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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
9C_777/2009 {T 0/2} 
 
Urteil vom 4. November 2009 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Kernen, 
Gerichtsschreiber Schmutz. 
 
Parteien 
N.________, vertreten durch seinen Vater H._________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Kantonsgericht Freiburg, Sozialversicherungsgerichtshof, 
Route André-Piller 21, 1762 Givisiez, 
Beschwerdegegner, 
 
Ausgleichskasse des Kantons Freiburg, 
Impasse de la Colline 1, 1762 Givisiez, 
Mitbeteiligte. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Rechtsverzögerung) 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Verfügung vom 30. November 2007 setzte die Ausgleichskasse des Kantons Freiburg die Ergänzungsleistungen für N.________, geboren 1969, von bisher Fr. 603.- auf Fr. 455.- pro Monat ab 1. Dezember 2007 herab. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 25. April 2008 ab. 
 
B. 
N.________ liess dagegen am 7. Mai 2008 beim Kantonsgericht Freiburg, Sozialversicherungsgerichtshof, Beschwerde einreichen. Der vom Gericht durchgeführte Schriftenwechsel war mit dem Verzicht der Ausgleichskasse auf die ihr am 4. August 2008 eingeräumte Gelegenheit zur Einreichung von Schlussbemerkungen faktisch abgeschlossen. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2008 (Poststempel) erkundigte sich H._________ in Vertretung seines Sohnes beim kantonalen Versicherungsgericht nach dem Stand des Verfahrens. Dort teilte man ihm am 21. Oktober 2008 mit, die Dossiers würden in chronologischer Reihenfolge behandelt; es sei nicht möglich, einen genauen Urteilszeitpunkt bekannt zu geben. 
Am 5. April 2009 (Poststempel) erkundigte sich H._________ erneut nach dem Stand des Verfahrens. Das Kantonsgericht teilte ihm mit, aufgrund der chronologischen Behandlung der Dossiers und einer aktuellen Arbeitsüberlastung sei es leider nicht möglich, einen Urteilszeitpunkt anzugeben. 
 
C. 
H._________ führt mit Eingabe vom 9. September 2009 Rechtsverzögerungsbeschwerde; er beantragt sinngemäss, das Kantonsgericht sei anzuhalten, unverzüglich über die dort am 7. Mai 2008 eingereichte Beschwerde zu entscheiden. 
In ihrer Stellungnahme vom 21. Oktober 2009 räumt die Vorinstanz ein, die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Rechtsverzögerung sei ihr bekannt; man befinde sich in einer Situation der Arbeitsüberlastung; erst im Sommer 2009 hätten zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden können. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines anfechtbaren Entscheids kann beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 94 BGG). Voraussetzung für die Zulässigkeit der Rechtsverzögerungsbeschwerde ist damit, dass auch der anbegehrte Entscheid beim Bundesgericht (direkt) anfechtbar wäre (BERNARD CORBOZ, in: Commentaire de la LTF, 2009, N. 11 f. zu Art. 94 BGG). Die Eingabe vom 9. September 2009 betrifft ein kantonales Gerichtsverfahren, in dem über die Rechtmässigkeit eines Einspracheentscheides über die Höhe des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen zu befinden ist. Solche Entscheide sind beim Bundesgericht durch Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten anfechtbar (Art. 82, 83 und 86 BGG); im Rahmen der vorinstanzliche anhängigen Sache kann demnach Rechtsverzögerungsbeschwerde erhoben werden. 
 
2. 
Gemäss Art. 29 Abs. 1 BV hat jede Person in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. Diese Garantie ist verletzt, wenn eine Sache über Gebühr verschleppt wird. Die Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer entzieht sich starren Regeln. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall zu prüfen, ob sich die Dauer unter den konkreten Umständen als angemessen erweist. Der Streitgegenstand und die damit verbundene Interessenlage können raschere Entscheide erfordern oder längere Behandlungsperioden erlauben. Massgebend sind weiter der Umfang und die Komplexität der aufgeworfenen Sachverhalts- und Rechtsfragen, die Bedeutung des Streites für die Parteien und ihr Verhalten (Urteil 6B_801/2008 vom 12. März 2009 E. 3.3; BGE 130 I 312 E. 5.2 S. 332, 125 V 188 E. 2a S. 191; vgl. GEROLD STEINMANN, St. Galler Kommentar BV, 2. Aufl. 2008, N. 11 ff. zu Art. 29 BV und JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl. 1999, S. 495 ff.; vgl. auch FELIX UHLMANN, in: Basler Kommentar Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 6 zu Art. 94 BGG). Bei der Prüfung der Frage, ob der Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist verletzt ist, ist auch zu berücksichtigen, dass es den Recht Suchenden obliegt, im Rahmen des Zumutbaren die zum Entscheid berufene Gerichtsbehörde, wenn nötig, darauf aufmerksam zu machen, das Verfahren voranzutreiben oder allenfalls Rechtsverzögerungsbeschwerde zu führen (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 134/02 vom 30. Januar 2003 E. 1.2). Für das Verfahren in Streitigkeiten des Bundessozialversicherungsrechts vor den kantonalen Versicherungsgerichten ist das in Art. 29 Abs. 1 BV verankerte Beschleunigungsgebot resp. das Rechtsverweigerungs- und Rechtsverzögerungsverbot (Urteil 9C_502/2008 vom 23. Juli 2008 E. 1) positivrechtlich normiert: Gemäss Art. 61 lit. a ATSG hat das Verfahren einfach und rasch zu sein (BGE 126 V 244 E. 4a S. 249; 110 V 57 E. 4b S. 61). 
 
3. 
Die vorinstanzliche Beschwerde wurde am 7. Mai 2008 eingereicht. Am 3. Juli 2008 liess sich die Ausgleichskasse dazu vernehmen. Der Beschwerdeführer präsentierte seine Gegenbemerkungen am 28. Juli 2008, worauf die Kasse auf die Einreichung von Schlussbemerkungen (Frist von 30 Tagen ab Erhalt des vorinstanzlichen Schreibens vom 4. August 2008) verzichtete. In der Folge kam es trotz zweimaliger Nachfrage des Beschwerdeführers nach dem Stand des Verfahrens zu keinen weiteren Schritten; der Entscheid steht noch aus. 
 
4. 
In der Sache dreht sich der Rechtsstreit um die Höhe eines Anspruchs auf Ergänzungsleistungen. Es geht vorab um die Prüfung, ob die mit Einspracheentscheid vom 25. April 2008 bestätigte Herabsetzung auf den 1. Dezember 2007 gerechtfertigt war. Der Entscheid über diese Frage erfordert die Überprüfung einer anhand von vordefinierten Bemessungsfaktoren (Art. 9 - 12 ELG) vorgenommenen Beitragsberechnung. Selbst wenn es sich hier nicht um eine speziell komplexe Problematik handelt, liegt eine Zeitspanne von einem Jahr seit dem faktischen Ende des Schriftenwechsels bis zur Einreichung der Rechtsverzögerungsbeschwerde unter den konkreten Umständen gerade noch im Bereich des Zulässigen. Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer mitgeteilt, die Dossiers würden in chronologischer Reihenfolge behandelt. Damit ist das grundrechtlich verankerte Prinzip einer rechtsgleichen Behandlung der Rechtsuchenden primär gewahrt. Nach der Rechtsprechung (E. 2) könnte der Vorinstanz kein Verschleppungsvorwurf gemacht werden, wenn sie einzelne Entscheide vorzöge, falls die spezifische Interessenlage dies erforderte. Denn aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz leitet sich nicht nur ab, dass Gleiches gleich, sondern auch, dass Ungleiches ungleich zu behandeln ist. Die angefochtene Herabsetzung der Ergänzungsleistungen unterscheidet sich jedoch nicht wesentlich von der Reduktion einer Dauerleistung, wie sie von den Durchführungsstellen tagtäglich verfügt werden, weshalb der Beschwerdeführer keine vorgezogene Beurteilung seiner Beschwerde beanspruchen kann. 
 
5. 
Abschliessend bleibt festzuhalten, dass unter den hier zu berücksichtigenden Umständen auch im Vergleich mit anderen vom Bundesgericht beurteilten Fällen die - bisher - verstrichene Frist nicht eine unzulässige Rechtsverzögerung darstellt (vgl. z.B. Urteil 8C_615/2009 vom 28. September 2009 E. 4 [Frist von 18 Monaten zwischen Abschluss des Schriftenwechsels und Einreichung der Rechtsverzögerungsbeschwerde]; 9C_831/2008 vom 12. Dezember 2008 E. 2.2 [Frist von 24 Monaten zwischen Abschluss des Schriftenwechsels und dem Urteil ist zwar unangemessen, jedoch noch an der Grenze zur Rechtsverzögerung], in Plädoyer 3/2009 p. 62; Verfügung vom 19. August 2009 in der Sache 9C_433/2009 E. 2.2 [keine unzulässige Rechtsverzögerung, obwohl ab Einreichung der Beschwerde bis zur Urteilsfällung 25 Monate verstrichen und die Sache bereits seit mehr als 18 Monaten offensichtlich entscheidungsreif war]; vgl. auch Urteile I 473/04 vom 29. November 2005 E. 3, I 314/99 vom 16. Juli 1999 E. 2 und 8C_681/2008 vom 20. März 2009 E. 3.2). 
 
6. 
Unter den vorliegenden Umständen rechtfertigt sich der Verzicht auf die Erhebung von Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 4. November 2009 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Meyer Schmutz