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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_148/2022  
 
 
Urteil vom 17. November 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Zollinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Herr Marcel Bosonnet und Frau Brigitt 
Thambiah, Rechtsanwälte, 
 
gegen  
 
Amt für Justiz Kanton Nidwalden, Migration, 
Kreuzstrasse 2, 6371 Stans, 
 
Regierungsrat des Kantons Nidwalden, 
Regierungsgebäude, 
Dorfplatz 2, Postfach 1246, 6371 Stans. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und 
Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des 
Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden, 
Verwaltungsabteilung, vom 13. Dezember 2021 
(VA 21 23). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, Staatsbürger von Sri Lanka, wurde im Januar 1997 in der Schweiz geboren. Das Bundesamt für Flüchtlinge (heute: Staatssekretariat für Migration) stellte mit Verfügung vom 27. Oktober 2000 fest, dass A.________ die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllte, ordnete aber gleichzeitig die vorläufige Aufnahme in der Schweiz an. Am 16. September 2003 erhielt A.________ die Aufenthaltsbewilligung und am 11. September 2013 die Niederlassungsbewilligung. Mit Urteil des Obergerichts des Kantons Nidwalden vom 4. Oktober 2017 wurde A.________ wegen sexueller Nötigung und Exhibitionismus zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu je Fr. 10.-- verurteilt. Zurzeit befindet er sich wegen einer paranoiden Schizophrenie in schwerem Ausmass im Massnahmenvollzug. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 5. Mai 2020 widerrief das Amt für Justiz des Kantons Nidwalden die Niederlassungsbewilligung von A.________ und wies ihn spätestens am Tag der Entlassung aus dem Massnahmen- und allfälligen Strafvollzug aus der Schweiz, dem Schengenraum sowie aus der Europäischen Union weg. 
 
B.a. Die von A.________ gegen die Verfügung vom 5. Mai 2020 erhobene Verwaltungsbeschwerde hiess der Regierungsrat des Kantons Nidwalden mit Beschluss vom 29. Juni 2021 teilweise gut. Er ergänzte die Verfügung vom 5. Mai 2020. Das Amt für Justiz habe, sobald der Regierungsratsbeschluss vom 29. Juni 2021 vollstreckbar sei, im Rahmen eines medizinischen Consultings zu prüfen und festzustellen, ob die medizinische Versorgung in Sri Lanka in Bezug auf den Gesundheitszustand von A.________ weiterhin gewährleistet werden könne sowie zu dokumentieren und gegenüber A.________ auszuweisen, welche medizinischen Einrichtungen in Sri Lanka seine medizinische Versorgung ermöglichen könnten. Im Übrigen wies der Regierungsrat die Verwaltungsbeschwerde ab.  
 
B.b. Am 26. August 2021 erhob A.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden mit Entscheid vom 13. Dezember 2021 abwies.  
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 10. Februar 2022 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Entscheids vom 13. Dezember 2021. Seine Niederlassungsbewilligung sei nicht zu widerrufen und er sei nicht aus der Schweiz wegzuweisen. Eventualiter sei die Angelegenheit nach Ablauf von zwei Jahren der aktuellen Massnahme zu weiteren Abklärungen betreffend Rückfallrisiko zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht verlangt A.________ für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege unter Verbeiständung durch Rechtsanwalt Marcel Bosonnet. 
Die Abteilungspräsidentin hat der Beschwerde mit Verfügung vom 11. Februar 2022 antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
Sowohl das Amt für Justiz als auch die Vorinstanz verzichten auf eine Vernehmlassung. Der Regierungsrat schliesst auf Abweisung der Beschwerde und beantragt, auf den Eventualantrag sei nicht einzutreten. Das Staatssekretariat für Migration lässt sich nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 BGG) eingereichte Eingabe betrifft eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG) und richtet sich gegen den kantonal letztinstanzlichen (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), verfahrensabschliessenden (Art. 90 BGG) Entscheid eines oberen Gerichts (Art. 86 Abs. 2 BGG). Das Rechtsmittel ist als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, da auf die Weitergeltung der Niederlassungsbewilligung grundsätzlich ein Anspruch besteht (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; vgl. Urteile 2C_889/2021 vom 24. Februar 2022 E. 1; 2C_628/2021 vom 21. Oktober 2021 E. 1; 2C_852/2020 vom 14. Januar 2021 E. 1). Ob die Voraussetzungen für die Weitergeltung der Niederlassungsbewilligung vorliegen, ist indes nicht Gegenstand der Eintretensfrage, sondern der materiellen Beurteilung (vgl. BGE 139 I 330 E. 1.1; 136 II 177 E. 1.1). Der Beschwerdeführer ist bereits im kantonalen Verfahren als Partei beteiligt gewesen und dort mit seinen Anträgen nicht durchgedrungen. Ausserdem ist er durch den angefochtenen Entscheid in seinen schutzwürdigen Interessen besonders berührt. Er ist somit zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten. 
 
2.  
Mit der Beschwerde kann namentlich die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und lit. b BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), wobei es - unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen prüft, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (vgl. BGE 142 I 135 E. 1.5; 133 II 249 E. 1.4.1). Der Verletzung von Grundrechten geht das Bundesgericht nur nach, falls eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 II 44 E. 1.2; 143 II 283 E. 1.2.2). Diese qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit nach Art. 106 Abs. 2 BGG verlangt, dass in der Beschwerde klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids dargelegt wird, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (vgl. BGE 143 I 1 E. 1.4; 133 II 249 E. 1.4.2). Seinem Urteil legt das Bundesgericht den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). 
 
3.  
Im vorinstanzlichen und bundesgerichtlichen Verfahren unbestritten ist der Umstand, dass der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG; SR 142.20) in Verbindung mit Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG erfüllt ist. Als längerfristig im Sinne von Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG gilt eine Freiheitsstrafe, wenn ihre Dauer ein Jahr überschreitet (vgl. BGE 139 I 145 E. 2.1; 135 II 377 E. 4.5). Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil vom 4. Oktober 2017 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu je Fr. 10.-- verurteilt (vgl. Bst. A hiervor). Damit liegt eine längerfristige Freiheitsstrafe im Sinne von Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG vor. Die aufenthaltsbeendende Massnahme steht auch nicht mit der strafrechtlichen Landesverweisung im Sinne von Art. 66a StGB (SR 311.0) in Konkurrenz, da die Straftaten, die am 4. Oktober 2017zur besagten Verurteilung führten, vor dem 1. Oktober 2016 begangen wurden (vgl. BGE 146 II 1 E. 2.1). Der vorinstanzliche Entscheid ist diesbezüglich nicht zu beanstanden. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist demnach lediglich die Frage, ob der Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Straffälligkeit verhältnismässig ist. 
In tatsächlicher Hinsicht ist im Weiteren anerkannt, dass der in seiner psychischen Gesundheit beeinträchtigte Beschwerdeführer auf die Unterstützung seiner Eltern und seines Bruders angewiesen ist und dass das Verhältnis zu seinen Eltern und seinem Bruder über die normalen familiären Bindungen hinausgeht. Unter den Verfahrensbeteiligten ist deshalb zu Recht unbestritten, dass zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Eltern sowie seinem Bruder trotz seiner Volljährigkeit ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht. Der Beschwerdeführer kann sich daher auf den Schutz des Familienlebens im Sinne von Art. 8 EMRK berufen (vgl. BGE 147 I 268 E. 1.2.3; 145 I 227 E. 3.1; 144 II 1 E. 6.1; 129 II 11 E. 2; 120 Ib 257 E. 1e f.). Art. 8 EMRK kommt zum Tragen (vgl. auch E. 4.2.5 des angefochtenen Entscheids). 
 
4.  
Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist der Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung nicht verhältnismässig. 
 
4.1. Der Beschwerdeführer beanstandet die vorinstanzliche Interessenabwägung. Er macht geltend, die Vorinstanz würdige die Umstände falsch, die zugunsten seines privaten Interesses sprächen. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung sei nicht erforderlich. Ihm werde gemäss den Verlaufsberichten vom Juni 2020 und Februar 2021 sowie dem Gutachten vom Februar 2021 lediglich ein geringes Rückfallrisiko sowie eine niedrige Rückfallwahrscheinlichkeit attestiert. Die Tatsache, dass er nach der künftigen Entlassung aus dem Massnahmenvollzug darauf angewiesen sei, bei seiner Familie zu leben, begünstige die Wahrscheinlichkeit für sein Wohlverhalten weiter. Trotz dieser Bestätigung gehe die Vorinstanz unzutreffend davon aus, dass er mit erheblicher Wahrscheinlichkeit gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen werde.  
Überdies, so der Beschwerdeführer weiter, sei der Widerruf der Niederlassungsbewilligung nicht zumutbar. Er sei im Jahr 1997 in der Schweiz geboren worden und lebe seither hier. In der tamilischen Sprache verständige er sich lediglich mit seinen Eltern, während er mit seinem Bruder Mundart spreche. Die tamilische Schrift sowie die in Sri Lanka gesprochene singhalesische Sprache beherrsche er nicht. Zwar sei er im Kindesalter einmal mit seiner Familie in Sri Lanka in den Ferien gewesen. Jedoch habe er keinen Kontakt zu allfälligen Verwandten, die in Sri Lanka leben würden. Entgegen der vorinstanzlichen Auffassung habe er in Sri Lanka kein soziales Netz. 
Nach Auffassung des Beschwerdeführers lässt die Vorinstanz im Übrigen ausser Acht, dass er im Zeitpunkt der Anlasstat erst 18-jährig und psychisch beeinträchtigt gewesen sei. Zunächst seien die Gutachter im Jahr 2016 von einer kombinierten Persönlichkeitsstörung ausgegangen. Im Nachhinein sei mit Gutachten vom 5. Februar 2021 eine paranoide Schizophrenie in schwerem Ausmass diagnostiziert worden. Im Schreiben des Massnahmenzentrums für junge Erwachsene vom 6. Mai 2021 werde festgehalten, dass die Anlasstat im Zusammenhang mit dieser Erkrankung stehe. Selbst das Amt für Justiz führe im Schreiben vom 21. Mai 2021 aus, dass die diagnostizierte paranoide Schizophrenie in schwerem Ausmass wohl weit über die ursprüngliche Diagnose einer schweren Persönlichkeitsstörung hinausgehe und es sich um eine deliktsrelevante paranoide Schizophrenie handle. Ferner sei er bei der Tat, die dem Urteil vom 4. Oktober 2017 zugrunde liege, das erste und einzige Mal strafrechtlich in Erscheinung getreten. 
 
4.2. Liegt ein Widerrufsgrund vor, ist zu prüfen, ob die damit verbundene aufenthaltsbeendende Massnahme verhältnismässig ist (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 Abs. 1 AIG). Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung tangiert ausserdem den Anspruch des Beschwerdeführers auf Achtung des Privat- und Familienlebens (vgl. Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 8 Ziff. 1 EMRK; vgl. auch E. 3 i.f. hiervor). Die Einschränkung dieses grundrechtlichen Anspruchs bedarf neben einer gesetzlichen Grundlage, welche vorliegend unbestrittenermassen besteht, unter anderem ebenso der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit (vgl. Art. 13 Abs. 1 BV i.V.m. Art. 36 Abs. 3 BV; Art. 8 Ziff. 2 EMRK; BGE 143 I 21 E. 5.1 f.; 139 I 31 E. 2.3).  
 
4.2.1. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung bei aufenthaltsbeendenden Massnahmen wegen Straffälligkeit namentlich die Schwere des Verschuldens der ausländischen Person, ihre Rückfallgefahr, die Dauer ihrer bisherigen Anwesenheit in der Schweiz, der Grad ihrer Integration sowie die der betroffenen Person und ihrer Familie mit der Massnahme drohenden Nachteile zu berücksichtigen (vgl. BGE 139 I 145 E. 2.4; 139 I 31 E. 2.3). Ausgangspunkt und Massstab für die ausländerrechtliche Interessenabwägung ist die Schwere des Verschuldens, die sich in der Dauer der verfahrensauslösenden Freiheitsstrafe niederschlägt (vgl. BGE 134 II 10 E. 4.2; 129 II 215 E. 3.1).  
 
4.2.2. Die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der sich schon seit langer Zeit im Land aufhält - und insbesondere von Angehörigen der "Zweiten Generation" - soll nur mit Zurückhaltung widerrufen werden. Bei gewichtigen Straftaten, bei Rückfall sowie bei wiederholter (unverbesserlicher) Delinquenz kann aber auch in diesen Fällen ein überwiegendes Interesse daran bestehen, die Anwesenheit des Ausländers zu beenden, da und soweit er (1) hochwertige Rechtsgüter verletzt oder in Gefahr gebracht hat oder (2) sich von straf- und ausländerrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken lässt und damit zeigt, dass er auch künftig weder gewillt noch fähig erscheint, sich an die hiesige Rechtsordnung zu halten. Treten Jugendliche oder junge Erwachsene, die im Aufnahmestaat sozialisiert worden sind, strafrechtlich in Erscheinung, so besteht im Falle überwiegend nicht gewalttätiger Delikte grundsätzlich nur wenig Raum für eine Aufenthaltsbeendigung. Diese Altersgruppe lässt sich in ihrer Entwicklung noch wesentlich beeinflussen und die meisten der "Frühdelinquenten" werden nicht mehr straffällig, weshalb ihre Wiedereingliederung im Vordergrund steht (vgl. Urteil 2C_348/2020 vom 7. Oktober 2020 E. 5.3). Dennoch kann selbst eine einmalige Straftat eine aufenthaltsbeendende Massnahme rechtfertigen, wenn die Rechtsgutsverletzung schwer wiegt (vgl. Urteile 2C_348/2020 vom 7. Oktober 2020 E. 5.4; 2C_656/2018 vom 13. Dezember 2018 E. 2.3).  
 
4.3. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Obergerichts des Kantons Nidwalden vom 4. Oktober 2017 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu je Fr. 10.-- verurteilt. Die Vorinstanz hält in diesem Zusammenhang grundsätzlich zutreffend fest, dass das Verschulden des Beschwerdeführers schwer wiegt, da der damals 18-Jährige gemäss Strafurteil am 11. Oktober 2015 eine 16-Jährige zum Oralverkehr nötigte und sich rund einen Monat später vor zwei anderen Frauen entblösste (vgl. E. 4.2.2 des angefochtenen Entscheids). Insgesamt ist deshalb von einem grossen öffentlichen Interesse an der aufenthaltsbeendenden Massnahme auszugehen.  
 
4.4. Dem öffentlichen Interesse ist das private Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz gegenüberzustellen, welches sich in der vorliegenden Angelegenheit durch einige Besonderheiten auszeichnet.  
 
4.4.1. Mit Blick auf das private Interesse des Beschwerdeführers fällt zunächst ins Gewicht, dass er in der Schweiz geboren wurde und aufwuchs. Er absolvierte hier die Schulen und hat einwandfreie deutsche Sprachkenntnisse. Demgegenüber reichen seine mündlichen Kenntnisse der tamilischen Sprache nicht über den Sprachgebrauch des familiären Alltags hinaus. Mit seinem Bruder spricht er Schweizerdeutsch. Die offizielle singhalesische Landessprache Sri Lankas beherrscht der Beschwerdeführer nicht. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen umgebe sich der Beschwerdeführer mit einheimischen Jugendlichen und habe bis auf seine Kernfamilie keinen Kontakt mit Landsleuten seines Heimatlands. Zu den sehr wenigen Verwandten in Sri Lanka, die der Beschwerdeführer nicht kenne, hätten lediglich seine Eltern sporadischen Kontakt (vgl. E. 4.2.3 des angefochtenen Entscheids).  
 
4.4.2. Zudem leidet der Beschwerdeführer gemäss dem wissenschaftlich forensisch-psychiatrischen Gutachten der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel vom 5. Februar 2021 an einer paranoiden Schizophrenie in schwerem Ausmass. Auch das Amt für Justiz, das den Widerruf der Niederlassungsbewilligung verfügt hatte, hielt im Schreiben vom 21. Mai 2021 fest, dass eine deliktsrelevante paranoide Schizophrenie in schwerem Ausmass vorliege und diese wohl weit über die ursprüngliche Diagnose einer schweren Persönlichkeitsentwicklungsstörung hinausgehe (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG). Die Vorinstanz berücksichtigt zwar seine gesundheitliche Verfassung (vgl. E. 4.2.3 des angefochtenen Entscheids). Indessen relativiert die Vorinstanz die psychische Erkrankung und den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers (als Element seines privaten Interesses) mit dem Hinweis auf die Behandlungsmöglichkeiten in Sri Lanka. Gemäss den Abklärungen der kantonalen Migrationsbehörden, so die Vorinstanz, gäbe es in Sri Lanka 23 Spitäler mit psychiatrischen Abteilungen für die stationäre Behandlung sowie mehr als 300 Kliniken zur ambulanten Behandlung psychisch kranker Personen. Das private Interesse des Beschwerdeführers, so die Vorinstanz folgernd, würde durch die in seinem Heimatland sichergestellte, angemessene Versorgung seines Gesundheitsleidens geschmälert (vgl. E. 4.2.4 des angefochtenen Entscheids).  
 
