht in der zeitlichen Behandlung der Beschwerde seinerseits der Rechtsverzögerung schuldig gemacht habe, und es sei die Vorinstanz anzuweisen, allfällige künftige Beschwerdeverfahren zügig zum Abschluss zu bringen. 
 
C.   
Die Vorinstanz beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Mit Eingabe vom 28. Januar 2020 hat der Beschwerdeführer an seinen Anträgen sinngemäss festgehalten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer Strafsache; dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff. BGG offen. Er schliesst das Verfahren allerdings nicht ab; es handelt sich um einen Zwischenentscheid. Der Beschwerdeführer macht eine ungerechtfertigte Rechtsverzögerung geltend, womit die Beschwerde grundsätzlich unabhängig von den Voraussetzungen von Art. 93 BGG zulässig ist (vgl. Urteil 1C_595/2019 vom 27. Januar 2020 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
1.2. Soweit der Beschwerdeführer verlangt, es sei festzustellen, dass die Vorinstanz bei der Beurteilung der Rechtsverzögerungsbeschwerde ihrerseits das Beschleunigungsgebot verletzt habe und die Vorinstanz sei anzuweisen, allfällige künftige Beschwerdeverfahren zügig zum Abschluss zu bringen, ist ein aktuelles und praktisches Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG nicht ersichtlich, wobei es Sache des Beschwerdeführers wäre, darzulegen, inwiefern er nach der Eröffnung des Beschlusses der Vorinstanz noch ein aktuelles und praktisches Rechtsschutzinteresse hätte (vgl. BGE 130 I 312 E. 5.3 S. 333 mit Hinweis).  
Zwar verzichtet das Bundesgericht ausnahmsweise auf ein aktuelles Rechtsschutzinteresse, wenn sich die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen jederzeit und unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnten, an ihrer Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und eine rechtzeitige bundesgerichtliche Prüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (vgl. BGE 142 I 135 E. 1.3.2 S. 144; 135 I 79 E. 1.1 S. 81 mit Hinweis). Dass diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt wären, wird vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht und ist nicht ersichtlich. Soweit er eine Rechtsverzögerung durch die Vorinstanz rügt, ist auf seine Beschwerde demzufolge nicht einzutreten. 
 
1.3. Soweit der Beschwerdeführer hingegen im Zusammenhang mit dem laufenden Strafverfahren eine ungerechtfertigte Rechtsverzögerung durch die Staatsanwaltschaft rügt, ist er nach Art. 81 Abs. 1 BGG als beschuldigte Person zur Beschwerde gegen den vorinstanzlichen Beschluss berechtigt. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist insoweit auf die Beschwerde einzutreten.  
 
2.   
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht verneint, dass die Staatsanwaltschaft im gegen ihn geführten Strafverfahren das Beschleunigungsgebot gemäss Art. 5 Abs. 1 StPO und Art. 6 EMRK verletzt habe. 
 
2.1. Zur Garantie eines gerechten Verfahrens nach Art. 29 Abs. 1 BV gehören der ausdrückliche Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist und das Verbot der Rechtsverzögerung (vgl. auch Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Sie gelten in allgemeiner Weise für sämtliche Sachbereiche und alle Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsbehörden. Art. 5 StPO konkretisiert das Beschleunigungsgebot für den Bereich des Strafrechts; nach Abs. 1 dieser Bestimmung nehmen die Strafbehörden die Strafverfahren unverzüglich an die Hand und bringen sie ohne unbegründete Verzögerung zum Abschluss.  
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird der Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist missachtet, wenn die Sache über Gebühr verschleppt wird. Die Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer entzieht sich starren Regeln. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob sich die Dauer unter den konkreten Umständen als angemessen erweist (in der Regel in einer Gesamtbetrachtung). Der Streitgegenstand und die damit verbundene Interessenlage können raschere Entscheide erfordern oder längere Behandlungsperioden erlauben. Zu berücksichtigen sind der Umfang und die Komplexität der aufgeworfenen Sachverhalts- und Rechtsfragen, das Verhalten der beschuldigten Person und dasjenige der Behörden (z.B. unnötige Massnahmen oder Liegenlassen des Falls) sowie die Zumutbarkeit für die beschuldigte Person (BGE 143 IV 373 E. 1.3.1 S. 377 mit Hinweis). 
Eine Rechtsverzögerung liegt insbesondere vor, wenn die Behörde im Verfahren über mehrere Monate hinweg untätig gewesen ist, mithin das Verfahren respektive der Verfahrensabschnitt innert wesentlich kürzerer Zeit hätte abgeschlossen werden können. Dass das Verfahren zwischen gewissen Prozessabschnitten zeitweise ruht oder dass einzelne Verfahrenshandlungen auch früher hätten erfolgen können, begründet für sich alleine hingegen noch keine Bundesrechtswidrigkeit (BGE 130 IV 54 E. 3.3.3 S. 56 f. mit Hinweisen). Im Rahmen der gesetzlichen Regelung muss der Staatsanwaltschaft bei der zeitlichen Priorisierung und Verfahrensbeschleunigung sodann ein erheblicher Ermessensspielraum zustehen (Urteile 1B_349/2019 vom 21. November 2019 E. 2.2 und 1B_55/2017 vom 24. Mai 2017 E. 3.4; je mit Hinweisen). 
 
2.2. Der Beschwerdeführer hat die Rüge der ungerechtfertigten Rechtsverzögerung bereits im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren 1B_222/2019, welches einen Zwischenentscheid der Vorinstanz vom 16. April 2019 betraf, erhoben. Das Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 6. Januar 2020 folgendes erwogen (a.a.O., E. 3.2) :  
 
"Wie sich aus den Akten ergibt, handelt es sich hier um eine relativ komplexe wirtschaftsstrafrechtliche Untersuchung mit mehreren Mitbeteiligten, zahlreichen mutmasslichen Geschädigten und diversen strafprozessualen Zwischenverfahren. Ab April 2017 liess der Beschuldigte (für sich und die von ihm verwaltete Gesellschaft) mehrere Siegelungsbegehren stellen. Zwei Entsiegelungsverfahren wurden bis ans Bundesgericht weitergezogen (vgl. Urteile 1B_328/2017 und 1B_330/2017 vom 26. Januar 2018). Am 16. November 2018 entschied das kantonale ZMG noch über die restlichen Entsiegelungen. Die Durchsuchung und Auswertung der sukzessive freigegebenen Aufzeichnungen und Unterlagen erwies sich als aufwändig und zeitraubend. Gegen die im Anschluss an die Entsiegelungen erfolgten Beschlagnahmeverfügungen der Staatsanwaltschaft (vom 12. April und 17. Dezember 2018) erhob der Beschuldigte noch weitere Rechtsmittel beim Kantonsgericht bzw. Bundesgericht (...), was erneut gewisse Ressourcen der Untersuchungsbehörde in Anspruch nahm. Dass der Beschuldigte eine Zeit lang nicht (mehr) einvernommen worden sei, dürfte teilweise auch noch mit gesundheitlichen Problemen (bzw. mit seiner damaligen Hospitalisierung) zusammenhängen. 
Bei dieser Sachlage verletzt es das Bundesrecht nicht, wenn die Vorinstanz (sinngemäss) eine Rechtsverzögerung im Untersuchungsverfahren verneint hat. Dass die kantonalen Strafbehörden beim Erlass oder bei der Prüfung der hier streitigen Deckungsbeschlagnahme das Beschleunigungsgebot verletzt hätten, wird in der Beschwerde nicht substanziiert dargelegt (vgl. Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG)." 
Die Vorinstanz stellte im vorliegend angefochtenen Beschluss fest, seit der Eröffnung des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer seien über 2.5 Jahre vergangen. Sie erwog, die Dauer des Verfahrens sei bis anhin nicht unangemessen lang. Vielmehr wiege der Tatvorwurf schwer und sei eine überaus grosse Anzahl Akten zu sichten. Überdies sei ein Entsiegelungsverfahren betreffend im April 2017 beschlagnahmter Gegenstände erst mit Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts vom 16. November 2018 abgeschlossen worden, weshalb das Beschlagnahmegut von der Staatsanwaltschaft erst im Nachgang an den nämlichen Entscheid habe gesichtet werden können. Nicht zuletzt sei auf die ausserordentliche Vielzahl an Eingaben des Beschwerdeführers hinzuweisen, deren Behandlung einen nicht zu unterschätzenden zusätzlichen Zeitaufwand generiert habe. 
 
2.3. Die Vorinstanz verneinte eine ungerechtfertigte Rechtsverzögerung durch die Staatsanwaltschaft im vorliegend angefochtenen Beschluss somit im Wesentlichen mit den gleichen Überlegungen wie das Bundesgericht in den zitierten Erwägungen in seinem Urteil 1B_222/2019 vom 6. Januar 2020. Auch wenn zwischen den beiden angefochtenen Beschlüssen der Vorinstanz noch einmal etwas mehr als zwei Monate verstrichen sind und die Strafuntersuchung inzwischen etwas mehr als drei Jahre dauert, besteht im jetzigen Zeitpunkt kein Anlass, auf die bundesgerichtliche Einschätzung zurückzukommen. Dies zumal der Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerde gegen den vorliegend angefochtenen Beschluss nicht zu widerlegen vermag, dass es sich um eine relativ komplexe Strafuntersuchung handelt, die Durchsuchung und Auswertung der umfangreichen Aufzeichnungen bzw. Unterlagen sich als aufwändig und zeitraubend erwies und das bisherige prozessuale Verhalten des Beschwerdeführers - namentlich die von ihm gestellten Siegelungsbegehren sowie die von ihm veranlassten Beschwerdeverfahren - die Dauer des Strafverfahrens stark mitbeeinflusste. Inwiefern die kantonalen Strafbehörden in den verschiedenen Entsiegelungs- und Beschlagnahmeverfahren konkret das Beschleunigungsgebot verletzt hätten, wird in der Beschwerde erneut nicht substanziiert dargelegt. Unter den gegebenen Umständen erweist sich die Dauer der Strafuntersuchung noch als angemessen und ist der Vorinstanz keine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG vorzuwerfen, wenn sie eine Rechtsverzögerung seitens der Staatsanwaltschaft verneint hat.  
 
3.   
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Er ersucht indes um unentgeltliche Rechtspflege inklusive Verbeiständung. Dem Gesuch kann entsprochen werden, zumal der in der Strafuntersuchung amtlich vertretene Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren glaubhaft dargelegt hat, dass er im Sinne von Art. 64 Abs. 1 BGG bedürftig ist und auch die weiteren Voraussetzungen von Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG erfüllt sind. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen: 
 
2.1. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
2.2. Rechtsanwalt Stefan Suter wird zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'500.-- entschädigt.  
 
3.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Februar 2020 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Mattle