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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.848/2006 /ggs 
 
Urteil vom 16. Januar 2007 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet, 
 
gegen 
 
Strafgerichtspräsidium des Kantons 
Basel-Landschaft, Bahnhofplatz 16, 4410 Liestal. 
 
Gegenstand 
Haftbefehl, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Haftbefehl des Strafgerichtspräsidiums des Kantons Basel-Landschaft vom 20. Dezember 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 19. Oktober 2005 verurteilte das Strafgericht Basel-Stadt X.________ wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, der Hehlerei, der mehrfachen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer sowie des mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz zu 2 1/4 Jahren Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft seit dem 31. Mai 2005 und zu 10 Jahren Landesverweisung. 
Am 13. November 2006 entschied die Strafvollzugskommission des Kantons Basel-Stadt, X.________ am 20. Dezember 2006 bedingt aus dem Strafvollzug zu entlassen. Der probeweise Aufschub der gerichtlich angeordneten Landesverweisung wurde nicht gewährt. 
B. 
Am 11. Dezember 2006 erhob das Besondere Untersuchungsrichteramt Basel-Landschaft Anklage gegen X.________ wegen einfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Zeitraum vom 13. Oktober bis zum 8. November 2003 sowie mehrfach qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Zeitraum von November 2004 bis 31. Mai 2005. 
C. 
Im Hinblick auf die bevorstehende Entlassung des Angeklagten aus dem Strafvollzug gab die Präsidentin des Strafgerichts Basel-Landschaft mit Verfügung vom 12. Dezember 2006 den Parteien Gelegenheit, sich zur Frage der Sicherheitshaft bis zur Hauptverhandlung zu äussern. 
 
Der anwaltlich vertretene Angeklagte beantragte, auf die Anordnung einer Sicherheitshaft sei zu verzichten. Er machte geltend, einer Verurteilung aufgrund des angeklagten Sachverhalts stehe der Grundsatz "ne bis in idem" entgegen. Das Besondere Untersuchungsrichteramt beantragte, den Angeklagten bis zur Hauptverhandlung in Sicherheitshaft zu nehmen. 
D. 
Am 20. Dezember 2006 erliess die Präsidentin des Strafgerichts Basel-Landschaft einen Haftbefehl gegen X.________. Sie ordnete Sicherheitshaft bis zum 8. Februar 2007 wegen Fluchtgefahr an. Gleichentags wurde X.________ von der Strafvollzugsanstalt Bostadel in das Bezirksgefängnis Liestal eingeliefert. 
Am 21. Dezember 2006 wurde der Haftbefehl dem Verhafteten in Anwesenheit seines Verteidigers eröffnet. Anschliessend fand die Haftanhörung durch den Gerichtsschreiber des Strafgerichts Basel-Landschaft statt. Nach dieser Anhörung erging kein weiterer Entscheid. 
E. 
Gegen den Haftbefehl erhebt X.________ staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Haftbefehls; die Strafgerichtspräsidentin sei anzuweisen, ihn unverzüglich aus der Sicherheitshaft zu entlassen. Eventualiter sei ihm die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung durch Advokat Nicolas Roulet zu bewilligen. 
F. 
Die Strafgerichtspräsidentin beantragt, die staatsrechtliche Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
G. 
In seiner Replik hält der Beschwerdeführer an seinen Rechtsbegehren und deren Begründung fest. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Angefochten ist eine Haftanordnung des Strafgerichtspräsidiums des Kantons Basel-Landschaft, die im Kanton nicht anfechtbar und damit kantonal letztinstanzlich ist (§ 81 Abs. 3 Satz 2 der kantonalen Strafprozessordnung vom 3. Juni 1999 [StPO/BL] in der Fassung vom 22. Mai 2003). 
 
Da alle übrigen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die staatsrechtliche Beschwerde einzutreten. 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 31 Abs. 3 BV, Art. 5 Ziff. 3 EMRK und § 9 Abs. 4 lit. b der Verfassung des Kantons Basel-Landschaft vom 17. Mai 1984 (KV/BL), weil die Haftanhörung vom Gerichtsschreiber des Strafgerichts durchgeführt worden sei, d.h. von einer Person ohne richterliche Funktion. Die Strafgerichtspräsidentin, welche die Haft angeordnet habe, habe den Beschwerdeführer nie persönlich angehört. Zudem sei die Haftanhörung auch nicht binnen 24 Stunden nach der Festnahme erfolgt. 
2.1 Gemäss Art. 31 Abs. 3 BV hat jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter zugeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Auch Art. 5 Ziff. 3 EMRK verlangt eine unverzügliche Vorführung der festgenommenen Person vor einen Richter oder einem anderen, zur Ausübung richterlicher Funktionen bemächtigten Beamten. Dieser muss den Inhaftierten persönlich anhören, die Angemessenheit der Haft prüfen und nötigenfalls die Haftentlassung anordnen können (BGE 131 I 36 E. 2.3 S. 40 mit Hinweisen). 
2.2 Im vorliegenden Fall wurde die Haft durch die Strafgerichtspräsidentin und damit durch eine Richterin angeordnet. Die mündliche Haftanhörung erfolgte aber erst nach Erlass der Haftanordnung; sie wurde vom Gerichtsschreiber durchgeführt, der nicht befugt war, den Haftbefehl aufzuheben und die Haftentlassung anzuordnen. Die Strafgerichtspräsidentin selbst hat den Beschwerdeführer nie mündlich angehört. 
 
Zwar weist der vorliegende Fall die Besonderheit auf, dass dem Verteidiger des Beschwerdeführers vor Erlass des Haftbefehls schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden ist. Die schriftliche Anhörung kann die verfassungsrechtlich vorgeschriebene mündliche Haftanhörung jedoch nicht ersetzen, es sei denn, der Inhaftierte verzichte auf die mündliche Anhörung. Ein derartiger Verzicht lässt sich dem Schreiben des Verteidigers vom 14. Dezember 2006 nicht entnehmen. 
2.3 Das gegenwärtige Recht lässt - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - ein einstufiges Haftrichtersystem grundsätzlich zu (vgl. dazu Entscheid 1P.516/1992 vom 7. Oktober 1992 E. 3, publ. in EuGRZ 1992 S. 553; Hauser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., § 68 Rz 35 S. 336). Der Beschwerdeausschluss nach § 81 Abs. 3 Satz 2 StPO/BL hält jedoch vor Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Abs. 3 EMRK nur stand, wenn der für die Haftanordnung zuständige Richter den Beschuldigten vor Erlass des Haftbefehls mündlich anhört, dessen wesentliche Vorbringen prüft und in der Begründung seiner Haftanordnung dazu Stellung nimmt. 
 
 
Diesen verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen genügt die angefochtene Haftanordnung in keiner Weise. 
2.4 Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben. Dies hat zur Folge, dass der Beschwerdeführer unverzüglich aus der Haft zu entlassen ist. Die Praxis des Bundesgerichts, trotz Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde das Haftentlassungsgesuch abzuweisen, wenn erstellt ist, dass die materiellen Haftvoraussetzungen vorliegen, kommt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, nachdem sich noch keine kantonale Instanz mit den Einwänden des Beschwerdeführers gegen die Haftanordnung, namentlich zum Grundsatz "ne bis in idem", auseinandergesetzt hat. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, erstinstanzlich, anstelle des Haftrichters, die Haftvoraussetzungen zu prüfen. 
 
Die Behörden des Kantons Basel-Landschaft haben jedoch die Möglichkeit, unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben eine neue Haftanordnung zu erlassen. 
3. 
Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen, der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die zuständigen Behörden des Kantons Basel-Landschaft sind anzuweisen, den Beschwerdeführer unverzüglich aus der Sicherheitshaft zu entlassen. 
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 OG). Es sind keine Kosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
In Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde wird der Haftbefehl der Präsidentin des Strafgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 20. Dezember 2006 aufgehoben. Der Beschwerdeführer ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Der Kanton Basel-Landschaft hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Strafgerichtspräsidium des Kantons Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 16. Januar 2007 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: