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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
5A_20/2018  
 
 
Urteil vom 24. September 2018  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Marazzi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Betreibungsamt Oberland, 
Dienststelle Oberland West. 
 
Gegenstand 
Existenzminimum, Umzugskosten, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 27. Dezember 2017 (ABS 17 326). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Gegen A.________ sind beim Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland West, mehrere Betreibungen hängig. Im Rahmen einer Lohnpfändung nahm das Betreibungsamt am 2. September 2017 eine Einvernahme vor, nachdem A.________ einen Wohnungswechsel gemeldet und um die Rückerstattung der Umzugskosten von rund Fr. 1800.-- ersucht hatte. Es berechnete am 8. September 2017 das Existenzminimum bezüglich der Positionen für Wohnen und Fahrten zum Arbeitsplatz neu. Mit Verfügung vom 11. September 2017 teilte das Betreibungsamt A.________ mit, dass ab 1. April 2018 die monatlichen Wohnkosten nur mehr mit Fr. 1'250.-- berücksichtigt werden. Die Umzugskosten könnten nicht zurückerstattet werden.  
 
A.b. A.________ wandte sich gegen diese Verfügung an das Obergericht des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen. Mit Entscheid vom 27. Dezember 2017 wies das Obergericht die Beschwerde ab.  
 
B.   
Mit Eingabe vom 8. Januar 2018 ist A.________ an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin verlangt (sinngemäss) die Berücksichtigung ihrer Umzugskosten bei der Berechnung des Existenzminimums. 
Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Betreibungsamt hat sich zur Sache geäussert, ohne einen Antrag zu stellen. Beide Eingaben sind der Beschwerdeführerin zur Kenntnis übermittelt worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen über die Berechnung des Existenzminimums. Die Beschwerde in Zivilsachen ist unabhängig eines Streitwertes gegeben (Art. 19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Die im kantonalen Verfahren unterlegene Beschwerdeführerin ist als Schuldnerin von der Berechnung des Existenzminimums besonders berührt und daher zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.3. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 86 E. 2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 II 283 E. 1.2.2).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind nur so weit zulässig, als erst der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, dass die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Umzugskosten bei der Berechnung des Existenzminimums im konkreten Fall nicht gegeben sind.  
 
2.2. Die Beschwerdeführerin fordert nach wie vor vom Betreibungsamt eine Rückerstattung der bereits bezahlten Umzugskosten. Sie schildert ihre persönliche und finanzielle Situation.  
 
3.   
Anlass zur Beschwerde gibt die Berücksichtigung von ausserordentlichen Kosten bei der Berechnung des Existenzminimums der Beschwerdeführerin im Rahmen der Einkommenspfändung. 
 
3.1. Bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens hat das Betreibungsamt dem Schuldner und seiner Familie das Existenzminimum zu belassen (Art. 93 Abs. 1 SchKG).  
 
3.1.1. Das Existenzminimum bemisst sich in der Praxis anhand der Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz (vom 1. Juli 2009, in: BlSchK 2009 S. 192), die von den meisten Kantonen (mit Anpassungen) übernommen werden (vgl. im Kanton Bern das entsprechende Kreisschreiben Nr. B 1 der Aufsichtsbehörde vom 1. Januar 2011). Zwar kommt diesen Richtlinien kein rechtsverbindlicher Charakter zu, sie dienen aber der einheitlichen Rechtsanwendung bei der Bemessung des Existenzminimums (vgl. BGE 129 III 242 E. 4.1; KREN KOSTKIEWICZ, in: Kurzkommentar SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 25 zu Art. 93). Das Ermessen des Betreibungsbeamten wird dadurch nicht eingeschränkt (vgl. BGE 86 III 10 S. 11; 132 III 483 E. 4.3; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. II, 2000, N. 86 zu Art. 93; VONDER MÜHLL, in: Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 21 zu Art. 93). Keine Anwendung finden hingegen die SKOS-Richtlinien, da anlässlich der Revision des SchKG im Jahre 1994 der Antrag auf Einführung des Begriffs des "sozialen Existenzminimums" abgelehnt worden war (Urteil 5A_246/2008 vom 19. Mai 2008 E. 4.2 mit Hinweisen).  
 
3.1.2. Die Richtlinien sehen einen monatlichen Grundbetrag sowie eine Reihe von Zuschlägen vor. Unter diesen findet sich auch eine Position "verschiedene Auslagen". Damit soll grösseren Aufwendungen des Schuldners, die unmittelbar bevorstehen, durch eine zeitweise Erhöhung des Existenzminimums in billiger Weise Rechnung getragen werden. Gemeint sind etwa die Kosten einer medizinischen Behandlung und der Betreuung der Familie sowie eines Wohnungswechsels (vgl. VONDER MÜHLL, a.a.O., N. 32 zu Art. 93; ausführlich zum Wohnungswechsel GUIDICELLI/PICCIRILLI, Il pignoramento di redditi ex art. 93 LEF nella pratica ticinese, 2002, Rz. 208 ff.). Die Berücksichtigung der Auslagen für einen Wohnungswechsel im Existenzminimum des Schuldners entspricht zudem der bisherigen Praxis des Bundesgerichts (BGE 87 III 110 E. 2; 57 III 204 E. 1).  
 
3.2. Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz berechnete das Betreibungsamt am 8. September 2017 das Existenzminimum der Beschwerdeführerin neu, nachdem diese einen Wohnungswechsel mitgeteilt und um Rückerstattung der Umzugskosten ersucht hatte. Dabei bildete es drei Phasen. Für die Zeit vor dem Umzug berücksichtigte es Fr. 1'780.-- für die Miete und Fr. 694.-- für die Fahrten zur Arbeit. Für die Zeit nach dem Umzug am 25. August 2017 berücksichtigte es Fr. 2'110.-- für die Miete und Fr. 740.-- für die Fahrten zur Arbeit. Ab 1. April 2018 berücksichtigte es Fr. 1'250.-- für die Miete und Fr. 740.-- für die Fahrten zur Arbeit. Mit Verfügung vom 11. September 2017 teilte das Betreibungsamt der Beschwerdeführerin mit, dass für ihre Wohnkosten ab 1. April 2018 nur mehr monatlich Fr. 1'250.-- berücksichtigt werden. Die Umzugskosten könnten nicht rückerstattet werden und müssten aus dem Grundbetrag bezahlt werden.  
 
3.3. Die Vorinstanz hiess die Herabsetzung der anrechenbaren Wohnkosten und damit die neue Festlegung des Existenzminimums gut. Ihrer Ansicht nach waren die bisherigen Wohnkosten übersetzt und durften nach einer angemessenen Übergangsfrist (mit Hinweis auf BGE 129 III 526 E. 2) angepasst werden. Dass die bisherigen Wohnkosten nicht mehr im vollen Umfang berücksichtigt werden, stellt die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht zu Recht nicht mehr in Frage. Weder die familiäre Situation noch die ortsüblichen Ansätze für Mietwohnungen entsprechen ihren effektiven Wohnkosten.  
 
3.4. Strittig bleibt hingegen die Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin inzwischen bezahlten Umzugskosten von Fr. 1'794.-- in deren Existenzminimum. Die Vorinstanz stellte fest, dass sich für die alleinstehende Beschwerdeführerin durch den Umzug in eine andere Wohnung die bisherigen bereits hohen Mietausgaben und die Fahrkosten nicht etwa reduziert, sondern sogar erhöht haben. Objektive Gründe für den Umzug in eine teurere Wohnung wie Familienzuwachs, Arbeitsplatzwechsel oder eine körperliche Behinderung einerseits sowie das Fehlen einer günstigeren Alternative andererseits lägen nicht vor. Sei ein Wohnungswechsel nicht zwingend angezeigt, so könnten auch die damit verbundenen Umzugskosten bei der Berechnung des Existenzminimums nicht berücksichtigt werden.  
 
3.5. Die Beschwerdeführerin schildert dem Bundesgericht ihre persönliche und finanzielle Situation, aus der sie einen Anspruch auf Rückerstattung der bereits bezahlten Umzugskosten von Fr. 1'794.-- ableitet. Soweit sie mit ihren Ausführungen den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt ergänzen möchte, kann ihr nicht gefolgt werden. Weder erhebt sie diesbezüglich eine rechtsgenüglich begründete Rüge noch wird erkennbar, dass erst der angefochtene Entscheid zu den neuen Vorbringen Anlass gibt (E. 1.3, 1.4). Sollten sich seit der am 8. September 2017 vorgenommenen Berechnung des Existenzminimums ihre Ausgaben erhöht haben, kann sich die Beschwerdeführerin an das Betreibungsamt wenden, das eine Anpassung prüfen wird (Art. 93 Abs. 3 SchKG).  
 
3.6. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin genügt allein der finanzielle Engpass aufgrund der Lohnpfändung nicht, um über den Grundbetrag hinaus bei der Berechnung des Existenzminimums noch einen Zuschlag für die Umzugskosten aufzunehmen. Eine solche Sichtweise würde dem Ausnahmecharakter dieser Auslage nicht gerecht. Das Betreibungsamt kann bei den Aufwendungen des Schuldners vorübergehend spezielle Kosten berücksichtigen, die für die medizinische Betreuung und Behandlung seiner Familie notwendig sind oder sich aus seiner Wohnsituation ergeben (E. 3.1). Ob ein derartiger Bedarf besteht, entscheidet das Betreibungsamt aufgrund der konkreten Umstände. Im vorliegenden Fall hat es sein Ermessen weder überschritten noch missbräuchlich ausgeübt, als es die Umzugskosten der Beschwerdeführerin bei der Neuberechnung ihres Existenzminimums nicht berücksichtigt hat. Weder bestand gemäss den Feststellungen der Vorinstanz ein zwingender Grund für den Wohnungswechsel noch war er die Folge des vom Betreibungsamt mit Wirkung ab 1. April 2018 herabgesetzten Mietaufwandes. Eine Rechtsverletzung liegt nicht vor.  
 
4.   
Nach dem Gesagten ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Angesichts der konkreten Umstände wird auf die Erhebung von Kosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland West, und dem Obergericht des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. September 2018 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Levante