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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.645/2003 /sta 
 
Urteil vom 10. Februar 2004 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Steinmann. 
 
Parteien 
P.X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Jean-Rodolphe Spahr, 
 
gegen 
 
Amtsstatthalteramt Luzern, Abteilung Luzern-Land, Eichwilstrasse 2, Postfach, 6011 Kriens, 
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern, 
Obergericht des Kantons Luzern, Kriminal- und Anklagekommission, Hirschengraben 16, Postfach, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Beschlagnahmeverfügung, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, Kriminal- und Anklagekommission, vom 22. September 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Im Zusammenhang mit einem gegen P.X.________ geführten Strafverfahren wegen Widerhandlung gegen das luzernische Wasserbaugesetz (WBG/LU, SRL Nr. 760) erliess das Amtsstatthalteramt Luzern, Abteilung Luzern-Land, am 10. Juli 2003 eine Beschlagnahmeverfügung betreffend den "Bagger, welcher sich seit kurzem im Besitz von P.X.________ befindet". 
 
Gegen diese Verfügung erhob P.X.________ bei der Kriminal- und Anklagekommission des Obergerichts des Kantons Luzern Rekurs und verlangte die Aufhebung der Beschlagnahmeverfügung und die unbeschwerte Herausgabe des Baggers Marke Yanmar-Ammann. 
 
Mit Entscheid vom 22. September 2003 wies die Kriminal- und Anklagekommission den Rekurs ab, soweit darauf einzutreten war. Sie führte aus, P.X.________ führe am Giessbach mit dem Bagger unbewilligte Arbeiten aus. Damit unterliege der Bagger grundsätzlich einer Einziehung nach Art. 58 StGB und könne in Anwendung von § 115 i.V.m. § 114 der Luzerner Strafprozessordnung (StPO) beschlagnahmt werden. Für die vorläufige Beschlagnahme genüge, dass namhafte Gründe für das Vorliegen einer strafbaren Handlung vorlägen. 
B. 
Gegen diesen Entscheid hat P.X.________ beim Bundesgericht am 27. Oktober 2003 staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er verlangt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das Obergericht bzw. das Amtsstatthalteramt sei anzuweisen, ihm den beschlagnahmten Bagger sofort und unbeschwert herauszugeben. Er macht im Wesentlichen eine Verletzung von Art. 9 BV geltend. 
 
Das Obergericht beantragt mit Stellungnahmen vom 10. November 2003 und 12. Januar 2004 die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Die Staatsanwaltschaft und das Amtsstatthalteramt haben sich nicht vernehmen lassen. Der Beschwerdeführer hat sich dazu am 29. Januar 2004 erneut geäussert und unter Hinweis auf eine inzwischen erfolgte Änderung des kantonalen Wasserbaugesetzes an seinen Anträgen festgehalten. 
C. 
Mit Präsidialverfügung vom 20. November 2003 ist der Beschwerde hinsichtlich der kantonalen Verfahrenskosten aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der angefochtene Entscheid bestätigt die vom Amtsstatthalter verfügte Beschlagnahme eines Baggers. Er schliesst nicht ein Strafverfahren ab, sondern betrifft eine vorsorgliche Massnahme und stellt damit einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 OG dar. Nach der Rechtsprechung können Beschlagnahmeverfügungen einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur zur Folge haben und sind daher nach Art. 87 Abs. 2 OG mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar (BGE 128 I 129 E. 1 S. 131, mit Hinweisen). 
 
Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren wird ein kantonaler Entscheid aufgrund einer Beschwerde auf seine Verfassungsmässigkeit hin überprüft. Dabei wird auf den Zeitpunkt der kantonalen Entscheidung abgestellt; neue Tatsachen bleiben grundsätzlich unbeachtlich. Dies schliesst es indessen nicht aus, auf rechtliche Überlegungen abzustellen, wie sie in der Zwischenzeit getroffen worden sind. Dies erlaubt es, im vorliegenden Fall auch den Erwägungen des bundesgerichtlichen Urteils vom 17. November 2003 (Verfahren 1P.227/2003) Rechnung zu tragen. Dem steht das Urteil vom 27. November 2003 (Verfahren 1P.525/2003) nicht entgegen, mit dem auf eine weitere, ebenfalls eine Beschlagnahme betreffende Beschwerde des Beschwerdeführers im Wesentlichen mangels hinreichender Begründung gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht eingetreten worden ist (E. 2.1). Schliesslich hat die Änderung des luzernischen Wasserbaugesetzes, welche am 19. Januar 2004 vom Grossen Rat des Kantons Luzern beschlossen worden ist und die auf den 1. April 2004 in Kraft tritt, ausser Acht zu bleiben. 
 
Der Beschwerdeführer bestreitet mit der vorliegenden Beschwerde im Wesentlichen die Voraussetzungen für die angefochtene Beschlagnahme und macht insbesondere geltend, seine Arbeiten im Giessbachtobel seien nicht strafbar, weshalb die Massnahme vor dem Willkürverbot nach Art. 9 BV nicht standhalte. Insoweit erweist sich die Beschwerde als zulässig. 
2. 
Nach § 114 f. StPO unterliegen der Beschlagnahme Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein können oder die nach kantonalem Recht oder nach Bundesrecht für eine Einziehung in Betracht fallen. Gemäss Art. 58 StGB können u.a. Gegenstände eingezogen werden, die zur Begehung einer strafbaren Handlung gedient haben oder bestimmt waren, wenn sie die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. 
2.1 Die Beschlagnahmeverfügung des Amtsstatthalteramts enthält den Betreff "Widerhandlung gegen das Wasserbaugesetz, etc. (Wiederholungstaten)". In der Begründung dazu ist im Wesentlichen davon die Rede, dass dem Beschwerdeführer vom Baudepartement des Kantons Luzern am 20. März 1992 unter Strafandrohung nach Art. 292 StGB untersagt worden war, im Giessbach Bachverbauungen vorzunehmen. Daraus schloss das Obergericht im angefochtenen Entscheid, dass die Beschlagnahmeverfügung des Amtsstatthalteramts (allein) im Zusammenhang mit Widerhandlungen gegen das Wasserbaugesetz ergangen sei und nicht wegen Widerhandlungen gegen das genannte Verbot des Baudepartementes. Damit ist im bundesgerichtlichen Verfahren davon auszugehen, dass sich die Beschlagnahme einzig auf den Vorwurf der Widerhandlung gegen das kantonale Wasserbaugesetz stützt. Insoweit unterscheidet sich der angefochtene Entscheid von demjenigen, den die Kriminal- und Anklagekommission am 3. Juli 2003 traf und der dem Bundesgerichtsentscheid vom 27. November 2003 (Verfahren 1P.525/2003) zugrunde lag. 
2.2 Das Obergericht geht im angefochtenen Entscheid von der Annahme aus, der Beschwerdeführer habe mit dem beschlagnahmten Bagger im Giessbachtobel Arbeiten ausgeführt, die eine Inanspruchnahme eines öffentlichen Gewässers durch Bauten und Anlagen darstellten und mangels einer Bewilligung nach § 71 Abs. 1 lit. i WBG/LU in Verbindung mit § 32 f. WBG/LU strafbar seien. Damit erscheine ein relevanter Bezug zwischen Straftat und Gegenstand als wahrscheinlich und ermögliche im Hinblick auf eine definitive Einziehung die Beschlagnahme als vorläufige Massnahme. Ob sich der Beschwerdeführer tatsächlich strafrechtlich schuldig gemacht habe, sei im Einzelnen im hängigen Strafverfahren abzuklären. 
 
Demgegenüber bestreitet der Beschwerdeführer das Vorliegen einer möglichen strafbaren Handlung, weil das Wasserbaugesetz sein Verhalten nicht unter Strafe stelle. Er rügt in diesem Zusammenhang eine willkürliche Anwendung des kantonalen Wasserbaugesetzes und der Strafprozessordnung. 
Aus den genannten Bestimmungen der Strafprozessordnung und des Strafgesetzbuches ergibt sich, dass die Beschlagnahme einzig im Zusammenhang mit dem Vorliegen oder dem Verdacht einer strafbaren Handlung in Betracht fällt. Entscheidendes Gewicht kommt daher der Frage zu, ob das Vorliegen einer strafbaren Handlung angenommen werden dürfe. Der Beschwerdeführer verneint dies. Im gleichen Sachzusammenhang hat das Bundesgericht mit Urteil vom 17. November 2003 (Verfahren 1P.227/2003) erkannt, dass es nicht haltbar sei, dem Beschwerdeführer wegen seiner früher vorgenommenen Bachverbauungen eine Inanspruchnahme eines öffentlichen Gewässers durch Bauten und Anlagen aller Art vorzuhalten und ihn gemäss § 71 Abs. 1 lit. i WBG/LU in Verbindung mit § 32 f. WBG/LU strafrechtlich zu verurteilen (genanntes Urteil E. 3). Dieselben Erwägungen sind für den vorliegenden Fall massgebend, da dem Beschwerdeführer die gleichen Verstösse gegen das kantonale Wasserbaugesetz vorgehalten werden. Unter Verweis auf das genannte Urteil ergibt sich, dass es im vorliegenden Fall ebenfalls unhaltbar ist, dem Beschwerdeführer eine Straftat im Sinne von § 71 Abs. 1 lit. i WBG/LU vorzuwerfen. Damit entfällt der für eine Beschlagnahme erforderliche Bezug zu einer Straftat. Der die Beschlagnahme bestätigende Entscheid des Obergerichts vermag daher vor dem Verfassungsrecht nicht standzuhalten. Demnach erweist sich die Beschwerde als begründet und ist unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides gutzuheissen, ohne dass die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers geprüft werden müssten. 
2.3 Es wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten und ist vom Bundesgericht mehrmals festgehalten worden, dass der Beschwerdeführer seine Arbeiten im Giessbachtobel ohne Bewilligung ausführt. Aus dem kantonalen Wasserbaugesetz ergibt sich klar, dass Arbeiten an öffentlichen Gewässern nach § 19 bzw. § 32 WBG/LU bewilligungspflichtig sind, und zwar unabhängig davon, ob es sich um die Anlage neuer oder die Korrektion bestehender Gewässer im Sinne von § 11 ff. WBG/LU oder aber um die Inanspruchnahme eines öffentlichen Gewässers durch Bauten und Anlagen aller Art gemäss § 32 f. WBG/LU handelt (vgl. E. 3.2 des Urteils des Bundesgerichts vom 17. November 2003 und E. 2.2 des Urteils vom 27. November 2003). Die Verletzung der Bewilligungspflicht und das eigenmächtige Vorgehen des Beschwerdeführers sind in Anbetracht der auf dem Spiele stehenden Interessen schwerwiegend und mögen nach entsprechenden Massnahmen rufen. Dies ändert indessen nichts daran, dass angesichts des Fehlens eines Straftatbestandes im von der Kriminal- und Anklagekommission angenommenen Sinn die strafprozessuale Massnahme der Beschlagnahme ausser Betracht fällt. 
3. 
Demnach ist die Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid der Kriminal- und Anklagekommission des Obergerichts aufzuheben. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 156 OG) und hat der Kanton Luzern den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, Kriminal- und Anklagekommission, vom 22. September 2003 aufgehoben. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Der Kanton Luzern hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amtsstatthalteramt Luzern, Abteilung Luzern-Land, sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Luzern, Kriminal- und Anklagekommission, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 10. Februar 2004 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: