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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_655/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 10. November 2014  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Hugi Yar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
B. und C.A.________, Beschwerdeführerinnen,  
beide vertreten durch MLaw Adam Arend, 
 
gegen  
 
Einwohnergemeinde Bern, Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei,  
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern.  
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 6. Juni 2014. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. B.A.________ wurde im Dezember 1990 als Tochter eines chilenischen Vaters und einer dominikanischen Mutter in Zürich geboren. Sie wuchs ab 1992 - abgesehen von einer einjährigen Anwesenheit in der Schweiz im Jahr 1999 - bis zum 24. August 2006 bei ihren Grosseltern in Santo Domingo auf. In der Folge wurde sie in die Niederlassungsbewilligung ihrer Mutter einbezogen. Im Jahr 2008 heiratete B.A.________ - kurz nach ihrer Volljährigkeit - in der Dominikanischen Republik einen Landsmann, wobei das Gesuch um Familiennachzug wegen des Verdachts, dass sie an einem Kokainhandel grösseren Ausmasses beteiligt sein könnte, ungeprüft blieb. Am 1. März 2011 gebar B.A.________ eine Tochter, deren Vater unbekannt ist. Die Ehe wurde 2013 geschieden.  
 
1.2. Mit Urteil vom 17. August 2011 verurteilte das Regionalgericht Bern-Mittelland B.A.________ wegen Gehilfenschaft zu mehrfachen und mengenmässig qualifizierten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Verstössen gegen das Ausländergesetz zu einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 20 Monaten sowie einer Busse von Fr. 210.--. Gestützt hierauf widerrief die Einwohnergemeinde Bern am 16. März 2012 die Niederlassungsbewilligungen von B.A.________ und ihrer Tochter; gleichzeitig wies es sie weg. Die hiergegen gerichteten kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg; die kantonalen Behörden gingen davon aus, dass sich der entsprechende Entscheid bei Berücksichtigung aller Umstände (Schwere der Straftat, Aufenthaltsdauer, familiäre Verhältnisse, Integrationsgrad, Beziehungen zu den Heimatländern usw.) als verhältnismässig erweise.  
 
1.3. B.A.________ bestreitet dies vor Bundesgericht und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 6. Juni 2014 aufzuheben; ihre Niederlassungsbewilligung sei nicht zu widerrufen bzw. gegebenenfalls sei sie nur zu verwarnen. Sie ersucht für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Der Abteilungspräsident hat mit Verfügung vom 16. Juli 2014 der Eingabe antragsgemäss aufschiebende Wirkung beigelegt; gleichzeitig liess er die kantonalen Akten einholen.  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführerinnen beantragen ausdrücklich nur, die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin 1 nicht zu widerrufen. Der Verfahrensgegenstand ist somit auf diese Frage beschränkt. Die Interessen der minderjährigen Tochter sind im Rahmen der Interessenabwägung hinsichtlich des Widerrufs der Niederlassungsbewilligung der Mutter zu berücksichtigen.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen bloss berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig ist oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt wurde (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der festgestellte Sachverhalt bzw. die beanstandete Beweiswürdigung klar und eindeutig mangelhaft, mit anderen Worten willkürlich, erscheint (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 II 350 E. 1.3).  
 
2.2.2. Die Beschwerdeführerin 1 beschränkt sich weitgehend darauf, die bereits vor dem Verwaltungsgericht erhobenen, von diesem jedoch verworfenen Einwände zu wiederholen und zu behaupten, der Widerruf ihrer Niederlassungsbewilligung sei unverhältnismässig. Mit den Ausführungen der Vorinstanz hierzu setzt sie sich nur am Rande sachbezogen auseinander; sie stellt weitgehend lediglich ihre Sicht der Dinge derjenigen der Vorinstanz gegenüber, was den gesetzlichen Begründungsanforderungen grundsätzlich nicht genügt (vgl. BGE 134 II 244 E. 2.1 - 2.3); erforderlich sind vielmehr sachbezogene Darlegungen zu den rechtlichen Überlegungen im angefochtenen Entscheid. Die Beschwerdeführerin 1 führt nicht aus, inwiefern die Beweiswürdigung und die Feststellung des Sachverhalts als offensichtlich unhaltbar zu gelten hätten, weshalb sie dem vorliegenden Urteil zugrunde zulegen sind (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; "qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht": BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254).  
 
2.3. Die Beschwerdeführerin 1 hat am 22. September 2014 einen ärztlichen Bericht vom 29. August 2014 nachgereicht, woraus sich eine erhöhte Suizidgefährdung ergibt, sollte sie das Land verlassen müssen. Entgegen ihrem Antrag, das entsprechende Beweismittel "angemessen" zu würdigen, kann die entsprechende Eingabe im bundesgerichtlichen Verfahren nicht berücksichtigt werden; es handelt sich dabei um ein unzulässiges Novum (Art. 99 AuG; Urteil 2C_293/2014 vom 29. September 2014 E. 2.3; BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; 136 III 123 E. 4.4.3 S. 128 f.; 133 IV 342 E. 2.1 S. 344).  
 
3.  
In der Sache ist die Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts aufgrund der Aktenlage nicht zu beanstanden; sie entspricht Gesetz und bundesgerichtlicher Praxis dazu (vgl. BGE 139 I 145 ff., 31 E. 2 und 3, 16 E. 2 - 5; 137 II 297 E. 2 und 3; 135 II 377 E. 4) : 
 
3.1. Die Beschwerdeführerin 1 ist erst mit knapp 16 Jahren für längere Zeit in die Schweiz gekommen und damals altrechtlich in die Niederlassungsbewilligung ihrer Mutter einbezogen worden. Sie hat ihrem damaligen Lebenspartner von März bis September 2010 dabei geholfen, rund 3 Kilogramm Kokaingemisch einzuführen bzw. zu befördern sowie mindestens 50 Gramm Kokain zu verkaufen. Sie ist deswegen zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt worden. Der Umstand, dass sie "nur" als Gehilfin tätig wurde, ist bereits in das Strafmass eingeflossen; auch haben die Strafbehörden in diesem Rahmen berücksichtigt, dass sie nicht genau wusste, welche Drogenmenge tatsächlich von Spanien in die Schweiz geschmuggelt werden sollte; aufgrund der gesamten Umstände habe sie aber zumindest von mehreren Hundert Gramm und damit von einem Vielfachen der als qualifiziert geltenden Menge ausgehen müssen. Die Straffälligkeit war damit entgegen ihren Einwänden von Gewicht.  
 
3.2. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin 1 bereits zuvor (noch als Jugendliche) straffällig geworden war (Diebstahl, Ladendiebstahl) und auch nach ihrer Verurteilung vom 17. August 2011 wiederum einen Ladendiebstahl beging (November 2012). Selbst wenn sie seit der Verurteilung zu keinerlei Klagen mehr Anlass gegeben hätte, könnte daraus praxisgemäss kein zwingender Schluss darauf gezogen werden, ob und in welchem Umfang eine Rückfallgefahr besteht. Während des Aufenthalts im Strafvollzug bzw. der Hängigkeit des ausländerrechtlichen Verfahrens darf erwartet werden, dass sich die betroffene Person tadellos verhält, ansonsten dies ihre aufenthaltsrechtliche Position (Respektierung der Rechtsordnung, soziale Integration) zusätzlich schwächt. Die Verurteilung wegen Ladendiebstahls stellt die Aussage der Beschwerdeführerin infrage, sie habe sich stabilisiert bzw. aus der Verurteilung zu zwanzig Monaten Freiheitsstrafe (bedingt) ihre Lehren gezogen.  
 
3.3. Soweit die Beschwerdeführerin 1 behauptet, dass nur die in der Schweiz anwesenden Familienangehörigen sie zu stützen vermöchten, verkennt sie, dass dies (bereits) bisher nicht der Fall war und selbst ihre Schwangerschaft sie nicht davon abhalten konnte, über mehrere Monate hinweg einen Drogenschmuggel von grossem Ausmass zu fördern. Die Beschwerdeführerin belegt in keiner Weise, inwiefern zwischen ihr und ihren Familienangehörigen ein eigentliches Abhängigkeitsverhältnis bestehen würde, welches ihr als Volljährige erlauben würde, sich auf den Schutz des Familienlebens ausserhalb der familiären Kernbeziehungen zu berufen (Art. 8 EMRK; BGE 137 I 154 E. 3.4.2; ZÜND/HUGI YAR, Aufenthaltsbeendende Massnahmen im schweizerischen Ausländerrecht, insbesondere unter dem Aspekt des Privat- und Familienlebens, in: EuGRZ 40/2013 S. 1 ff. N. 30). Dass zwischen ihrer Tochter und den Grosseltern eine enge Beziehung bestehen würde, behauptet sie zwar, belegt dies indessen nicht. Die Vorinstanz durfte aus dem Umstand, dass die Tochter im Umfang des Arbeitspensums der Mutter (80 %) in einer Kindertagesstätte betreut wurde, willkürfrei darauf schliessen, dass die entsprechende Beziehung nicht über das übliche Mass hinausgeht (vgl. aber das Urteil 2C_326/2013 vom 20. November 2013 E. 3.3 und 5.1).  
 
3.4. Die Beschwerdeführerin 1 kann wegen ihrer Landesabwesenheit nicht als Angehörige der "zweiten Generation" im klassischen Sinn gelten, weshalb der Anspruch auf den Schutz ihres Privatlebens nach Art. 8 EMRK keine Anwendung findet (BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S. 286; ZÜND/HUGI Yar, a.a.O., Rz. 14, 23 und 35 je mit Hinweisen) : Die Beschwerdeführerin 1 ist, obwohl hier geboren, nicht in der Schweiz sozialisiert worden, sondern in ihrem Heimatland. Bis zu ihrem 16. Altersjahr waren ihre Aufenthalte und Beziehungen zur Schweiz punktueller Natur. Die Beschwerdeführerin 1 hat die prägenden Abschnitte ihrer Kindheit und (teilweise) ihrer Adoleszenz in der Dominikanischen Republik verbracht, wo sie den Kindergarten und während acht Jahren die Primar- bzw. Sekundarschule besuchte. Ihre Drogendelinquenz erfolgte im Nachgang zu kleineren Delikten (Ladendiebstahl) nach bloss vierjähriger Anwesenheit im Land. Während ihres Aufenthalts hat sie sich aufgrund der verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz weder beruflich noch sozial zu integrieren vermocht. Seit Januar 2009 bezog sie in eigenem Namen für sich und ihre Tochter (bis zum 25. März 2013) insgesamt Fr. 142'934.70 an Sozialhilfeleistungen; zuvor wurde sie bereits über ihre Mutter von den Fürsorgebehörden unterstützt.  
 
3.5. Falls die Beschwerdeführerin 1 inzwischen die während des Verfahrens vor der Vorinstanz noch laufende Vorlehre abgeschlossen haben sollte, können ihr diese und die erworbenen Sprachkenntnisse bei der Wiedereingliederung in der Dominikanischen Republik oder in Chile von Nutzen sein. Die Beschwerdeführerin 1 spricht Spanisch, verfügt über enge Bindungen zu ihrem Heimatland und ist mit den dortigen kulturellen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten vertraut. Ihre Grossmutter, bei der sie aufgewachsen ist, lebt nach wie vor in der Heimat und kann ihr und ihrer Tochter (die Beschwerdeführerin 2) als enge Bezugsperson helfend zur Seite stehen. Im Übrigen ist die Annahme der Vorinstanz nicht lebensfremd, dass sie zum Aufbau ihrer Existenz - auch als alleinerziehende Mutter - auf weitere Kontakte aus der Schul- und Jugendzeit wird bauen können. Ihr früherer Ehemann, mit dem sie von 2008 bis 2013 verheiratet gewesen ist und den sie in die Schweiz nachziehen wollte, lebt ebenfalls in der Dominikanischen Republik.  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerde erweist sich aufgrund der Akten als offensichtlich unbegründet und ist ohne Weiterungen im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Zur Begründung wird ergänzend auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).  
 
4.2. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist nicht zu entsprechen, da die Eingabe gestützt auf die detaillierte Interessenabwägung der kantonalen Instanzen als zum Vornherein aussichtslos zu gelten hatte (Art. 66 BGG). Im bundesgerichtlichen Verfahren kann im Übrigen nur ein patentierter Rechtsanwalt als unentgeltlicher Rechtsvertreter bezeichnet werden (vgl. BERNARD CORBOZ, in: Corboz et al., Commentaire de la LTF, 2014, N. 59 zu Art. 64 BGG; BGE 125 I 161 E. 3b S. 164); der Beistand der Beschwerdeführerin erfüllt diese Voraussetzung nicht (MLaw). Die unterliegende Beschwerdeführerin hat damit die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
 
 Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
 
2.1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.  
 
2.2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.  
 
3.  
 
 Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. November 2014 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar