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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_564/2020  
 
 
Urteil vom 9. Dezember 2020  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Grünenfelder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Petrik, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Appenzell Ausserrhoden, Neue Steig 15, 9100 Herisau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden vom 22. Juli 2020 (O3V 19 18). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
 
A.a. Die IV-Stelle Appenzell Ausserrhoden liess die 1969 geborene A.________, gelernte Coiffeuse, bei der MEDAS Ostschweiz, St. Gallen, polydisziplinär abklären (Expertise vom 15. April 2011). Gestützt darauf verneinte sie einen Rentenanspruch. Die Verfügung vom 8. August 2011 hob das kantonale Gericht auf und wies die Sache zur Ergänzung des medizinischen Sachverhalts und anschliessender Neuverfügung an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 22. Februar 2012).  
 
A.b. Die Verwaltung holte in der Folge bei der MEDAS Zentralschweiz, Luzern, ein Gutachten vom 15. Mai 2014 ein (samt Stellungnahmen vom 10. Juli und 25. August 2014). Nach Abbruch des anschliessenden Belastbarkeitstrainings im Februar 2015 veranlasste sie ebendort eine Verlaufsbegutachtung, welche vom 11. April 2016 datiert. Zudem wurde eine Haushaltsabklärung durchgeführt (Bericht vom 4. April 2017). Mit Verfügung vom 5. März 2019 wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren infolge fehlender Invalidität ab.  
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde der A.________ wies das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 22. Juli 2020 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr ab September 2010 eine ganze Invalidenrente und ab April 2014 eine Dreiviertelsrente auszurichten. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Durchführung weiterer Abklärungen an die IV-Stelle zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Eine Beweiswürdigung ist nicht bereits dann willkürlich (vgl. dazu BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f. mit Hinweisen), wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Fehler beruht (BGE 144 I 28 E. 2.4 S. 31 mit Hinweisen).  
 
2.   
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie einen Rentenanspruch verneinte.  
 
2.2. Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Grundlagen zur Invalidität und Erwerbsunfähigkeit (Art 7 f. ATSG), zum Rentenanspruch, dessen Umfang (Art. 28 Abs. 1 und 2 IVG) und zur Invaliditätsbemessung (Art. 16 ATSG und Art. 28a IVG; Art. 27bis IVV) zutreffend dargelegt. Korrekt sind auch die Ausführungen über Funktion und Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352), insbesondere was die Expertisen externer Spezialärzte anbelangt, welche im Rahmen des Verwaltungsverfahrens (vgl. Art. 44 ATSG) eingeholt wurden (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 135 V 465 E. 4.4 S. 470). Darauf wird verwiesen.  
 
3.   
Die Vorinstanz hat dem polydisziplinären Verlaufsgutachten der MEDAS Zentralschweiz vom 11. April 2016 Beweiskraft zuerkannt, wonach eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % für angepasste Tätigkeiten besteht. Sie hat erwogen, die Beschwerdeführerin sei im Gesundheitsfall als vollerwerbstätige selbstständige Coiffeuse zu qualifizieren. Das Valideneinkommen hat das kantonale Gericht anhand der Einträge im individuellen Konto (IK) auf maximal Fr. 26'000.- festgelegt und diesem, basierend auf der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE), ein Invalideneinkommen von Fr. 26'897.- bei 50%iger Arbeitsfähigkeit gegenüber gestellt (vgl. Art. 16 ATSG). Gestützt darauf hat es einen rentenbegründenden Invaliditätsgrad selbst unter Anrechnung des höchstzulässigen Abzugs vom Tabellenlohn verneint und die Verfügung vom 5. März 2019 bestätigt. 
 
4.   
Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, verfängt nicht. 
 
4.1. Vorab ist dem Einwand, die Vorinstanz habe in medizinischer Hinsicht zu Unrecht auf weitere Beweiserhebungen verzichtet, kein Erfolg beschieden. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin äusserten sich die Gutachter der MEDAS Zentralschweiz durchaus zur Frage der Arbeitsfähigkeit vor dem Jahr 2014. In den ergänzenden Stellungnahmen der MEDAS Zentralschweiz vom 10. Juli und 25. August 2014 wurde einlässlich begründet, weshalb die medizinischen Experten die vorherigen Beurteilungen des behandelnden Neurochirurgen Dr. med. B.________, Spital C.________, und des Hausarztes Dr. med. D.________ nicht teilten. Hinzu kommt, dass selbst Dr. med. B.________ der Beschwerdeführerin eine mit der gutachterlichen Einschätzung übereinstimmende Arbeitsfähigkeit von 50 % für adaptierte Tätigkeiten attestiert hatte (Bericht vom 29. Juli 2011). Sodann geht aus dem Verlaufsgutachten vom 11. April 2016 eindeutig hervor, in somatischer (rheumatologisch-orthopädisch-neurochirurgischer) Hinsicht bestehe keine Veränderung im Vergleich zur Vorbegutachtung vom 15. Mai 2014. Es trifft folglich nicht zu, dass die Gutachter, wie die Beschwerdeführerin meint, keine (eigene) Beurteilung abgegeben hätten. Ebenso wenig hat die Vorinstanz relevante Aspekte ausser Acht gelassen, welche ergänzende Abklärungen aus medizinischer Sicht rechtfertigen könnten (vgl. E. 1.2). Eine Rechtsverletzung (vgl. Art. 43 Abs. 1 und 61 lit. c ATSG) ist demnach weder erkennbar noch (substanziiert) begründet.  
 
4.2. Sodann moniert die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, die Vorinstanz habe das Valideneinkommen willkürlich festgelegt.  
 
4.2.1. Entsprechend dem Invalideneinkommen handelt es sich auch beim Valideneinkommen um eine hypothetische Grösse, indem darauf abzustellen ist, was die versicherte Person im Zeitpunkt des Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre (BGE 134 V 322 E. 4.1 S. 325; SVR 2011 IV Nr. 55 S. 163, 8C_671/2010 E. 4.5.1; Urteil 9C_192/2014 vom 23. September 2014 E. 3.2). Wenn sich die versicherte Person, auch als deren Arbeitsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war, über mehrere Jahre hinweg mit einem bescheidenen Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit begnügt hat, ist dieses für die Festlegung des Valideneinkommens massgebend (BGE 135 V 58 E. 3.4.6 S. 64 mit Hinweisen).  
 
4.2.2. Wie im angefochtenen Entscheid dargelegt, fehlen konkrete Anhaltspunkte, dass die Beschwerdeführerin im Gesundheitsfall mehr verdienen würde als in den rund zehn Jahren ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit als Coiffeuse von Februar 1998 bis Dezember 2008. Die Vorinstanz hat vor allem die erwerbsbiografischen Angaben im Assessmentgespräch vom 2. Februar 2010 berücksichtigt und die nach Beginn der gesundheitlichen Einschränkungen datierenden - daher hier nicht entscheidwesentlichen - Anstellungen in den Jahren 2009 und 2012 gewürdigt (vgl. vorinstanzliche Erwägung 5.1.3). Zudem hat sie verbindlich (E. 1.1) festgestellt, die vollzeitliche selbstständige Erwerbstätigkeit im Gesundheitsfall werde durch die Aussage der Beschwerdeführerin bei der MEDAS-Verlaufsbegutachtung vom 11. April 2016 wie auch anhand der Haushaltsabklärung vom 28. März 2017 bestätigt. Dementsprechend führte die Beschwerdeführerin den MEDAS-Experten gegenüber aus, sie habe als selbstständige Coiffeuse "vor Ort" zu 80 % gearbeitet und die weiteren 20 % für die Administration benötigt. Bei der späteren Haushaltsabklärung bestätigte sie, vor Eintritt des Gesundheitsschadens stets zu 100 % als Selbstständige gearbeitet zu haben, wobei - anders als in der Beschwerde behauptet - sowohl die familiäre Situation als auch das Alter des jüngsten Sohnes (Jahrgang 2000) mit einbezogen waren.  
 
4.2.3. Vor diesem Hintergrund vermögen die in der Beschwerde erhobenen Rügen keine willkürliche Beweiswürdigung zu begründen. Daran ändert die einzige abweichende Angabe bei der Anmeldung zum Leistungsbezug, wonach die Beschwerdeführerin bis Ende 2008 bloss zu 60 % als selbstständige Coiffeuse erwerbstätig gewesen sei, für sich allein nichts (vgl. E. 1.2.). Denn es ist nicht ansatzweise belegt, dass sie als Gesunde dauerhaft eine besser bezahlte unselbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hätte. Hinsichtlich der Übernahme eines eigenen Coiffeursalons (vgl. Schreiben vom 26. Mai 2015), worauf in der Beschwerde erneut Bezug genommen wird, kann mithin auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden. Dies gilt umso mehr, als blosse Absichtserklärungen zur Begründung einer allfälligen beruflichen Weiterentwicklung nicht genügen (vgl. Urteil 9C_368/2017 vom 3. August 2017 E. 4.1 mit Hinweisen). Auch die übrige Invaliditätsbemessung hält ohne Weiteres vor Bundesrecht stand.  
 
4.3. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde unbegründet.  
 
5.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend hat die unterliegende Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 9. Dezember 2020 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder