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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2P.293/2005 /leb 
 
Urteil vom 20. Februar 2006 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Betschart, 
Bundesrichterin Yersin, 
Gerichtsschreiber Schaub. 
 
Parteien 
V.X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft, Postfach, 4410 Liestal, 
Administration cantonale des impôts du canton 
de Vaud, route de Berne 46, 1014 Lausanne. 
 
Gegenstand 
Art. 127 BV (Doppelbesteuerung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Einsprache-Entscheid der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft vom 9. September 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Nachdem U.X.________ am 16. Januar 2003 in C.________ (VD) gestorben war, zahlte die Bâloise-Versicherungsgesellschaft (nachfolgend: Bâloise) am 4. März 2003 ein Todesfallkapital von Fr. 105'117.-- aus der beruflichen Vorsorgeeinrichtung an seinen Bruder V.X.________, der in B.________ (BL) wohnt. Am 28. Juli 2003 veranlagte das Office d'impôt du district de C.________ (VD) V.X.________ für eine Erbschaftssteuer von Fr. 9'766.90, die am 26. August 2003 bezahlt wurde. Seiner Veranlagung legte es einen Nettonachlass von rund Fr. 65'000.-- zu Grunde, wobei in den Aktiven von Fr. 74'871.80 auch die von der Bâloise geleistete Kapitalleistung aus der 2. Säule mit Fr. 52'558.50 zur Hälfte enthalten war (Passiven: Fr. 9'544.80). 
B. 
Am 29. April 2004 stellte V.X.________ bei der Steuerverwaltung des Kantons Waadt ein Revisionsgesuch, weil Kapitalleistungen der beruflichen Vorsorge aus der 2. Säule nicht in den Nachlass fallen würden. Das Gesuch wurde am 24. Juni 2005 abgewiesen. 
C. 
Die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft erfasste die Auszahlung der Bâloise vom 4. März 2003 am Wohnsitz des Begünstigten mit Sonderveranlagung vom 14. Dezember 2004 für die Staatssteuer und die direkte Bundessteuer. Eine dagegen erhobene Einsprache wies sie am 9. September 2005 ab. 
D. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Doppelbesteuerung gegen die Entscheide vom 28. Juli 2003 bzw. 24. Juni 2005 ("Einsprache-Entscheid") der Steuerverwaltung des Kantons Waadt und gegen die Entscheide vom 14. Dezember 2004 bzw. vom 9. September 2005 der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft beantragt V.X.________ dem Bundesgericht, "1. den Standpunkt zurückzunehmen und den Entscheid des Kantons Waadt aufzuheben 2. der Kanton Waadt hat den mittels Erbschaftssteuer erhobenen Betrag von 9'766.90 CHF zuzüglich Zinsen von 5 % zurückzuzahlen. 3. der Kanton Waadt hat die mir durch steuerliche und juristische Beratungskosten von ca. 2'800.-CHF en[t]standenen Aufwendungen zurückzuzahlen". 
In seiner Vernehmlassung vom 10. November 2005 anerkennt der Kanton Waadt, dass die fragliche Kapitalleistung aus der 2. Säule zu Unrecht seiner Erbschaftssteuer unterworfen worden sei. Insofern müsse die bezahlte Steuer zurückerstattet werden und sei die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen. Soweit der Beschwerdeführer aber die vollständige Rückerstattung der Erbschaftssteuer verlange, sei die Beschwerde abzuweisen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Doppelbesteuerungsverbots (Art. 127 Abs. 3 BV) ist spätestens im Anschluss an die Geltendmachung des letzten der einander ausschliessenden Steueransprüche zu erheben, wobei der kantonale Instanzenzug nicht ausgeschöpft zu werden braucht, aber gegenüber dem angefochtenen Entscheid die dreissigtägige Beschwerdefrist einzuhalten ist (Art. 86 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 3 OG; BGE 131 I 145 E. 2.1 S. 147). Die Ausnahme von Art. 86 Abs. 2 OG gilt jedoch nicht für die geltend gemachten Rückerstattungszinsen; insofern ist auf die Beschwerde mangels Letztinstanzlichkeit des angefochtenen Entscheids nicht einzutreten (Art. 86 Abs. 1 OG). 
1.2 Mit der Beschwerde gegen die Veranlagung des zweitverfügenden Kantons kann auch die bereits rechtskräftige Steuerveranlagung des erstverfügenden Kantons angefochten werden (Art. 89 Abs. 3 OG). Deshalb kann hier mit dem basellandschaftlichen Einsprache-Entscheid der Besteuerungsanspruch des Kantons Waadt ebenfalls vollumfänglich überprüft werden, obwohl die dort vorgenommene Veranlagung unangefochten rechtskräftig bzw. das Revisionsgesuch abgewiesen wurde (Urteil 2P.2/2003 vom 7. Januar 2004, publ. in: ASA 73 420, E. 1.2). 
1.3 Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich kassatorischer Natur. Eine Ausnahme besteht bei staatsrechtlichen Beschwerden wegen Verletzung von Art. 127 Abs. 3 BV insoweit, als hier das Bundesgericht zusammen mit der Aufhebung des kantonalen Hoheitsaktes Feststellungen treffen und den beteiligten Kantonen verbindliche Weisungen erteilen kann (Urteil 2P.235/2003 vom 5. April 2004, publ. in: StE 2004 A 24.31 Nr. 1, E. 1.3 mit Hinweisen). 
Die Anträge des gemäss Art. 88 OG legitimierten Beschwerdeführers sind daher grundsätzlich zulässig, auch wenn darin mehr verlangt wird als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Unzulässig ist hingegen der Antrag, auch die mit Einsprache-Entscheid bestätigte Veranlagung vom 14. Dezember 2004 zu korrigieren (vgl. zum Devolutiveffekt: BGE 129 II 438 E. 1 S. 440 mit Hinweisen). 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen die (Doppel-) Besteuerung der Kapitalleistungen aus beruflicher Vorsorge mit der Waadtländer Erbschaftssteuer. 
2.2 Von einer unzulässigen (aktuellen) Doppelbesteuerung ist auszugehen, wenn zwei Kantone nach ihrem internen Recht die gleiche Kapitalleistung einer Versicherung jeweils vollumfänglich der Einkommens- und/oder der Erbschaftssteuer unterwerfen; diese beiden Steuerarten sind als gleichartig im doppelbesteuerungsrechtlichen Sinn anzusehen (BGE 131 I 409 E. 2.1 S. 412; 130 I 205 E. 4.2 S. 210). 
2.3 Im Zusammenhang mit Vorsorge- und Versicherungsleistungen hat das Bundesgericht die Besteuerungskompetenz für die nach der Bundesgesetzgebung über die direkten Steuern (Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11] und Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]) als Einkommen steuerbaren Leistungen dem Wohnsitzkanton des Leistungsempfängers, die von der Einkommenssteuer befreiten Leistungen (Art. 24 lit. b DBG; Art. 7 Abs. 4 lit. d StHG) dem Kanton des letzten Wohnsitzes des Erblassers zur Besteuerung zugewiesen (BGE 131 I 409 E. 3.2 S. 413; 130 I 205 E. 9.4 S. 222). 
Die Frage, wie die Abgrenzung vorzunehmen ist, wenn ein beteiligter Kanton für solche Kapitalleistungen (kumulativ) die Besteuerung sowohl mit der Erbschafts- wie auch mit der Einkommenssteuer vorsieht, wurde in BGE 130 I 205 E. 4.2 S. 211 ausdrücklich offen gelassen. 
2.4 Soweit Leistungen aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge vollumfänglich der Einkommenssteuer unterliegen, besteht doppelbesteuerungsrechtlich kein Anlass, vom genannten Grundsatz abzuweichen und sie der Besteuerungskompetenz des Wohnsitzkantons des Leistungsempfängers zu entziehen. Der Besteuerungsumfang wird auch nicht dadurch tangiert, dass diese Leistungen allenfalls (vgl. Art. 38 DBG) separat vom übrigen Einkommen und zu einem reduzierten Tarif, der harmonisierungsrechtlich Sache der Kantone bleibt (Art. 1 Abs. 3 StHG), besteuert werden. Insofern kann keine Aufteilung wie bei Rückgewährleistungen aus Leibrenten (vgl. BGE 131 I 409 E. 5.4 S. 416 f.) vorgenommen werden. 
2.5 Der Kanton Waadt erfasst Kapitalleistungen aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge gleichzeitig mit der Einkommenssteuer (getrennt vom übrigen Einkommen; vgl. Art. 26 in Verbindung mit Art. 49 loi du 4 juillet 2000 sur les impôts directs cantonaux) sowie grundsätzlich zur Hälfte mit der Erbschaftssteuer (Art. 11 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 loi du 27 février 1963 concernant le droit de mutation sur les transferts immobiliers et l'impôt sur les successions et donations [LMSD]). Von der Erbschaftssteuer befreit sind Leistungen, wenn der Begünstigte Ehegatte oder Kind des Erblassers ist, für dessen Unterhalt dieser in massgebender Weise zu sorgen hatte (Art. 25 Abs. 2 LMSD). Ob ein Kanton dieselbe Leistung sowohl der Einkommens- wie der Erbschaftssteuer unterwerfen darf, ist keine Frage der interkantonalen Doppelbesteuerung und kann vorliegend offen bleiben (vgl. zu den unterschiedlichen Besteuerungsmodellen Danielle Yersin, Prévoyance professionnelle et impôts successoraux, in: ASA 55 (1987) S. 465-496, die eher von einer [historischen] Steuer-Überlagerung als von einer -Kumulation spricht, a.a.O., S. 477). 
Im interkantonalen Verhältnis jedenfalls liegt eine unzulässige Doppelbesteuerung vor, wenn Kapitalleistungen aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge vom Kanton des letzten Wohnsitzes des Erblassers mit der Erbschaftssteuer erfasst werden, obwohl sie der Einkommenssteuer des Wohnsitzkantons des Leistungsempfängers unterliegen. Dabei spielt keine Rolle, dass die Kapitalleistungen wirtschaftlich ersparte Guthaben darstellen, die den Begünstigten nach dem Reglement der Vorsorgeeinrichtung als Erbe oder, wenn der Erblasser für ihren Unterhalt zu sorgen hatte, als Vorsorgeleistungen ausgerichtet werden. 
2.6 Die staatsrechtliche Beschwerde gegen den Kanton Waadt ist demnach grundsätzlich gutzuheissen und die Erbschaftssteuer-Veranlagung vom 28. Juli 2003 aufzuheben. Die Sache ist zur Neuveranlagung an das Office d'impôt du district de C.________ (VD) zurückzuweisen (Art. 114 Abs. 2 OG). Der Kanton Waadt hat seine Erbschaftssteuer-Veranlagung unter Ausschluss der am 3. März 2003 an den Beschwerdeführer ausbezahlten Leistungen aus beruflicher Vorsorge vorzunehmen und dem Beschwerdeführer die zu viel bezahlte Steuer zurückzuerstatten, wobei für die Verzinsung dieses Betrages das kantonale Steuerrecht massgebend ist. Soweit der Beschwerdeführer allerdings mehr verlangt, ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen. 
3. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Kanton Waadt, der Vermögensinteressen wahrnimmt, kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Eine Parteientschädigung ist dem nicht durch einen Anwalt vertretenen Beschwerdeführer praxisgemäss nicht zuzusprechen (vgl. BGE 125 II 518 mit Hinweisen). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde gegen den Kanton Basel-Landschaft wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die staatsrechtliche Beschwerde gegen den Kanton Waadt wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Die Erbschaftssteuer-Veranlagungsverfügung vom 28. Juli 2003 wird aufgehoben und die Sache zur Neuveranlagung im Sinn der Erwägungen an das Office d'impôt du district de C.________ (VD) zurückgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Kanton Waadt auferlegt. 
4. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
5. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft und der Administration cantonale des impôts du canton de Vaud schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 20. Februar 2006 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: