Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_83/2010 
 
Urteil vom 12. Juli 2010 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Raselli, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Theo Studer, 
 
gegen 
 
Kommission für Administrativmassnahmen im Strassenverkehr des Kantons Freiburg, 
Tafersstrasse 10, Postfach 192, 1707 Freiburg. 
 
Gegenstand 
Warnungsentzug SVG, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 1. Dezember 2009 des Kantonsgerichts Freiburg, 
III. Verwaltungsgerichtshof. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 13. Dezember 2008 verursachte X.________ als Lenker eines Personenwagens auf der Autostrasse Thun/Steffisburg-Bern (Autobahnzubringer) einen Selbstunfall mit Sachschaden. Mit rechtskräftigem Strafmandat vom 12. Januar 2009 büsste ihn das Untersuchungsrichteramt IV Berner Oberland deswegen (gestützt auf Art. 90 Ziff. 1 SVG) mit Fr. 200.--. Am 19. Februar 2009 entzog ihm die Kommission für Administrativmassnahmen im Strassenverkehr des Kantons Freiburg den Führerausweis (gestützt auf Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG) für die Dauer eines Monats. Eine vom Lenker dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht des Kantons Freiburg, III. Verwaltungsgerichtshof, mit Urteil vom 1. Dezember 2009 ab. 
 
B. 
Gegen den Entscheid des Kantonsgerichts gelangte X.________ mit Beschwerde vom 5. Februar 2010 an das Bundesgericht. Er beantragt, anstelle des verfügten Warnungsentzuges des Führerausweises sei eine Verwarnung auszusprechen. 
Die kantonale Kommission für Administrativmassnahmen und das Kantonsgericht liessen sich am 16. bzw. 22. Februar 2010 vernehmen. Das Bundesamt für Strassen beantragt mit Stellungnahme vom 21. April 2010 die Abweisung der Beschwerde. Mit Verfügung vom 25. Februar 2010 bewilligte das Bundesgericht das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 1-2 BGG). 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254 mit Hinweisen). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 
 
2. 
Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer am Samstag, 13. Dezember 2008 (16.05 Uhr) die Beherrschung über sein Fahrzeug verloren. Nachdem er auf der Autostrasse Thun/Steffisburg-Bern (Autobahnzubringer in Richtung A/6 Thun Nord) eine Brücke passiert hatte, kam er von der nassen bzw. stellenweise vereisten Fahrbahn nach rechts ab und prallte mit der Frontseite heftig gegen die Leitplanke, die teilweise mit Schnee bedeckt war. In der Folge drehte sich der Personenwagen um die eigene Achse, worauf er ein zweites Mal mit der Seitenbeschrankung kollidierte und schliesslich auf dem Pannenstreifen zum Stillstand kam. An der Leitplanke und am Personenwagen entstand Sachschaden. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz sei zu Unrecht von einer mittelschweren (anstatt einer leichten) Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften ausgegangen. Dadurch habe sie Bundesrecht verletzt. Er sei (mit 60 km/h) besonders vorsichtig über die Brücke gefahren, zumal er angesichts der Temperatur- und Witterungsverhältnisse "eher" mit Eisglätte habe rechnen müssen. Da das Strassenstück auf der Brücke trocken gewesen sei, habe ihn die vereiste Stelle nach der Brücke dennoch sehr überrascht. Er sei ins Schleudern geraten, worauf sich der Unfall mit Sachschaden ereignet habe. Der dortige Strassenabschnitt sei allerdings nicht den Umständen entsprechend unterhalten (nicht gesalzen) gewesen. Als TCS-Patrouilleur sei er beruflich auf den Führerausweis dringend angewiesen. Da das Untersuchungsrichteramt bei Erlass des Strafbefehls Art. 90 Ziff. 1 SVG angewendet habe, sei die Strafbehörde von einem leichten Verschulden ausgegangen. Eine konkrete Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer habe nicht bestanden. "Entsprechend" könne auch nicht von einer erhöhten abstrakten Gefährdung gesprochen werden. Zwar habe eine gewisse abstrakte Gefährdung bestanden. Es dürfe jedoch nicht jede noch so geringfügige Verkehrsübertretung als mittelschwere Widerhandlung qualifiziert werden. 
 
4. 
Der Führer muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann (Art. 31 Abs. 1 SVG). Er hat seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuzuwenden (Art. 3 Abs. 1 VRV [SR 741.11]). Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen (Art. 32 Abs. 1 SVG). Der Führer hat langsam zu fahren, wo die Strasse verschneit, vereist, mit nassem Laub oder mit Splitt bedeckt ist (Art. 4 Abs. 2 VRV). 
Nach Widerhandlungen gegen Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz ausgeschlossen ist, wird der Führerausweis entzogen oder eine Verwarnung ausgesprochen (Art. 16 Abs. 2 SVG). Bei leichten Widerhandlungen (und mangels qualifizierender bzw. privilegierender Umstände, die hier nicht erfüllt sind) wird die fehlbare Person verwarnt (Art. 16a Abs. 3 SVG). Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG). Eine leichte Widerhandlung begeht, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft, sofern ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG). 
Nach einer mittelschweren Widerhandlung wird der Führerausweis (von hier nicht massgeblichen qualifizierten Fällen abgesehen) für mindestens einen Monat entzogen (Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG). Die mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b SVG stellt einen Auffangtatbestand dar. Sie liegt vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung nach Art. 16a SVG und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c SVG gegeben sind (BGE 135 II 138 E. 2.2.2 S. 141 mit Hinweisen). Die Annahme einer leichten Widerhandlung setzt voraus, dass der Lenker durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen hat und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft. Nach der Rechtsprechung müssen eine geringe Gefahr und ein leichtes Verschulden kumulativ gegeben sein (BGE 135 II 138 E. 2.2.3 S. 141 mit Hinweisen). Dass das Untersuchungsrichteramt sich beim Erlass seiner Strafverfügung auf Art. 90 Ziff. 1 SVG stützte, schliesst die Annahme einer mittelschweren Widerhandlung im Administrativverfahren nicht aus (Bundesgerichtsurteile 1C_424/2008 vom 31. März 2009 E. 4.1; 1C_7/2008 vom 24. Juli 2008 E. 6.2; vgl. schon BGE 120 Ib 312 E. 4b S. 315 zu Art. 16 Abs. 3 lit. a aSVG). Eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist nicht erst bei einer konkreten, sondern bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung zu bejahen. Ob eine solche vorliegt, hängt von den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalles ab (vgl. BGE 131 IV 133 E. 3.2 S. 136 mit Hinweisen; René Schaffhauser, Die neuen Administrativmassnahmen des Strassenverkehrsgesetzes, in: Jahrbuch zum Strassenverkehrsrecht 2003, St. Gallen 2003, S. 161 ff., 181 Rz. 43). 
 
5. 
5.1 Zu prüfen ist zunächst, ob der Beschwerdeführer bei seinem Selbstunfall eine nur geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen hat. 
Durch seinen Fahrfehler mit Unfallfolgen hat sich der Lenker primär selbst erheblich und konkret gefährdet und Sachschäden am eigenen Fahrzeug sowie an verschiedenen Stellen der Leitplanke verursacht. Zwar kam es glücklicherweise zu keinen schwereren Unfallfolgen und zu keiner direkten oder indirekten Unfallbeteiligung von dritten Personen. Dies schliesst jedoch eine massgebliche Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer (im Sinne von Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG) nicht aus: 
Der Selbstunfall ereignete sich am 13. Dezember 2008 nach 16.00 Uhr, somit bei einbrechender Dämmerung und winterlichen Strassenverhältnissen mit Nässe und stellenweise Schnee bzw. Eisglätte am Unfallort. Es handelte sich um eine (besonders an einem Samstag Nachmittag) stark frequentierte Autostrasse mit signalisierter Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Die Möglichkeit, dass nachfolgende Fahrzeuglenker durch das schleudernde bzw. sich drehende sowie auf dem Pannenstreifen zu stehen kommende Unfallfahrzeug auf sehr gefährliche Weise überrascht und irritiert werden konnten, liegt auf der Hand. Eine zumindest abstrakte Gefahr bestand angesichts des unkontrollierten Drehens und Zurückschleuderns des Unfallfahrzeuges (nach der ersten Kollision mit der Leitplanke) aber auch für den Gegenverkehr auf der nicht richtungsgetrennten (Art. 1 Abs. 3 VRV) und vielbefahrenen Autostrasse Thun/Steffisburg-Bern. Mangels einer baulichen Abtrennung der Fahrbahnen (Mittelleitplanken) ist das Risiko von Frontalkollisionen mit schweren Folgen auf Autostrassen denn auch wesentlich höher als auf Autobahnen (BGE 122 IV 173 E. 2d S. 176 f.). Bei gesamthafter Betrachtung ist hier nicht nur von einer konkreten Selbstgefährdung des Lenkers an Leib und Leben auszugehen, die sich in einem Unfall mit Sachschaden realisiert hat, sondern zudem von einer erhöhten abstrakten Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer (vgl. zur Kasuistik auch BGE 131 IV 133 E. 3.2 S. 136; 123 II 37 E. 1b S. 39, 106 E. 2a S. 109; 122 II 228 E. 3b S. 230; 118 IV 285 E. 3a S. 288 f.; je mit Hinweisen; Schaffhauser, a.a.O., S. 181-183, Rz. 43-47). 
In diesem Zusammenhang braucht in tatsächlicher Hinsicht nicht weiter geprüft zu werden, ob der Selbstunfall letztlich durch ungenügende Aufmerksamkeit, mangelhafte Fahrtechnik, unangepasste Geschwindigkeit oder durch eine Kombination dieser Faktoren ausgelöst wurde. Dass die Vorinstanz hier ein (zumindest leichtes) Verschulden bejahte und (objektiv) eine bloss geringe Gefahr und damit einen leichten Fall im Sinne von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG verneinte, hält vor dem Bundesrecht stand. Das revidierte SVG räumt dem Aspekt der Schwere der verschuldeten Verkehrsgefährdung insofern ausdrücklich einen eigenständigen Stellenwert ein. 
 
5.2 Es kann offen bleiben, ob es (für die Annahme einer leichten Widerhandlung) darüber hinaus noch an der zusätzlichen Voraussetzung eines nur leichten Verschuldens mangeln würde. 
Zwar macht der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend, der Selbstunfall sei nicht auf eigene Unaufmerksamkeit bzw. Fahrfehler zurückzuführen, sondern auf mangelnden Strassenunterhalt. Er legt jedoch nicht dar, inwiefern die gegenteiligen tatsächlichen Annahmen der Vorinstanz in diesem Zusammenhang offensichtlich unrichtig wären (vgl. Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 42 Abs. 2 Satz 1 und Art. 105 Abs. 1-2 BGG). Darüber hinaus müssten die gesetzlichen Voraussetzungen (subjektiv) des nur leichten Verschuldens und (objektiv) der bloss geringen Gefahr für Dritte, wie dargelegt, kumulativ erfüllt sein. 
 
5.3 Der verfügte Warnungsentzug von einem Monat Dauer ist auch in zeitlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz hat die zulässige gesetzliche Mindestentzugsdauer nach unten voll ausgeschöpft (Art. 16b Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG). Dabei hat sie insbesondere der Gefährdung der Verkehrssicherheit, dem Verschulden des Lenkers sowie dessen Sanktionsempfindlichkeit und automobilistischem Leumund angemessen Rechnung getragen (Art. 16 Abs. 3 Satz 1 SVG). 
 
6. 
Damit ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Kommission für Administrativmassnahmen im Strassenverkehr des Kantons Freiburg sowie dem Kantonsgericht Freiburg, III. Verwaltungsgerichtshof, und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 12. Juli 2010 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Forster