4.4.3. Die vorinstanzliche Würdigung greift zu kurz: Die Vorinstanz lässt ausser Acht, dass für den Erfolg der Therapie sowie die Stabilisierung des Gesundheitszustands das (bestehende) familiäre Umfeld von wesentlicher Bedeutung ist. Im Gutachten vom 5. Februar 2021 wird denn auch positiv hervorgehoben, dass die Familie den Beschwerdeführer im Massnahmenvollzug regelmässig besucht habe und das familiäre Umfeld die Legalprognose des Beschwerdeführers deutlich verbessere (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG). Aufgrund des besonderen Abhängigkeitsverhältnisses des Beschwerdeführers zu seinen Eltern und seinem Bruder ist das familiäre Umfeld massgeblich zu berücksichtigen (vgl. E. 3 hiervor). Der Umstand, dass die Gesundheitsversorgung des Beschwerdeführers möglicherweise auch in Sri Lanka gewährleistet ist, ist zu relativieren, zumal in Sri Lanka keine engen Familienangehörigen leben (vgl. E. 4.4.1 hiervor).  
 
4.4.4. Überdies hält selbst die Vorinstanz fest, dass die Rückfallgefahr des Beschwerdeführers gering sei, er im Massnahmenvollzug Fortschritte erzielt und sich das sicherheitspolizeiliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Massnahme abgeschwächt habe (vgl. E. 4.2.2 des angefochtenen Entscheids). Vorliegend müsste der an einer paranoiden Schizophrenie in schwerem Ausmass leidende Beschwerdeführer ohne soziales und familiäres Umfeld nach Sri Lanka ausreisen. Es erscheint ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer unter diesen Umständen in Sri Lanka Fuss fassen kann. Die Ausreise ist ihm unzumutbar. Mangels bedeutender Berührungspunkte zu Sri Lanka und aufgrund der Bedeutung des familiären Umfelds für die Behandlung der paranoiden Schizophrenie hat der Beschwerdeführer ein sehr grosses privates Interesse am Verbleib in der Schweiz.  
 
4.5. Nach dem Dargelegten steht ein grosses öffentliches Interesse an der aufenthaltsbeendenden Massnahme dem sehr grossen privaten Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz gegenüber. Die Interessenabwägung ist von den besonderen Umständen des Einzelfalls geprägt: Beim Beschwerdeführer handelt es sich um eine ausländische Person der "Zweiten Generation", er leidet an einer paranoiden Schizophrenie in schwerem Ausmass und ist trotz Volljährigkeit von seinen Eltern und seinem Bruder, die in der Schweiz leben, abhängig. Es besteht eine niedrige Rückfallwahrscheinlichkeit und der Beschwerdeführer hat keine Bezugspunkte zu Sri Lanka. Im Lichte der Abwägung der Interessen erweist sich die aufenthaltsbeendende Massnahme als unverhältnismässig. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung verletzt Art. 5 Abs. 2 BV, Art. 96 Abs. 1 AIG, Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 EMRK.  
 
5.  
Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde als begründet, weshalb sie gutzuheissen ist. Der vorinstanzliche Entscheid vom 13. Dezember 2021 ist aufzuheben. Die Angelegenheit ist zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 67 BGG). 
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hat einen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 BGG). Damit wird das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden vom 13. Dezember 2021 wird aufgehoben. 
 
2.  
Die Angelegenheit wird zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden zurückgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Der Kanton Nidwalden hat Rechtsanwalt Marcel Bosonnet eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- zu entrichten. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. November 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger