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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
I 943/06 
 
Urteil vom 13. April 2007 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Seiler, 
Gerichtsschreiber Maillard. 
 
Parteien 
T.________, 1958, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Maron, Schaffhauserstrasse 345, 8050 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. September 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1958 geborene T.________ meldete sich am 11. Februar 1999 unter Hinweis auf seit einem Unfall vom 21. Juni 1998 (Sturz auf das Gesäss) bestehende Rückenschmerzen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 9. März 2000 verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich einen Anspruch auf berufliche Massnahmen. Am 27. Februar 2002 erlitt T.________ bei einem weiteren Sturz wiederum Rückenverletzungen, worauf er sich am 30. Oktober 2002 erneut bei der Invalidenversicherung anmeldete (Berufsberatung, Umschulung, Rente). Nach medizinischen und beruflichen Abklärungen lehnte die IV-Stelle am 28. Juli 2003 einen Anspruch auf berufliche Massnahmen ab. Am 13. August 2004 sprach sie T.________ ab 1. Februar 2003 eine bis 31. August 2003 befristete ganze Invalidenrente zu. Mit Einspracheentscheid vom 26. Mai 2005 verlängerte die IV-Stelle die Anspruchsdauer bis 30. November 2003. 
B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom19. September 2006 ab. 
C. 
T.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und ihm seien ab 1. Juni 1999 eine Viertels-, ab Mai 2002 ein ganze und ab Dezember 2003 eine halbe Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen. Die Sache sei an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie für die Zeit ab Dezember 2003 zusätzliche Abklärungen vornehme und gestützt darauf über den Rentenanspruch neu verfüge. Weiter ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG [SR 173.110]) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205 und 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395). 
2. 
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft seit 1. Juli 2006] in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
3. 
Im Einspracheentscheid, auf den der angefochtene Gerichtsentscheid verweist, werden die Bestimmungen über den Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG, Art. 4 IVG), die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch und dessen Umfang (Art. 28 Abs. 1 IVG) sowie die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen der Vorinstanz zum Beginn des Rentenanspruchs (Art. 29 Abs. 1 IVG). Darauf wird verwiesen. 
4. 
Umstritten ist einerseits, ob bereits nach dem Unfall vom 21. Juni 1998 eine mindestens einjährige Arbeitsunfähigkeit (Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG) bestanden hat, so dass ab Juni 1999 ein Anspruch auf ein Rente bestünde und in der Folge dann auch nach dem Unfall vom 27. Februar 2002 kein Wartejahr mehr erforderlich, sondern die vorherige Rente nach Art. 88a Abs. 2 IVV zu erhöhen wäre. Andererseits stellt sich die Frage, ob auch über Ende November 2003 hinaus ein Rentenanspruch besteht. 
5. 
5.1 Hinsichtlich der anbegehrten Rente ab Juni 1999 hat die Vorinstanz in einlässlicher Würdigung der medizinischen Unterlagen, insbesondere des Berichtes der Klinik X.________ vom 18. Februar 1999, festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab 15. Februar 1999 in der bisherigen Tätigkeit wieder voll arbeitsfähig gewesen wäre. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397). Sie lässt sich mit Blick auf die eingeschränkte Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (vgl. E. 2 hiervor) weder als offensichtlich unrichtig noch als unvollständig bezeichnen. 
5.1.1 Im genannten Bericht der Klinik X.________ wird die Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers mit 0 % zwar als "im Rahmen des Zumutbaren" bezeichnet. Es wird aber ausdrücklich erwähnt, dass von Seiten der objektivierbaren Rückenproblematik diese Arbeitsfähigkeit auch für seinen bisherigen Beruf als Gipser gelte. Im Bericht der Rehaklinik Y.________ vom 30. Oktober 2002 wird primär der aktuelle Stand (nach dem zweiten Unfall vom 27. Februar 2002) beurteilt. Der Bericht enthält indessen keine eigenen Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit in den Jahren 1998 und 1999. 
5.1.2 Dr. med. W.________, FMH für Innere Medizin/Rheuma, stimmt in seinem Bericht vom 25. März 1999 in der Diagnose im Prinzip mit derjenigen der Klinik X.________ überein und hält - gleich wie diese - eine wechselseitige Tätigkeiten ohne Heben über 20 kg für zumutbar. Er geht aber von einem anderem Berufsbild aus, nämlich dass die bisherige Tätigkeit des Beschwerdeführers eine schwere gewesen sei. Die Klinik X.________ schätzt sie demgegenüber als mittelschwer ein. Das ist nicht offensichtlich unrichtig, da der Beschwerdeführer in der früheren Tätigkeit im Familienbetrieb nicht bloss als Gipser tätig war, sondern auch Offerten, Rechnungen, Rapporte usw. schrieb. Er hatte also eine nicht ausschliesslich körperliche, sondern wechselnde Tätigkeit. 
5.1.3 Weiter war der Betrieb vor dem Unfall vom 21. Juni 1998 bereits in Konkurs gefallen. Der Beschwerdeführer war seit April 1998 arbeitslos und vor dem Unfall voll vermittlungsfähig. Zwar ist im Rahmen von Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG nicht auf die Erwerbsunfähigkeit, sondern auf die Arbeitsunfähigkeit im bisherigen Beruf abzustellen (Art. 6 ATSG; vgl. Urteil S. vom 23. Oktober 2003, I 392/02, E. 4.2.2). Wenn aber vor dem Unfall bereits aus unfallfremden Gründen der frühere Beruf aufgegeben wurde und - als Arbeitsloser - grundsätzlich auch andere Tätigkeiten in Frage gekommen wären, kann für die Arbeitsunfähigkeit im Sinne von Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG nicht allein auf die frühere - im Unfallzeitpunkt bereits nicht mehr ausgeübte - Tätigkeit abgestellt werden. Der Beschwerdeführer hatte denn auch alternative Tätigkeiten in Betracht gezogen, die sich aber aus krankheitsfremden Gründen nicht realisieren liessen. 
5.1.4 Demgegenüber ist die vom Beschwerdeführer vor dem 2. Unfall ausgeübte Tätigkeit als Eisenleger eine schwere Tätigkeit. Wenn er diese nur unter Einsatz von Schmerzmitteln (aber immerhin zu 100 %) versehen konnte, heisst das noch nicht, dass er nicht andere, mittelschwere Tätigkeiten voll hätte ausüben können. 
5.2 Ist der Beschwerdeführer nach den damit für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts ab 15. Februar 1999 in der bisherigen Tätigkeit wieder voll arbeitsfähig gewesen, ist vor dem zweiten Unfall kein Rentenanspruch entstanden. Deshalb beginnt für den Rentenanspruch nach dem zweiten Unfall das Wartejahr zu laufen und wurde die Rente daher von der Beschwerdegegnerin gesetzeskonform ab Februar 2003 zugesprochen. 
6. 
6.1 Für die Zeit ab Dezember 2003 geht die Vorinstanz gestützt auf die im Wesentlichen übereinstimmenden Berichte der Rehaklinik Y.________ vom 8. Januar 2003 und des Kreisarztes der Suva vom 25. August 2003 davon aus, dass der Beschwerdeführer ab September 2003 in einer leichten Arbeit 100 % arbeitsfähig wäre. Diese Sachverhaltsfeststellung ist nicht offensichtlich unrichtig. Der vom Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren vorgelegte Bericht vom 29. August 2005 des Dr. med. S.________, Spezialarzt FMH für physikalische Medizin speziell Rheumaerkrankungen, ändert daran mindestens bis zum für die Beurteilung des Falles massgebenden Zeitpunkt des Einspracheentscheides (siehe dazu BGE 131 V 242 E. 2.1 S. 243 mit Hinweisen) nichts. 
6.2 Umstritten ist für diese Phase das Valideneinkommen. Die Vorinstanz geht von der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2002 des Bundesamtes für der Statistik, Niveau 3 für Baugewerbe, aus. Der Beschwerdeführer beantragt das frühere (wesentlich höhere) Einkommen im elterlichen Betrieb. Darauf kann nicht abgestellt werden, weil diese Tätigkeit bereits lange vor dem Unfallzeitpunkt (27. Februar 2002) aus invaliditätsfremden Gründen aufgegeben wurde. Der Beschwerdeführer hat nach dem Ende der Anstellung im Familienbetrieb längere Zeit keine Arbeit ausgeübt und dann offenbar mangels anderer Möglichkeiten die Tätigkeit als Eisenleger angenommen. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass er ein vergleichbares Einkommen hätte erzielen können wie früher im Familienbetrieb. Die vorinstanzliche Ermittlung eines Invaliditätsgrades von 35 % ist damit nicht zu beanstanden, was zur Verneinung eines Rentenanspruchs ab Dezember 2003 führt. 
7. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 Satz 2 OG in der seit 1. Juli 2006 geltenden Fassung). Die unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung und Verbeiständung; Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG) kann gewährt werden (BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371 E. 5b S. 372, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege werden sie einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird Rechtsanwalt Jürg Maron, Zürich, für das Verfahren vor dem Bundesgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 13. April 2007 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: